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Bettercallpaul: "Man braucht nicht unbedingt einen Tischkicker"

Top-IT-Arbeitgeber 2024
Das Gehalt ist wichtig, aber kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Zu guter Arbeitskultur für IT-Fachkräfte gehört mehr, sagt Heike Tyrtania von Bettercallpaul.
/ Daniel Ziegener
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Wie sorgt man dafür, dass die Leute gern ins Büro kommen? (Bild: KI-generiert mit Bing Image Creator/Golem.de)
Wie sorgt man dafür, dass die Leute gern ins Büro kommen? Bild: KI-generiert mit Bing Image Creator/Golem.de

Im Ranking der besten IT-Arbeitgeber, das Golem.de im Oktober veröffentlicht hat , tauchen so einige große Unternehmen auf. Umso mehr fallen die kleinen und mittelständischen IT-Unternehmen auf, die sich mit guten Bewertungen der befragten Angestellten an der Spitze durchsetzen konnten. So wie Bettercallpaul.

Mit gerade einmal 124 Angestellten ist der Softwareentwickler eines der kleinsten Unternehmen, die sich in unserer Bestenliste platzieren konnten. Schon auf seiner Webseite(öffnet im neuen Fenster) gibt das Unternehmen ein paar Zahlen bekannt - etwa, dass 39 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit arbeiten.

Entsprechend offen war Personalchefin Heike Tyrtania im Gespräch über die Unternehmenskultur bei Bettercallpaul. Im Interview erklärt sie unter anderem, wie das Unternehmen versucht, seine Beschäftigten freiwillig wieder zur Arbeit in eines ihrer Büros zu holen - und warum ein Pausenraum mit Tischkicker dafür noch lange nicht ausreicht.

Golem.de: Der Slogan von Bettercallpaul ist "Wenn aus Technik Freundschaft wird" - was soll das bedeuten?

Heike Tyrtania: Der Slogan hat zwei Facetten. Er bezieht sich sowohl auf Kunden als auch auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Uns ist eine langfristige, gute Kundenbeziehung wichtiger als ein kurzfristiger Profit. Das Gleiche gilt auch für unsere Belegschaft. Man muss nicht mit Kollegen oder Kolleginnen befreundet sein, aber uns sind gute, langfristige Beziehungen und ein freundschaftlicher, fairer Umgang wichtig.

Hierzu gehört ein wirkliches Interesse an der anderen Person nicht nur im Team, sondern auch von Seiten der Geschäftsführung. Zusätzlich zur selbstverständlichen Open Door Policy trifft man den Geschäftsführer auch an der Kaffeemaschine und hat da jederzeit Zugang zu ihm oder ihr. Das führt dazu, dass bei uns im Unternehmen niemand Angst hat, mal eine Entscheidung zu hinterfragen.

Golem.de: Ihre Bezeichnung ist Head of People and Culture. Warum ist die Kultur für Unternehmen so wichtig, dass sie sogar mehr und mehr die Bezeichnung Human Resources ersetzt?

Tyrtania: Wir bieten unseren Kunden individuelle Softwarelösungen. Es gibt bei uns keine Standardlösungen. Für die Qualität des Endprodukts sind wir voll auf die Fähigkeiten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Deshalb ist es für uns essenziell, eine Kultur zu haben, in der sie sich gern einbringen, sich entfalten können und die entsprechenden Freiräume und Möglichkeiten haben, um die Qualität zu erbringen, die unsere Kunden erwarten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir unsere Beschäftigten im Unternehmen halten wollen. Ich kann sie natürlich über das Gehalt binden. Und ein vernünftiges Gehalt ist wichtig, aber das bieten auch viele andere.

Die Kultur ist das, was Unternehmen voneinander unterscheidet. Eine dauerhaft gute Kultur ist deutlich schwieriger herzustellen, als mal eine Gehaltserhöhung zu geben oder jemanden für ein erhöhtes Gehalt in ein Unternehmen zu holen. Das wissen wir alle. Das macht nur kurzfristig glücklich.

Welche Arbeitsplatzkultur Beschäftigte gern ins Büro kommen lässt

Golem.de: Bettercallpaul ist mit rund 120 Angestellten ein relativ kleines Unternehmen, das in unserem Arbeitgeber-Ranking zwischen deutlich größeren Firmen auftaucht. Wie schwierig ist es, sich als Mittelständler am Arbeitsmarkt durchzusetzen?

