Axing: Warum Docsis 4.0 in Deutschland nicht eingesetzt wird

Der neue Kabelnetzstandard Docsis 4.0 wird in Deutschland und in Mitteleuropa wohl kaum eingesetzt werden. Das hat Benedikt Breuer, Chief Technology Officer bei Axing, am 11. September 2024 auf dem Branchenkongress des FRK in Leipzig(öffnet im neuen Fenster) im Gespräch mit Golem.de gesagt: "Bei uns ist ja ein Großteil der Topologie vergraben und deswegen kommt es für die großen Netzbetreiber nicht infrage."
Docsis 4.0 verlangt Investitionen in neue Verstärker im Netz und weitere neue Ausrüstung. Laut Docsis-Entwickler Cablelabs wird Docsis 4.0 bis zu 10 GBit/s im Downstream und 6 GBit/s im Upstream sowie Frequenzerweiterungen bis 1,8 GHz im Down- und 684 MHz im Upstream ermöglichen. Dafür sind aber technische Änderungen in der Netzebene 3 nötig. In den USA sind die größten Kabelnetzbetreiber Charter Communications und Comcast engagiert und kündigten einen schnellen Einsatz von Docsis 4.0 an. Das Ziel von Comcast ist, mit Docsis 4.0 eine symmetrische Datenrate von 10 GBit/s für 50 Millionen Haushalte bereitzustellen. Doch in den USA sind die Netze oft oberirdisch.
Die aktuellen Docsis-3.1-Signale belegen den Frequenzbereich bis 1.218 MHz im Downstream und bis 204 MHz im Upstream. Die Investition in Docsis 4.0 ergibt laut Tele-Columbus-Technikchef Michael Fränkle nur Sinn, wenn die Infrastruktur für mindestens zehn Jahre genutzt werde. Darum setzt man beim zweitgrößten Kabelnetzbetreiber auf Docsis 4.0 und den Überbau mit Glasfaser. Wir sprachen am 20. März 2024 mit Fränkle.
Docsis im Duplex Mode ist ziemlich abgespaced
Breuer erklärte dagegen: "Docsis 4.0 hat ja die Hauptinnovation und den Hauptnutzen für höhere Bandbreiten, dass es bis 1.8 GHz geht und dass man den Upstream dynamisch sogar bis 684 MHz 'hochmachen' kann. Entweder mit einem klassischen Diplexer, da hat man einen riesigen Upstream- und einen riesigen Downstream Frequenzbereich. Eine zweite Ausprägung vom Docsis 4.0 Standard ist das sogenannte Full Duplex Docsis, da befinden sich Upstream und Downstream zur gleichen Zeit im gleichem Frequenzbereich. Das klingt erst einmal ziemlich abgespaced, was es auch ist."
Die Konsequenz daraus sei laut Breuer, dass Docsis 4.0, wenn man es im Full Duplex betreibt, nur begrenzt verstärkbar ist. "Ich kann Docsis 4.0 nicht über eine Kaskade von fünf Verstärkern schicken. Vor allem nicht, wenn ich die 1.8 GHz nutzen will." Er kenne keinen Ansatz, dass das in Deutschland irgendjemand andenken würde, sagte er Golem.de.
Der Einsatz "von Docsis 4.0 sei wegen der Beschaffenheit des Koaxialnetzes bei Vodafone schwierig" , hatte Tanja Richter, Geschäftsführerin Technik, am 14. Mai 2024 am Rande der Branchenmesse Anga Com im Gespräch mit Golem.de preisgegeben.
Breuer sagte, dass man mit dem Remote PHY- und Remote MACPHY-Ansätzen, wo man sich nur mit der Netzebene 4 beschäftigen müsse, den Einsatz von Docsis 4.0 "vielleicht einmal erreichen könnte" . Diese Netzebene könne man leichter mit dem Einbau von Verteilern, Abzweigern und Verstärkern umbauen, damit Docsis 4.0 funktioniert. "Für große Netze ist Docsis 4.0 in Mitteleuropa nicht geeignet" , urteilte Breuer jedoch.
So kommt man beim Kunden auf FTTH-ähnliche Datenraten
Remote PHY verschiebt die Erzeugung des Docsis-Signals (PHY) in den Zugangsknoten. Remote MACPHY verlagert sowohl die PHY- als auch die Docsis-Verarbeitung (MAC) dorthin. "Wenn man sein Netz und die Clustergrößen damit entsprechend plant, dann kommt man beim Kunden auf FTTH-ähnliche Datenraten" , erklärte Breuer. Die Koaxialbetreiber konkurrierten mit Glasfaserbetreiber, und hätten ein Interesse, 1 GBit/s anzubieten, was mit CCAP-Technologie möglich sei.
Grundlage sei immer eine hohe Durchdringung des Netzes mit Glasfaser. Aber an den Endpunkten des Glasfasernetzes könne Remote-CCAP platziert werden. "Dann kann in den Hausverteilern die bestehende Koax-Infrastruktur auf der letzten Meile genutzt werden, und man kommt dennoch auf sehr attraktive Datenraten" , stellte Breuer in Aussicht.



