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Bilderstreit: Wikipedia verliert Prozess gegen Mannheimer Museum

Ist die fotografische Reproduktion gemeinfreier Werke urheberrechtlich geschützt? Im Streit mit den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen hat die Wikipedia eine Niederlage erlitten. Dennoch sollen die Bilder nicht gelöscht werden.
Aktualisiert am , veröffentlicht am / Friedhelm Greis
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Die Community soll über die Löschung von 17 Bildern eines Mannheimer Museums entscheiden. (Bild: Screenshot Golem.de)
Die Community soll über die Löschung von 17 Bildern eines Mannheimer Museums entscheiden. Bild: Screenshot Golem.de

Fotografische Reproduktion gemeinfreier Kunstwerke können einem Gerichtsurteil zufolge ebenfalls urheberrechtlich geschützt sein. Das Landgericht Berlin habe einer Klage der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gegen die Internetenzyklopädie Wikipedia stattgegeben, teilte der Verein Wikimedia Deutschland am Dienstag mit(öffnet im neuen Fenster) . Damit ist es nicht mehr zulässig, dass Fotos von Gemälden, die der Hausfotograf des Museums gemacht hatte, auf den deutschen Seiten des Lexikons gezeigt werden. Der Verein kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen und notfalls die Frage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) klären zu lassen (Aktenzeichen 15 O 428/15).

Im konkreten Fall handelt es sich um Fotografien von 17 Gemälden aus dem Bestand des Museums(öffnet im neuen Fenster) . Die Gemälde selbst sind gemeinfrei, weil alle Urheber bereits vor mehr als 70 Jahren gestorben sind. Nach Ansicht der Stadt Mannheim verstößt die Veröffentlichung der Fotografien bei Wikimedia Commons trotzdem gegen das Urheberrecht, weil die Stadt einen Fotografen angestellt habe, "der Zeit und Aufwand in die Aufnahmen" investiert habe. Nach Ansicht der Wikipedia erreichen diese Reproduktionen keine urheberrechtlich schützenswerte Schöpfungshöhe. Die bloße technische Reproduktion stelle keinen Aufwand dar, der selbst das eingeschränkte deutsche Urheberrecht rechtfertige.

Community soll über Löschung entscheiden

Die Klage hatte sich sowohl gegen die Wikimedia Foundation in den USA als auch den deutschen Wikimedia-Verein gerichtet. Das Gericht wies dabei die Klage gegen Wikimedia Deutschland ab. Weder der Verein noch seine Mitglieder könnten rechtlich dazu gezwungen werden, Änderungen an Wikimedia Commons vorzunehmen.

Die Foundation selbst sei "der festen Überzeugung, dass wir das Recht haben, sie auf Commons zur Verfügung zu stellen" , heißt es in dem Blogbeitrag. Zum einen sei die Stiftung überzeugt, dass das Landgericht Berlin sich mit seinem Urteil und der Begründung geirrt habe. Zum anderen sei die Stiftung der Auffassung, "dass, selbst wenn die Bilder in Deutschland dem Urheberrecht unterliegen, sie in den USA dennoch weiterhin als gemeinfrei gelten" . Die Entscheidung, ob die Bilder in Commons bleiben sollen, müsse daher die Community treffen.

Fotos sind schützenswerte Lichtbilder

Nachtrag vom 21. Juni 2016, 15:50 Uhr

Dem Urteil zufolge, das Golem.de vorliegt, handelt es sich bei den Aufnahmen des Fotografen um schützenswerte Lichtbilder. Solche einfachen Fotos sind nach Paragraf 72 Urheberrechtsgesetz(öffnet im neuen Fenster) 50 Jahre nach deren erster Veröffentlichung urheberrechtlich geschützt. "Geschützt wird nicht eine schöpferische, sondern eine rein technische Leistung, ohne dass es auf die Fähigkeiten und Technik der Fotoaufnahme ankommt" , schreiben die Richter. Es gehe bei den Aufnahmen "um farbige, detailreiche Gemälde mit differenzierten Schattierungen, die für den Druck in einer Museumspublikation so detailgetreu wie möglich zu fotografieren waren. Gerade die damit verbundene aufwendige handwerklich-technische Leistung ist durch den Lichtbilderschutz zu schützen" .

Dabei komme es nicht darauf an, ob die Vorlagen zwei- oder dreidimensional seien. Bei Ölgemälden könne diese Frage "grundsätzlich nur im Einzelfall unter Betrachtung des Originals beantwortet werden" . Der Reproduktionsfotograf erbringe "das Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung" auch dann, wenn man ein Gemälde als zweidimensional qualifiziere. Zudem sei es unerheblich, ob die Gemälde gemeinfrei seien. Die Schutzfähigkeit eines Lichtbildes könne auch nicht davon abhängig gemacht werden, "ob im Einzelfall der Eigentümer des Bildes oder das Museum, in dessen Obhut es sich befindet, ein Fotoverbot ausgesprochen hat und ob bzw. inwieweit er es Dritten tatsächlich ermöglich hat, ermöglicht oder ermöglichen würde, eine Reproduktionsfotografie zu erlangen und zu nutzen" .

Informationsfreiheit spielt keine Rolle

Ein solches Vorgehen sei kein Anlass, den Lichtbildschutz einzuschränken. Auch mit Hinblick auf die Informationsfreiheit sei ein Fotoverbot in einem Museum nicht zu beanstanden. Diese Freiheit "schließe nicht das Recht ein, sich ungefragt und eigenmächtig an den Leistungen Dritter, hier an professionellen Reproduktionen, zu bedienen" . Da die Wikimedia Foundation die Fotos zugänglich gemacht habe, hafte sie in diesem Fall als Störerin.

Einer Einstufung der Fotos als Lichtbildwerke erteilte das Gericht hingegen eine Absage. Solche Aufnahmen sind sogar bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt. Dazu reiche die eigene geistige Schöpfung des Fotografen nicht aus. Dessen Gestaltungsspielraum sei auf die "technisch saubere Umsetzung beschränkt" gewesen. Der rein handwerklichen Leistung fehle die für Lichtbildwerke erforderliche Kreativität.


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