Tyrtania: Der Markt ist umkämpft. Wenn unser Name durch Auszeichnungen wie beispielsweise jetzt durch Golem.de mit einem Qualitätssiegel versehen wird, hilft uns diese Sichtbarkeit auch bei der Suche nach neuen Leuten. Aber es ist uns wichtig, dass Auszeichnungen nicht nur ein Strohfeuer sind.

Wir wollen uns nicht selbstzufrieden zurücklehnen, sondern arbeiten immer weiter an uns und unserer Kultur. Gerade beim Thema Kultur ist es wie im Leistungssport: Es ist schön, auf dem Treppchen zu stehen, aber wenn man dauerhaft dort landen will, dann muss man eben auch trainieren, an seinen Schwächen arbeiten, die Stärken stärken und kontinuierlich dranbleiben.

Golem.de: Wie arbeitet Bettercallpaul an dieser Kultur im Unternehmen?

Tyrtania: Wir hören unseren Kolleginnen und Kollegen zu und sind offen für Anregungen und setzen diese auch um, wenn sie überzeugend sind. Veränderungen, die wir zum Beispiel angestoßen haben, sind die Umstellung unseres Monatsmeetings von einem vortragsorientieren in ein Online-Dialog-Format. Dort gab es den Wunsch eines Mitarbeiters, sich näher mit einer bestimmten Technologie zu beschäftigten. Ein Mitglied der Geschäftsleitung hat daraufhin direkt einen Termin mit interessierten Kollegen vereinbart, um das Thema zu vertiefen.

Golem.de: Kein Selbstläufer ist die Rückkehr von IT-Beschäftigten ins Büro nach dem Ende der Coronamaßnahmen. Wie beeinflusst die Remotearbeit die Kultur, wenn man sich nicht mehr jeden Tag die Kaffeeküche teilt?

Tyrtania: Wir sind keine hundertprozentige Remote-Company, aber es gibt wenig verpflichtende Anwesenheitszeiten. Wir haben die drei Standorte, aber der größte Teil der Arbeitsaufgaben läuft remote. Wir machen keine Vorgaben, wie häufig jemand ins Office kommen muss, das ist grundsätzlich frei gestaltbar.

Wir sind allerdings überzeugt, dass stabile persönliche Bindungen besser im Vor-Ort-Kontakt entstehen, und freuen uns, mit unseren Kollegen und Kolleginnen auch immer wieder persönlich zusammenzukommen.

Damit die Menschen ins Büro kommen, muss die Bürofläche für sie angenehm gestaltet sein. Es muss auch Möglichkeiten geben, sich zu treffen und sich mit den Kollegen auszutauschen, zu quatschen, was anderes zu machen, als nur zu arbeiten. Das ist der Mehrwert, den wir schaffen wollen, wenn wir von Kultur sprechen.

Das heißt also, es braucht Fläche, wo dieser Austausch möglich ist, ohne die, die gerade arbeiten, zu stören. Und da geht es mir gar nicht darum zu sagen, man braucht jetzt unbedingt einen Tischkicker.

Golem.de: Gibt es im Büro einen Tischkicker?

Tyrtania: Ja, wir haben einen Tischkicker, wir haben Darts, wir haben auch eine Playstation und eine Switch. Aber das sind alles Add-ons. Wichtiger ist ein Raum, wo man gemeinsam einen Kaffee trinken kann, wo man zusammen Mittag isst und quatscht.

Wichtig ist dabei: Es darf dann auch keine kritischen Blicke geben, wenn jemand mal eine Stunde steht und quatscht. Denn es kann einem die Freude am Austausch vermiesen, wenn jemand im Vorbeilaufen missbilligend schaut, und dann unterbleibt der Austausch beim nächsten Mal vielleicht.

Bei uns trifft man auch die Geschäftsführung im Kaffeebereich und unterhält sich nicht nur über fachlich inhaltliche Themen, sondern auch darüber hinaus. Dafür muss Raum sein und das muss von der Führungsmannschaft vorgelebt werden. Denn wenn die Führungsmannschaft kein Interesse an dem Austausch hat, dann klappt es einfach nicht.

Golem.de: Und - kommen Ihre Mitarbeiter denn ins Büro zurück?

Tyrtania: Wir haben insbesondere in den letzten Monaten bemerkt, dass unsere Büroflächen wieder stärker gefüllt sind und dass alle Freude daran haben, sich zu treffen. Ich persönlich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind überzeugt, dass für eine wirklich gute Bindung persönliche Kontakte erforderlich sind - aber sicherlich nicht täglich, sondern in bestimmten Abständen.

