Das ganze Geschäftsmodell könnte geprüft werden
Dem BGH zufolge erscheint es nicht ohne weiteres schutzwürdig, dass Nutzer "Internetangebote unentgeltlich nutzen möchten, ohne bereit zu sein, die Anzeige der zu deren Refinanzierung von den Betreibern mit diesen Seiten verbundenen Werbung zu dulden". Allerdings seien Nutzer "rechtlich grundsätzlich nicht gehindert", vor allem besonders aufdringliche Werbung zu unterdrücken.
Sollte das OLG München zu dem Schluss kommen, dass im Falle von Eyeo eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, gibt ihm der BGH eine Reihe von Punkten auf, die überprüft werden sollen. Demnach soll das Gericht "sein Augenmerk darauf zu richten haben", ob die von Eyeo aufgestellten Kriterien für nicht aufdringliche Anzeigen "unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Nutzer plausibel sind und ob die formulierten Kriterien auch tatsächlich und einheitlich angewandt und kontrolliert werden".
Sind 30 Prozent Umsatzbeteiligung angemessen?
In diesem Zusammenhang werde gegebenenfalls auch zu erwägen sein, ob der generelle Ausschluss "nicht-statischer" Werbung von einem Whitelisting "die Möglichkeiten der Betreiber werbefinanzierter Internetseiten unangemessen einschränkt, sich auf diese Weise potentiell Zugang zu denjenigen Nutzern zu verschaffen", die Adblock Plus installiert hätten. Geprüft werden könnte zudem, ob die Unterscheidung zwischen Webseitenanbietern, die für Whitelisting zahlen müssen und solchen, die kostenlos aufgenommen werden, "diskriminierungsfrei praktiziert wird".
Die pauschale Höhe der Umsatzbeteiligung von 30 Prozent könnte ebenfalls vom OLG überprüft werden. So stellt der BGH infrage, "ob eine Berechnung des für die Freischaltung zu zahlenden Entgelts in Form eines Erlösanteils überhaupt als sachlich angemessen angesehen werden kann". Zwar sei die wirtschaftliche Bedeutung der erkauften Freischaltung für den Seitenbetreiber umso höher, je mehr Werbeerlöse er infolgedessen erzielen könne. "Andererseits dürften der Aufwand der Beklagten für die Freischaltung immer gleich und ihre dafür jeweils aufzuwendenden Kosten äußerst gering sein", schreibt der BGH.
Weitere Klage von Springer
Die Entwicklung und fortlaufende Pflege von Adblock Plus sowie ein angemessener und risikoadäquater Unternehmensgewinn von Eyeo könnten nach Ansicht des BGH "grundsätzlich auch durch ein Pauschalentgelt gedeckt werden, das gegebenenfalls nach der wirtschaftlichen Bedeutung der in Rede stehenden Internetseite oder des Seitenbetreibers gestaffelt sein könnte".
Sollte das OLG München tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass Eyeo beim bezahlten Whitelisting seine Marktmacht missbraucht, müsste das Unternehmen auf dem deutschen Markt wohl mit geringeren Einnahmen rechnen. Eine Anfrage an Eyeo zu den Details blieb bislang unbeantwortet. Vermutlich würde Eyeo versuchen, ein solches Urteil wieder vor dem BGH anzufechten.
Gefährlicher für Eyeo und andere Adblocker-Hersteller könnte hingegen ein Verfahren werden, das der Axel-Springer-Verlag vor dem Landgericht Hamburg angestrengt hat. Damit will der Verlag Nutzern die Möglichkeit nehmen, über ihren Browser den Abruf von Webseiten-Elementen zu beeinflussen. Das Verfahren solle dazu dienen, "die grundlegenden technischen Funktionen von Werbeblockern und ihre urheberrechtliche Eingriffswirkung zu klären". Zu einer mündlichen Verhandlung in dem Verfahren könnte es Anfang 2020 kommen.
Nachtrag vom 21. November 2019, 11:24 Uhr
Auf Anfrage von Golem.de sagte Eyeo-Chef Till Faida zu dem Urteil: "Wir sehen dem vom Bundesgerichtshof geforderten Verfahren vor dem OLG München gelassen entgegen, da Eyeo unserer Einschätzung nach keine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung haben die deutschen und österreichischen Kartellämter bestätigt, dass wir einen signifikanten Mehrwert sowohl für unsere Nutzer als auch die Publisher leisten und unser Geschäftsmodell keine Diskriminierung darstellt."
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BGH-Urteil: Gericht soll Marktmissbrauch von Adblock Plus überprüfen |
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Von Werbetreibenden, für die "acceptable adds" earrape, auto-pay, pop-ups, pop-unders...
Habe ja nicht das Gegenteil behauptet, nur das Springer eben nicht mit der Zeit geht..
Es scheint, als hätten die zwielichten Datendealer neue Trackingmethoden entdeckt...
Naja, uBlock Origin ist ja auch kein Werbeblocker :D Zumindest nach eigener...