Autozölle: Von der Hühnersteuer zum veritablen Handelskrieg

Was haben billige Hühner aus den USA mit hohen Einfuhrzöllen für Pick-ups zu tun? Erstaunlicherweise hat ein Handelsstreit mit Europa zu Beginn der 1960er Jahre die amerikanische Autoindustrie bis heute geprägt. Weil Frankreich und Deutschland den Import von billigem Geflügel verhindern wollten, erhob US-Präsident Lyndon B. Johnson im Gegenzug einen 25-prozentigen Zoll auf den Import leichter Nutzfahrzeuge wie Pick-ups. 60 Jahre später dehnt Donald Trump diesen Zoll auf sämtliche Autos und Autoteile aus.
Das Beispiel des Hühnerkriegs, wie der Streit genannt wurde(öffnet im neuen Fenster) , verdeutlicht die langfristigen Auswirkungen derart hoher Zölle. Damals versuchten die Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft(öffnet im neuen Fenster) (EWG) die heimische Geflügelproduktion vor dem Import billiger Hühner aus den USA zu schützen. Die USA reagierten mit einem Einfuhrzoll auf Kartoffelstärke, Dextrin, Weinbrand - und auf leichte Nutzfahrzeuge.
Der Gegenzoll habe auf vor allem auf Volkswagen gezielt, berichtete das Wall Street Journal (WSJ)(öffnet im neuen Fenster) (Paywall). Das betraf den seit 1950 produzierten Transporter (Bulli), der auch als Pritschenwagen gebaut wurde.
Militärischer Schutz als Verkaufsargument
Schon damals brachten die USA die Zölle mit ihrem militärischen Schutz in Verbindung. US-Senatoren sagten einem deutschen Minister, sie sähen "keinen Grund, warum sie ihre Soldaten in Deutschland lassen sollten, wenn das Land ihre Hühner nicht kauft" , zitiert das WSJ aus den Memoiren des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer (CDU). Während die übrigen Gegenzölle mit der Zeit abgeschafft wurden, blieb der Pick-up-Zoll bestehen.
Das führte dazu, dass sich die US-amerikanische Autoindustrie in der Nische einrichten konnte. "Nicht zuletzt dank der Hühnersteuer werden praktisch alle in den USA verkauften Pick-ups in Nordamerika gebaut, und die meisten von amerikanischen Marken" , schreibt das WSJ. Die Hersteller General Motors, Ford und RAM teilten im Jahr 2024 80 Prozent der Verkäufe unter sich auf. Um in diesen Markt vorzustoßen, erwarb VW sogar die Namensrechte des früheren US-Herstellers Scout und will unter der Marke künftig Elektro-Pick-ups verkaufen .
Natürlich will VW die Autos wegen der Hühnersteuer in den USA bauen. Eine 25-prozentige Steuer auf sämtliche Pkw, die importiert werden, dürfte VW und alle anderen deutschen Hersteller nun jedoch vor Probleme stellen.
Komplette Produktionsverlagerung nicht machbar
Die Vorstellung ist absurd, dass ein großer Autokonzern wie VW sämtliche in den USA verkauften Fahrzeuge auch dort produzieren kann. Zwar verfügen VW, BMW und Mercedes-Benz bereits über Produktionsstandorte in den USA. Doch dort werden nur bestimmte Modelle hergestellt, die wiederum in andere Länder exportiert werden - wie die X-Serie von BMW. Das macht BMW derzeit zum größten Autoexporteur der USA.
Darüber hinaus nutzen die Hersteller die Bedingungen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta, das von Trump im Jahr 2018 durch das United States Mexico Canada Agreement (USMCA)(öffnet im neuen Fenster) ersetzt wurde. Trump sagte im Januar 2020(öffnet im neuen Fenster) : "Das USMCA ist das fairste, ausgewogenste und vorteilhafteste Handelsabkommen, das wir je unterzeichnet haben. Es ist das beste Abkommen, das wir je geschlossen haben."
Auch Autoteile betroffen
Diese Vereinbarung ist nun Geschichte. Problematisch an der getroffenen Regelung ist vor allem die Tatsache, dass der Zoll nicht nur auf fertige Autos, sondern auch auf Komponenten ausgedehnt wird. Die Ankündigung des Weißen Hauses(öffnet im neuen Fenster) nennt ausdrücklich Motoren und Motorenteile, Getriebe und Teile des Antriebsstrangs sowie elektrische Komponenten. Die genaue Liste soll spätestens bis zum 3. Mai 2025 im Bundesgesetzblatt der USA veröffentlicht werden.