Wir haben unsere neuen Büros in Berlin und Stuttgart bewusst so gestaltet, dass es Kommunikations- und Austauschbereiche gibt. Und bauen aktuell unsere Flächen in München um. Wir haben ordentlich investiert, damit es Spaß macht, dorthin zu kommen.

Mehr Transparenz nach Innen und Außen

Golem.de: Auf Ihrer Website steht, dass 39 Prozent eurer Belegschaft in Teilzeit arbeiten.

Tyrtania: Wir decken in Teilzeit eine Bandbreite von 15 bis 38 Stunden ab. Wir sind also wirklich flexibel. Ich glaube, dass es wichtig ist, flexible Arbeitszeitmöglichkeiten anzubieten. Da gehört Teilzeit ganz natürlich dazu . Gerade im IT-Kontext, wo wir viel in Projekten arbeiten, ist das gut möglich.

Wichtig ist, dass man sich in Notsituationen darauf verlassen kann, dass alle es organisiert bekommen, mal länger oder zu einer ungewöhnlichen Zeit zu arbeiten. Es gibt ein gegenseitiges Vertrauen, dass die gebotene Flexibilität an der einen oder anderen Stelle zurückkommt - und wir haben damit bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht.

Ich glaube, das hängt davon ab, mit welchem Mindset die Menschen ins Unternehmen kommen. Ich glaube, dass den meisten flexible Arbeitszeiten fast wichtiger sind als eine festgelegte Vier-Tage-Woche.

Golem.de: Projektarbeit für Kunden heißt auch: Deadlines. Wie gehen Sie bei Bettercallpaul mit psychischen Belastungen wie Stress und Termindruck um?

Tyrtania: Stress kann in Projektsituationen immer entstehen. Wir haben für jedes Projekt einen Verantwortlichen, der darauf achten soll, dass die Arbeitszeitbelastung nicht zu hoch wird, der oder die in den entsprechenden Retros und Reviews drin ist, um frühzeitig zu erkennen, wenn die Belastung für Einzelne zu groß wird.

Dann gibt es Möglichkeiten, jemanden rauszunehmen oder zusätzlich Kapazität ins Projekt zu geben. Das ist nicht immer ad hoc möglich, weil wir mit unseren Projekten immer mal wieder auch an einer Auslastungsgrenze sind. Darüber hinaus kooperieren wir mit einer psychologischen Beratungsstelle, bei der man sich anonym melden kann, um professionelle Unterstützung zu bekommen.

Golem.de: Eine weitere Zahl auf Ihrer Webseite ist der Frauenanteil von 28 Prozent im Unternehmen.

Tyrtania: Wir arbeiten intern an zunehmender Transparenz und wollen auch nach außen noch transparenter werden. Mit 28 Prozent Frauenanteil liegen wir über dem Anteil der Absolventinnen und auch über dem Branchendurchschnitt , wollen aber weiterhin - wie in allen Bereichen - gerne noch besser werden. Wir schauen etwa auf den Bewerbungsprozess, auf unsere Entscheidungen, um darauf zu achten, dass es da so wenig Unconscious Bias wie möglich gibt.

2022 haben wir beispielsweise einen Workshop mit externer Begleitung durchgeführt und überlegt, welche Themen wir angehen wollen. Diese umfassen deutlich mehr, aber der Frauenanteil lässt sich einfach und gut kommunizieren, deshalb haben wir in der Kommunikation hiermit begonnen.

Golem.de: An welchen Stellen arbeitet Bettercallpaul sonst noch daran, mehr Transparenz zu schaffen?

Tyrtania: Transparenz ist für einen guten Arbeitgeber wichtig, um seinen Beschäftigten Orientierung zu geben. So haben wir im Frühjahr unsere Gehaltsbänder intern veröffentlich. Durch den hohen Remote-Anteil gibt es hier zusätzliche Anforderungen. Hier haben wir in den letzten Monaten unsere interne Informationsplattform umgebaut und um weitere Inhalte ergänzt.

Ab November werden wir unsere wichtigsten Unternehmenskennzahlen monatlich zur Verfügung stellen. Denn grundsätzlich könnte alles, was nicht geheim ist, auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommuniziert werden. Wichtig ist uns aber auch, dass die Informationen von den ihnen eingeordnet werden können, Zusammenhänge verständlich sind . Denn ein Zuviel an unsortierter Information kann auch zu Verwirrung statt Orientierung führen.


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