Auslandsspionage: Bundestag beschließt neue Kontrollbehörde für BND

Der Bundesnachrichtendienst darf künftig praktisch den kompletten Internetverkehr überwachen. Die Kontrolle wird allerdings verschärft.

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Der BND soll künftig stärker kontrolliert werden.
Der BND soll künftig stärker kontrolliert werden. (Bild: Friedhelm Greis/Golem.de)

Der Bundesnachrichtendienst wird künftig durch zusätzliche Kontrolleure überwacht. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag in Berlin ein Gesetz, mit dem Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Auslandsaufklärung umgesetzt werden. Trotz erheblicher Kritik von Experten haben die Koalitionsfraktionen von Union und SPD nur marginale Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen. Die Fraktionen von AfD, FDP, Linke und Grünen stimmten gegen das Gesetz.

Mit dem Gesetz (PDF) wird ein umfangreicher Forderungskatalog umgesetzt, den das Bundesverfassungsgericht mit seinem wegweisenden Urteil zur Auslandsspionage aufgestellt hat. Demnach muss der BND bei der Überwachung von Ausländern ebenfalls die Grundrechte wie den Schutz des Fernmeldegeheimnisses und die Pressefreiheit berücksichtigen. Zudem sollen neue Kontrollinstanzen eingerichtet werden, um die Spionagepraktiken besser überprüfen zu können.

Komplette Systeme dürfen überwacht werden

Dem Gesetzentwurf zufolge darf sich der Dienst laut Paragraf 19 des BND-Gesetzes weiterhin "mit technischen Mitteln Zugang zu informationstechnischen Systemen eines ausländischen Telekommunikations- oder Telemediendiensteanbieters im Ausland auch ohne dessen Wissen verschaffen und personenbezogene Daten, die dieser anlässlich der Erbringung seines Dienstes verarbeitet, aus der laufenden Kommunikation erheben".

Auch soll der BND laut Paragraf 36 Staatstrojaner oder andere technische Mittel nutzen dürfen, damit er "in von Ausländern im Ausland genutzte informationstechnische Systeme eingreifen" kann. Da solche Eingriffe bislang bereits üblich seien, würden mit Paragraf 36 keine neuen Befugnisse geschaffen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Erlaubt ist demnach neben der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) auch eine Onlinedurchsuchung.

In einer Bundestagsanhörung hatten Experten zuletzt die neuen Befugnisse scharf kritisiert. So ist die nun vorgesehene Beschränkung der Datenerfassung auf 30 Prozent der weltweiten Telekommunikation laut Klaus Landefeld vom Branchenverband Eco "keine effektive Beschränkung". In einer Stellungnahme (PDF) rechnete der Verband vor, dass auf diese Weise 20.000 der weltweiten 70.000 Datennetze überwacht werden könnten. Da aber in Deutschland nur 1.250 Datennetze aktiv seien, könnte der BND dadurch 16 Mal den gesamten deutschen Datentraffic überwachen. "Das lässt faktisch die Überwachung von 99,9 Prozent aller weltweiten Datenverkehre zu", sagte Landefeld.

Mehr parlamentarische Kontrolle

Während diese Kritikpunkte unberücksichtigt blieben, besserte der Bundestag einige Aspekte des sogenannten Unabhängigen Kontrollrats nach. Dieser soll als oberste Bundesbehörde laut Paragraf 41 des neuen BND-Gesetzes "die Rechtmäßigkeit der technischen Aufklärung und damit einhergehender Übermittlungen und Kooperationen des Bundesnachrichtendienstes" kontrollieren. Dabei wird zwischen einer gerichtsähnlichen und einer administrativen Rechtskontrolle unterschieden.

Künftig dürfen auch Richter des Bundesverwaltungsgerichts in das sechsköpfige Gremium für die gerichtsähnliche Rechtskontrolle berufen werden, wie aus der Beschlussvorlage des Innenausschusses (PDF) hervorgeht. Mehrere Sachverständige hatten moniert, dass dafür zunächst nur Richter und Anwälte am Bundesgerichtshof vorgesehen waren. Das sei "an der Grenze zur Satire", hieß es.

Gestärkt wird zudem die parlamentarische Kontrolle des BND durch eine förmliche Berichtspflicht des Unabhängigen Kontrollrates an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr). Zudem soll künftig der Bundestag über "relevante Beanstandungen" unterrichtet werden. Als grundsätzlich defizitär beziehungsweise problematisch hatten die meisten der Sachverständigen die Kontrolle der Nachrichtendienste durch den Bundestag bezeichnet. Der Vorrang der parlamentarischen Kontrolle werde in Frage gestellt, hatte der Göttinger Staatsrechtler Florian Meinel kritisiert.

Zugehörigkeit zu Berufsgruppen dokumentieren

Eine weitere Änderung: Die BND-Mitarbeiter müssen künftig dokumentieren, wenn sie eine Person zu einer geschützten Berufsgruppe wie Geistliche, Verteidiger, Rechtsanwälte und Journalisten zurechnen, deren "Vertraulichkeitsbeziehungen" nicht ohne weiteres überwacht werden dürfen. "Die Dokumentationspflicht gibt die Möglichkeit entsprechende Informationen zu speichern und schafft damit die Grundlage für die entsprechenden Kontrollen", heißt es zur Begründung.

Verkürzt von sieben auf fünf Jahre wird zudem der Zeitraum, innerhalb dessen gespeicherte Daten mit Personenbezug daraufhin überprüft werden müssen, ob sie gelöscht werden können. Dies soll der "besonderen Eingriffstiefe bei der Erhebung von personenbezogenen Daten mittels Eingriffs in informationstechnische Systeme" Rechnung tragen.

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