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Veraltete Rechtssprechung aus analogen Zeiten?

Kritiker monierten schon damals eine "veraltete" oder "analoge" Rechtssprechung, die Verordnungen stammten aus einer anderen Zeit und bedürften dringend einer Aktualisierung. Und schon gar nicht dürfe die Polizei vorher erhobene Fingerabdrücke oder Fotografien nutzen, um Geräte ganz ohne die Besitzer zu entsperren.

Zwei Jahre später urteilte auch das Oberlandesgericht Bremen in einem anderen Fall (ebenfalls aus dem Jahr 2023) über die Rechtmäßigkeit einer erzwungenen Fingerabdruckentsperrung während einer Hausdurchsuchung. Der Beschuldigte (hier ging es um Kinderpornografie) hatte sich sogar zur Wehr gesetzt und erhielt dafür eine Strafe wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Den Fingerabdruck nahmen die Beamten vor Ort, nach "Fixierung auf dem Boden" durch "unmittelbaren Zwang." Das OLG rechtfertigte den Einsatz und bewertete(öffnet im neuen Fenster) die "Smartphone-Zwangsentsperrung per Fingerabdruck ... [als] Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit [als] gering und damit verhältnismäßig" (PDF) und die "die Erstreckung des § 81(öffnet im neuen Fenster) der Strafprozessordnung auf die vorliegende Fallkonstellation als verfassungskonform" , was bedeutet: Auch das Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme hat hier zurückzustehen.

All das bestätigte wenige Monate später 2025 auch der Bundesgerichtshof , wobei der BGH(öffnet im neuen Fenster) besonderes Gewicht immerhin auch auf die konkrete Anordnung der "Durchsuchung auch zur Sicherstellung elektronischer Speichermedien" durch einen Ermittlungsrichter legt.

Erdulden ja, kooperieren nein

Der aktuelle Stand ist also eindeutig geregelt, zumindest bis das Verfassungsgericht anders entscheidet oder der Gesetzgeber den betreffenden § 81b StPO ändert. Verdächtige müssen nicht kooperieren, also kein Passwort oder anderes Wissen herausgeben. Aber: Sie müssen "erdulden," also Fingerabdrücke abgeben oder (vermutlich auch) Gesichtscans oder Fotos zulassen, genau wie bei einer analogen Ermittlung auch. Experten erwarten übrigens zeitnah vergleichbare Entscheidungen für das Entsperren von Geräten via Gesichtserkennung.

"Verfassungsrechtlich problematisch"

Auch nach dem BGH-Urteil gab es Kritik von Verbänden und Experten. Die Bundesrechtsanwaltskammer BRAK bezeichnet den Beschluss(öffnet im neuen Fenster) als "verfassungsrechtlich problematisch," weil kein Gesetz eine Zwangsentsperrung vorsehe. Die Rechtsgrundlage sei "zusammengebaut" .

Auf der anderen Seite freuen sich die Ermittlungsbehörden – und die Merz-Koalition sieht keinen Handlungsbedarf. Tiefere Einblicke in die juristischen Details und Implikationen geben die Podcasts der Justizreporterinnen und -reporter der ARD(öffnet im neuen Fenster) und von Deutschlandfunk Nova(öffnet im neuen Fenster) .


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