Big Data: Hessens Corona-Krisenstab will Palantir-Software nutzen

Die hessische Landesregierung will in der Coronakrise eine Analysesoftware des US-Unternehmens Palantir einsetzen. Der Landeskrisenstab wolle die Software nutzen, "um allgemein zugängliche Informationen wie die Verteilung von Infektionen mit dem Coronavirus, Bettenkapazitäten oder die Versorgung mit Schutzausstattung in einem umfassenden Lagebild darzustellen" , sagte ein Sprecher des hessischen Innenministeriums der Süddeutschen Zeitung(öffnet im neuen Fenster) . Auf diese Weise solle die aktuelle Situation schnell bewertet werden und "Hilfe und Material dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden" .
Dem Bericht zufolge soll die Analysesoftware Foundry eingesetzt werden. Dieses Programm wird in der Coronakrise auch von der britischen Regierung verwendet(öffnet im neuen Fenster) . Es soll die Integration, Bereinigung und Harmonisierung ungleichartiger Daten ermöglichen, um eine sogenannte Single Source of Truth (SSOT) zu entwickeln, die die Entscheidungsfindung unterstützt. Medienberichten zufolge soll in diesem System eine große Menge vertraulicher Patientendaten zusammenkommen.
Anfang April war bekanntgeworden , dass Palantir mit Behörden in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz verhandelt, um Software für die Bekämpfung der Coronapandemie zu liefern. Auch in den USA ist Palantir in den Aufbau einer Datenplattform zur Coronapandemie involviert(öffnet im neuen Fenster) . Firmen-Mitbegründer Peter Thiel gilt als einer der wenigen Unterstützer von US-Präsident Donald Trump aus dem Silicon Valley.
Kritik aus dem Bundestag
Hessen will mit Hilfe der Software beispielsweise die ärztliche Versorgung besser steuern: "Wenn beispielsweise die Infektionszahlen in einem Kreis mit erhöhter Altersstruktur und bereits hoher Auslastung der stationären Einrichtungen stark ansteigen, kann so frühzeitig die Entscheidung getroffen werden, vorgeplante Versorgungseinrichtungen zu aktivieren und die erforderliche Schutzausstattung bereitzustellen" , zitiert die Süddeutsche Zeitung den Sprecher des Innenministeriums. Die Software greife dabei nicht auf "individualisierte Person- oder Patientendaten" zu. Deren Einsatz sei mit dem hessischen Datenschutzbeauftragten abgestimmt.
Dennoch kritisieren mehrere Politiker die Kooperation des Krisenstabs mit Palantir. Nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Linke) ist es "fatal, wenn deutsche Behörden mit Konzernen kooperieren, die mit Geheimdiensten unter einer Decke stecken" . Dabei werde unter dem Deckmantel des Infektionsschutzes ein System installiert, "das Polizei und Gesundheitsämter schrittweise zu einem Bevölkerungsscanner ausbauen können" , sagte Hunko der Süddeutschen Zeitung. Der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz bezeichnete es als "bedauerlich" , dass der Krisenstab "nach einer intensiven öffentlichen Debatte und in dem Wissen, dass es zahlreiche Alternativen gibt, an der hochumstrittenen Firma Palantir als Zulieferer festhält" .
Das Bundesgesundheitsministerium hatte Anfang April 2020 mitgeteilt, "aktuell" keine Software von Palantir zu nutzen. Nach Angaben des Neuen Deutschland(öffnet im neuen Fenster) hat das Unternehmen schon Mitte März ein Konzeptpapier mit dem Titel "Palantir gegen COVID-19" vorgelegt.
Nachtrag vom 4. Mai 2020, 16:08 Uhr
Die hessische Landesregierung entschied sich Ende April gegen den Einsatz der Palantir-Software. Das sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung(öffnet im neuen Fenster) . Ein Sprecher des Innenministeriums bestätigte dem Hessischen Rundfunk(öffnet im neuen Fenster) , dass erste Gespräche mit Palantir geführt worden seien, als ein dramatisches Szenario in der Coronakrise gedroht habe. Angesichts der aktuellen Lage habe sich Sozialminister Kai Klose (Grüne) aber gegen einen Einsatz der Software entschieden.