Das Vorgehen bedeutet, dass die Importzölle nicht durch Werke umgangen werden können, in denen sämtliche Fahrzeugkomponenten lediglich montiert werden. Ein solches Werk betreibt BMW in Chennai , da Indien für fertige Autos eine 100-prozentige Importsteuer verlangt.
Musk sieht erhebliche Auswirkungen
Aus dem Grund ist auch Tesla von den neuen Zöllen betroffen, obwohl sämtliche in den USA verkauften Autos in dem Land produziert werden. Tesla-Chef Elon Musk schrieb dazu auf Dienst X(öffnet im neuen Fenster) : "Es ist wichtig anzumerken, dass Tesla hier NICHT ungeschoren davonkommt. Die Auswirkungen der Zölle auf Tesla sind immer noch erheblich." Das Unternehmen hatte die US-Regierung bereits vor den negativen Folgen der Zölle gewarnt .
Schätzungen zufolge stammen 20 Prozent der verbauten Fahrzeugteile in allen Varianten des Tesla Model 3, Model S und der Performance-Version des Model Y aus Mexiko. Noch höher ist der Anteil beim Model X, der Long-Range-Variante des Model Y und beim Cybertruck, hier liegt der mexikanische Anteil bei etwa 25 Prozent. Aus Kanada sollen ebenfalls Komponenten stammen. Zudem verteuern neue Zölle auf Stahl und Aluminium die Produktion.
Komponenten reisen hin und her
Doch nicht nur Tesla, auch andere US-Hersteller wie General Motors, Ford und Stellantis (Chrysler) sind von den Zöllen betroffen. Denn die US-Fertigung ist eng mit Produktionsstätten in Mexiko und Kanada verwoben. "Komponenten können mehrmals zwischen Mexiko, den USA und Kanada hin und her reisen, bevor sie in einem dieser Länder in ein montiertes Fahrzeug eingebaut werden" , schreibt das Portal Electrek.co(öffnet im neuen Fenster) .
Es dürfte für die Hersteller daher kurzfristig kaum eine Möglichkeit geben, den höheren Zöllen auf Autos und Komponenten zu entgehen. Produktion und Lieferketten lassen sich nicht von heute auf morgen umstellen. Die stark gestiegenen Verkaufspreise dürften wiederum die Nachfrage dämpfen, was durch Rabatte nicht wirklich aufzufangen ist.
Was will Trump erreichen?
Das Konzept der neuen Zölle erscheint so absurd, dass eine konsequente Einführung und Umsetzung nicht nur ausländischen Herstellern schaden würde, sondern auch US-Firmen und vor allem US-Verbrauchern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Trump die Zölle als Druckmittel einsetzt, um Konzessionen auf anderen Gebieten zu erreichen.
So verweisen die USA darauf, dass die EU einen Importzoll von zehn Prozent auf Autos verlange, während die USA nur 2,5 Prozent forderten. Der EU zufolge(öffnet im neuen Fenster) liegt beim tatsächlichen Warenhandel zwischen der EU und den USA der durchschnittliche Zollsatz auf beiden Seiten bei etwa 1 Prozent. Sollten die Importzölle auf Autos zwischen der EU und den USA auf 2,5 Prozent angeglichen werden, dürfte das die Verkaufschancen von US-Autos in Europa wenig steigern. Trump würde vermutlich trotzdem triumphieren und vom "besten Abkommen aller Zeiten" sprechen.
Trump droht EU und Kanada
Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass Trump sein Konzept einer quasi autarken US-Autoproduktion durchziehen will. Ausländische Autokonzerne könnten gezwungen sein, für den US-Markt ausschließlich in den USA zu produzieren und dazu die Modellpalette anzupassen. Es dürfte auf absehbare Zeit kaum gelingen, auf chinesische Batteriekomponenten zu verzichten.
Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, dass der Handelskrieg noch weiter eskaliert. Trump drohte bereits der EU und Kanada(öffnet im neuen Fenster) mit "hohen Zöllen" , "die weit über die derzeit geplanten hinausgehen" , sollten diese zusammen versuchen, die USA zu schädigen. Die Zeiten, in denen es nur um billiges Huhn ging, sind leider vorbei.



