BGH-Urteil: VG Wort darf Einnahmen nicht mehr an Verlage ausschütten

Die Autoren dürfen sich freuen, die Verlage werten ein BGH-Urteil als "schweren Schlag". Der Buchhandel befürchtet nun Pleiten von kleinen Verlagen und fordert eine Gesetzesänderung.

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Der Bundesgerichtshof lässt die Verlage abblitzen.
Der Bundesgerichtshof lässt die Verlage abblitzen. (Bild: Bundesgerichtshof)

Die deutschen Verlage haben vor Gericht eine schwere Niederlage erlitten. Einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zufolge darf die Verwertungsgesellschaft (VG) keine Einnahmen aus Urheberrechten mehr an die Verlage ausschütten. "Eine Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszukehren", teilte das Gericht am Donnerstag mit. "Damit ist eine jahrzehntelange Praxis der VG Wort hinfällig geworden", sagte der Vorsitzende Richter des zuständigen ersten Senats, Wolfgang Büscher. Ob das auch wirtschaftlich sinnvoll sei, sei dahingestellt. Geklagt hatte ein wissenschaftlicher Autor (Az.: I ZR 198/13).

Nach aktuellen Zahlen nahm die VG Wort 2014 gut 144 Millionen Euro ein und schüttete rund 106 Millionen Euro aus dem Vorjahr an Autoren und Verlage aus. Demnächst müssten die Verlage daher mit Einbußen in zweistelliger Millionenhöhe im Jahr rechnen. Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage machen jährlich einen Umsatz von rund 30 Milliarden Euro in Deutschland.

Auszahlung an Verleger nicht gerechtfertigt

Die VG Wort macht seit 1958 zentral Vergütungsansprüche aus Urheberrechten geltend und bittet zum Beispiel Copyshops und Bibliotheken zur Kasse. Bisher floss etwa die Hälfte der Einnahmen an die Verlage. Allein der Umstand, dass die verlegerische Leistung es der VG Wort erst ermögliche, Einnahmen aus der Verwertung der Werke der Autoren zu erzielen, rechtfertige es nicht, einen Teil dieser Einnahmen den Verlegern auszuzahlen, entschied das Gericht. Den Verlagen selbst stünden nach dem Urheberrechtsgesetz keine eigenen Rechte oder Ansprüche zu, die von der VG Wort wahrgenommen werden könnten. Zwar existiert seit 2013 ein eigenes Leistungsschutzrecht für Presseverleger, das jedoch von der VG Media wahrgenommen wird und zudem nicht für Buchverlage gilt.

Dem Urteil zufolge haben die Urheber den Verlagen gesetzliche Vergütungsansprüche "jedenfalls nicht in einem Umfang wirksam abgetreten, der es rechtfertigen könnte, die Hälfte der Einnahmen an die Verlage auszuschütten".

Börsenverein fordert Gesetzesänderung

Die Karlsruher Richter bestätigten damit ein Urteil des Oberlandesgerichts München. Der BGH hatte dabei zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einem ähnlichen Fall aus Belgien abgewartet. In der erneuten Verhandlung im März war zunächst offen geblieben, ob der BGH nun auf dieser Grundlage abschließend entscheiden oder womöglich auch den deutschen Fall dem EuGH vorlegen würde.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wertete das Urteil als "schweren Schlag für die einzigartige deutsche Verlagskultur". Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis sagte: "Das Urteil ist kulturpolitisch höchst problematisch. Es beendet das seit Jahrzehnten bestehende fruchtbare Miteinander von Urhebern und Verlagen in den urheberrechtlichen Verwertungsgesellschaften." Er forderte eine gesetzliche Korrektur der Entscheidungen von BGH und EuGH, "sonst droht die Insolvenz etlicher kleiner und mittlerer Verlage".

Viele Verlage gehen angeblich pleite

Laut Skipsis muss sowohl im europäischen Recht als auch im deutschen Urheberrecht "unverzüglich klargestellt werden, dass auch Verlage Rechteinhaber sind, denen ein Ausgleich für gesetzlich zulässige Nutzungen ihrer Werke zusteht". Der Börsenverein verlasse sich dabei auf die Zusagen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. Nach Darstellung des Börsenvereins drohen den Verlagen nun Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe an die VG Wort, VG Bild-Kunst, Gema und VG Musikedition. Damit werde eine große Zahl von Verlagen mittelfristig wegen der notwendigen Rückstellungen und der ausbleibenden Einnahmen von Verwertungsgesellschaften wirtschaftlich nicht länger überlebensfähig sein.

Der VG Wort zufolge können die Verlage trotz des Urteils durchaus an den Einnahmen beteiligt sein. Allerdings nur dann, wenn die Autoren keinen vollständigen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abgeschlossen hätten. Das sei bei zwei Drittel der Autoren der Fall. Die Gesellschaft teilte am Donnerstag mit, zunächst die schriftlichen Entscheidungsgründe abzuwarten. Bereits jetzt zeige sich aber, "dass eine angemessene Beteiligung von Urhebern und Verlagen an den Ausschüttungen der VG Wort nur möglich sein wird, wenn der Gesetzgeber schnellstmöglich tätig wird".

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