Biologische Elektronik: Forscher machen Zebrafische zu Cyborgs
Ein Polymer statt metallischer Leiter: Schwedische Forscher finden einen verträglicheren Weg, um Nervenzellen zu kontaktieren.

In den Körper, bevorzugt ins Gehirn implantierte Elektronik ist längst keine Science Fiction mehr. Für Parkinson-Patienten ist die umgangssprachlich Hirnschrittmacher genannte tiefe Hirnstimulation ein bekannter Eingriff. Auch Elon Musks Unternehmen Neuralink arbeitet daran.
Bislang werden Elektroden aus Metall verwendet, schwedische Forscher haben eine verträglichere und vor allem eine flexible Alternative entwickelt.
Die klassischen Elektroden aus Metall sind zwar dünn, dennoch können sie die Beweglichkeit einschränken – abhängig davon, in welches Gewebe sie eingesetzt werden. Durch mechanische Belastung können Elektroden brechen, auch besteht immer die Gefahr einer Abstoßung. All diese Probleme lösen die Forscher mit einem speziell entwickelten, injizierbaren Gel. Das enthält neben Monomeren mehrere Enzyme.
Zusammen mit körpereigenen Stoffen, der im Wissenschaftsmagazin Science erwähnten Glukose (Anhang PDF), entsteht aus dem nichtleitenden Gel ein leitfähiges Polymer. Das wird vom Organismus nicht als Fremdkörper erkannt, es bildet sich kein Narbengewebe.
Polymere sind schon länger Hoffnungsträger
Die grundlegende Idee, aus einem injizierten Gel im Organismus ein leitfähiges Polymer zu erzeugen, ist nicht neu. Das Team um Magnus Berggren von Laboratory of Organic Electronics der Universität Linköping, das das neue Gel entwickelte, forscht seit Jahren daran. In Pflanzen erzielten die Forscher bereits 2015 einen ähnlichen Erfolg. Tierische Zellen sind allerdings komplizierter als Pflanzenzellen mit ihrer relativ steifen Membran.
Ohne Energiezufuhr von außen gelang die Polymerisation hier bislang nicht. Der Schlüssel zum Erfolg war ein Monomer namens ETE-COONa und die passende Enzymmischung. Die muss je nach Zielgewebe abgestimmt werden, damit sie in den dortigen Gegebenheiten funktioniert. Getestet haben die Forscher das Gel nicht nur an Zellproben, sondern auch an lebenden Blutegeln und Zebrafischen. Letzteren injizierten sie das Gel in Hirn, Herzmuskel und Schwanzflosse – die Fische lebten ohne Einschränkungen weiter.
Wie kommt das Gel an sein Ziel?
In ihren Experimenten mit Zebrafischen haben die Forscher das Gel mittels feiner Glasnadeln an die gewünschte Stelle gespritzt. Es wurden die Auswirkungen auf den Organismus erforscht und überprüft, ob die Polymerisation wie erwartet erfolgte.
Die Leitfähigkeit des entstandenen Polymers wurde bei den Blutegeln getestet. Die wurden vorher präpariert, mit dem Gel wurde ein Kontakt zwischen einer Elektrode und dem Nerv eines Muskels hergestellt. An der über die Elektrode ausgelösten Bewegung ließ sich zeigen, dass das Polymer wie erwartet funktionierte.
Mehr als ein einfacher Leiter ist bisher allerdings schwierig zu realisieren, da das Gel an der passenden Stelle im Organismus injiziert werden muss. Entsprechend darf der Doktorand Hanne Biesmans die Pressemeldung der Universität mit den Worten beschließen: "Wir haben noch immer eine Reihe von Problemen zu lösen".
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