Betriebsratswahlen: Darum gründen Startups keine Betriebsräte
Trotz prekärer Beschäftigung und Gender-Pay-Gap selbst in Führungspositionen gibt es nur in wenigen IT-Unternehmen einen Betriebsrat.

Vom 1. März bis 31. Mai 2022 finden in Deutschland Betriebsratswahlen statt. In der Tech-Branche werden sich viele Unternehmen wohl nicht beteiligen, denn besonders viele Startups verfügen nach wie vor über kein Mitarbeitergremium. "Viele im Betrieb denken: So was brauchen wir nicht, das passt nicht in unsere Kultur, das macht uns langsam", sagt Verdi-Sekretär Oliver Hauser der dpa. Gerade qualifizierte Fachkräfte gingen häufig davon aus, ohnehin nicht lange bei einem Unternehmen zu bleiben oder bei Problemen schnell eine neue Stelle zu finden. Sie sähen - anders als leicht austauschbare Arbeitskräfte - oftmals keine Dringlichkeit für einen Betriebsrat. "Meistens melden die Leute sich erst, wenn es schon ernste Probleme gibt und es eigentlich zu spät ist", sagt Hauser.
Auch Jörg Weingarten vom DGB ist der Meinung, dass der freundschaftliche Umgang mit flachen Hierarchien eines Startups nicht langfristig funktioniert. "Wenn das Unternehmen dann wächst, greifen die alten Strukturen aus der Gründungsphase plötzlich nicht mehr", sagt er. "Wenn etwa der Verkauf an einen Investor ansteht, dann geht das anfängliche Gefühl von flachen Hierarchien und vermeintlicher Mitbestimmung schnell verloren." Gerade im akademischen Umfeld seien sich viele Beschäftigte sicher, sie brauchten keine Gewerkschaft, um ihre Interessen durchzusetzen, sagt Weingarten. "Man lernt an der Uni, dass man sich um sich selbst kümmern und durch hohen Bildungsstand mit Leuten auf Augenhöhe sprechen kann."
Entscheiden sich Startups doch zur Gründung eines Betriebsrats, stoßen sie häufig auf Widerstand von oben. Die Gründer der Onlinebank N26 versuchten im Jahr 2020 die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern - erfolglos.
Gender-Pay-Gap bei IT-Fachkräften
Der Equal Pay Day am 7. März rückt auch die weiterhin vorhandene Ungleichheit bei der Bezahlung von Frauen in den Fokus. Laut Statistischem Bundesamt verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Unter IT-Führungskräften liegt der Unterschied laut einer Analyse aus dem Jahr 2021 bei rund 4,2 Prozent.
Das Gehalt wird bei den diesjährigen Neuwahlen der Betriebsräte auch sonst eine Rolle spielen. Einer Umfrage der IG Metall zufolge ist mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer beim Softwareunternehmen SAP mit ihrer Bezahlung nur bedingt zufrieden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse kam zeitlich passend zur anstehenden Wahl des Betriebsrats, in dem die Gewerkschaft bisher kaum vertreten ist.
Prekär Beschäftigte halten Startups am Laufen
Der Erfolg vieler Startups ruht nicht nur auf gut ausgebildeten IT-Experten, sondern auch auf prekärer beschäftigten Arbeitnehmern. Zu der sogenannten Plattformwirtschaft zählen Taxiunternehmen wie Freenow, Lieferdienste wie Gorillas und Lieferando oder die Haushaltshilfevermittlung Helpling. Wenn der Bestelldienst verspricht, binnen zehn Minuten Lebensmittel zu bringen, wird dafür nicht nur eine funktionierende App benötigt, sondern auch zahlreiche Lieferanten. Diese sind oft schlecht bezahlt und befristet angestellt.
Für solche Arbeitnehmer ist es tendenziell schwieriger, einen Betriebsrat zu gründen, weil das Unternehmen sie leichter ersetzen und mit Kündigung drohen kann. Die Vernetzung der Beschäftigten untereinander sei in diesen Branchen kompliziert, sagt Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. "Die Arbeitnehmer begegnen und kennen sich kaum, da ist es schwieriger, sich zusammenzuschließen und einen Betriebsrat zu gründen." Trotz dieser Widrigkeiten haben die Beschäftigten von Gorillas im November 2021 einen Betriebsrat gegründet.
Die Initiative Fairwork hat kürzlich die Arbeitsbedingungen bei einigen der bekanntesten Unternehmen geprüft. Das Berliner Fahrradkurier-Startup landete dabei auf dem letzten Platz. "Wir bedauern das Ergebnis des Fairwork-Ratings, welches nicht unseren Erwartungen entspricht", teilte Gorillas mit und verwies darauf, dass man bereits im Januar eine Anpassung auf den kommenden Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde vorgenommen habe. "Wir werden künftig noch besser kommunizieren, wie viel und was wir für unsere MitarbeiterInnen tun und hoffen, dass dies in dieser oder der nächsten Studie Berücksichtigung findet."
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Kommt halt ganz stark auf die individuelle Situation an. Ich bin kein Gewerkschaftshasser...
Aber wer soll das denn machen? Welcher IT-Profi hat denn Lust darauf, 50% seiner Zeit...
In jeder Firma in der ich war, war bisher kein Personalleiter weiblich. Da geht auch so...
Die Tarifverträge der IG Metall sind bis zu einem Gewissen Gehalt generisch formuliert...