Bafin: Stärkung der Finanzaufsicht nach Wirecard-Skandal geplant

Der Skandal um fehlende Milliarden beim Finanzdienstleister Wirecard bringt die Finanzaufsicht in Erklärungsnot - und damit auch die Bundesregierung.

Artikel veröffentlicht am , / dpa
Der Wirecard-Skandal könnte weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der Bafin haben.
Der Wirecard-Skandal könnte weitreichende Auswirkungen auf die Arbeit der Bafin haben. (Bild: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will die deutsche Finanzaufsicht stärken. Angesichts des Wirecard-Skandals sei es nun Aufgabe des Gesetzgebers, "die Schutzmechanismen zu überprüfen und zu verbessern", sagte der SPD-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) müsse mehr Durchgriffsrechte bei der Kontrolle von Bilanzen bekommen, "unabhängig davon, ob der Konzern eine Banksparte hat oder nicht". Die Bafin brauche "die Möglichkeit, jederzeit Sonderprüfungen in großem Umfang durchführen zu können", sagte Scholz.

Große Zahlungsdienstleister sollten generell der Finanzaufsicht unterliegen. Die Anstalt könnte zudem personell verstärkt werden. "Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Bafin mehr Geld, mehr Stellen und mehr Kompetenzen benötigt, werde ich mich dafür einsetzen, dass das passiert", sagte Scholz.

Zuvor hatten alle Bundestagsfraktionen eine Reform der Behörde, die der Aufsicht des Bundesfinanzministeriums untersteht, gefordert. Auch das Justizministerium hatte bereits angekündigt, zusammen mit dem Finanzministerium das Ausmaß des Reformbedarfs analysieren zu wollen.

Bafin muss effektiver werden

Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, sagte am 5. Juli 2020 zu Scholz' Vorschlägen, diese seien "ein Schritt in die richtige Richtung, gehen aber nicht weit genug". Scholz müsse vor allem dafür sorgen, "dass die Bafin sich wirklich effektiv um die großen Risiken kümmern kann und sich nicht im Klein-Klein verzettelt", forderte Toncar. "Deshalb muss das lange versprochene Gesetz zu regulatorischen Erleichterungen für kleinere und mittlere Banken jetzt endlich kommen."

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, begrüßte den Vorschlag einer umfassenden Prüf-Zuständigkeit der Bafin. "Dies muss im Zeitalter von Fin-Tech und digitalen Geschäftsmodellen unabhängig davon erfolgen, ob ein Unternehmen einen hohen technologischen Anteil hat, solange es finanznahe Dienste erbringt", sagte De Masi dem Handelsblatt. "Zudem muss stärker in die digitale Forensik bei Bilanzprüfungen investiert werden, damit Prüfer nicht mit dem Bleistift bewaffnet vor Weltkonzernen stehen."

Wirecard wickelt bargeldlose Zahlungen für Händler ab - an Ladenkassen wie online. Der seit knapp zwei Jahren im Dax gelistete Zahlungsdienstleister hatte kürzlich eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, sehr wahrscheinlich nicht existieren. Inzwischen hat die Firma mit Sitz in Aschheim bei München Insolvenz angemeldet. Die mutmaßlichen Bilanzmanipulationen blieben über Jahre unentdeckt.

Bafin-Präsident sieht aktuell noch begrenzte Handlungsmöglichkeiten

Bafin-Präsident Felix Hufeld hatte in der vorigen Woche angesichts der Kritik an seiner Behörde auf begrenzte Handlungsmöglichkeiten der Finanzaufsicht hingewiesen. "Das Problem ist: Wen beaufsichtigen wir?" Technologiedienstleister und Technologieunternehmen, die keine Finanzinstitute seien und nicht von Finanzaufsichtsbehörden beaufsichtigt würden, verschmölzen immer mehr mit Bankdienstleistungen und Bankinstituten.

"Das ist natürlich jenseits des speziellen Falles Wirecard eine viel größere Herausforderung, die wir überall sehen", sagte Hufeld und sprach von Fragen, "die ich in den letzten zwei Jahren oft gestellt habe und die wir auf einer regulatorischen, also politischen Ebene adressieren müssen". Formal war die Bafin nur für einen Teil des Wirecard-Konzerns zuständig: die Wirecard Bank.

Eine Schlüsselfigur im Bilanzskandal ist neben Ex-Vorstandschef Markus Braun der früher im Wirecard-Vorstand für das Tagesgeschäft zuständige Manager Jan Marsalek. Seine Spur verlor sich, wie bislang angenommen wurde, Ende Juni 2020 auf den Philippinen. Öffentlich gemacht hat die Staatsanwaltschaft, dass gegen Braun, Marsalek und andere wegen Verdachts unrichtiger Angaben und Marktmanipulation ermittelt wird.

Verbleib von Jan Marsalek ist unbekannt

Unterdessen wurde bekannt, dass Marsalek womöglich doch nicht über die Philippinen nach China gereist ist. Die Daten, die die Einreise und Ausreise des früheren Vorstands Ende Juni 2020 dokumentieren sollen, seien gefälscht, sagte der philippinische Justizminister Menardo Guevarra am 4. Juli 2020. Dies habe eine Untersuchung der Aufnahmen von Überwachungskameras, Passagierlisten und anderem Material ergeben.

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Kleba 06. Jul 2020

Das Hauptproblem war wohl, dass die Bafin gar nicht für Wirecard an sich, sondern nur...

AllDayPiano 06. Jul 2020

Und es braucht einen britischen Reporter, der über Jahre seine Zähne in Wirecard verbei...

Gonzo333 06. Jul 2020

noch mehr effizientere Unfähigkeit? ;)

486dx4-160 05. Jul 2020

Hey, Tech-Konzerne sind doch voll die Zukunft, mit Cyber und Blockchain, KI, großen...



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