Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Astronomie: Sternstunden in einer besonders finsteren Ecke Deutschlands

Einer der dunkelsten Orte liegt in Brandenburg und lockt lichtscheue Gestalten an, die einmal im Jahr mit viel Equipment aufkreuzen: Himmelsbeobachter.
/ Mario Keller
15 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Die Milchstraße über dem What-Camp (Bild: Thomas Becker)
Die Milchstraße über dem What-Camp Bild: Thomas Becker

Eine der dunkelsten Ecken in Deutschland ist der kleine Ort Gülpe in Brandenburg, ca. 70 km nordwestlich von Berlin im Westhavelland. Am 12. Februar 2014 wurde ein Gebiet von 1.380 km 2 in der Region offiziell von der IDA ( International Dark Sky Association (öffnet im neuen Fenster) ) zum ersten Sternenpark Deutschlands (öffnet im neuen Fenster) ernannt. Schon seit 2011 treffen sich hier einmal im Jahr im Spätsommer für ein Wochenende viele Astronomiebegeisterte zum gemeinsamen Beobachten und Erfahrungsaustausch. Dieses Jahr ist es mir endlich gelungen, einen der begehrten Plätze auf dem Areal zu ergattern.

Buchstäblich in letzter Sekunde, am Freitagmittag, bekam ich den Anruf, dass ein Platz auf der Warteliste freigeworden sei und ich anreisen könne. Also suchte ich eilig zusammen, was mir an Astroequipment in die Finger kam. Da dies mein erstes Treffen dieser Art war, konnte ich nicht auf Erfahrungen in Bezug auf meine Auswahl an Gerätschaften zurückgreifen. Ich betreibe normalerweise Astrofotografie und beobachte selten visuell, aber der Westhavelländer Astrotreff, kurz: What(öffnet im neuen Fenster) , war eine gute Gelegenheit, mal wieder direkt durchs Teleskop zu schauen.

In meinem Fundus gab es einiges Gerät, das ich bisher nur selten bis gar nicht genutzt hatte. Das sollte sich ändern. Also verstaute ich verschiedene Stative, Teleskope und Okulare nebst anderem Zubehör sicher im Auto. Die perfekte Bettwäsche kam auch zum ersten Mal zum Einsatz. Noch ein wenig Proviant für zwei Tage und dann ging es los.

Und welches Teleskop hast du?

Nach gut zwei Stunden Fahrt bei über 30 °C durch die malerische Landschaft Brandenburgs, die schon Theodor Fontane (öffnet im neuen Fenster) begeisterte, erreichte ich den schon gut gefüllten Sportplatz in Gülpe. Mein Stellplatz war schnell gefunden und nach kurzem Aufbau konnte der erste Rundgang starten. Mit 80 Parkplätzen ist das What nicht das größte Treffen in Deutschland, trotzdem war die Menge an Equipment auf dem Platz beeindruckend. Viele Teilnehmer hatten sich wie ich für die visuelle Beobachtung entschieden und so fanden sich sehr viele Dobson-Teleskope (öffnet im neuen Fenster) in verschiedensten Größen neben klassischen Spiegel- und Linsenteleskopen auf azimutalen und äquatorialen Montierungen auf dem Platz, darunter auch einige Eigenbaugeräte von teils immenser Größe.

Viele Geräte waren noch abgedeckt, damit sich die Teleskope nicht zu sehr aufheizten, da es selbst am frühen Abend noch extrem heiß war. Kontakt zu Gleichgesinnten bekommt man immer schnell. Da wird geschaut, was der Nachbar so aufgebaut hat und schnell ergibt sich ein Gespräch übers Equipment und die Erfahrungen damit.

Vor allem exotisches Gerät weckte die Neugier bei vielen Anwesenden und ist immer ein guter Start für ein Gespräch. Und da ich auch ein eher ungewöhnliches Teleskop dabei hatte, waren neue Kontakte schnell geknüpft.

Teil meines Fundus ist ein sogenanntes Trommelteleskop. Das Drumscope ist ein Eigenbau eines Hobbyastronomen aus Hannover, das ich vor einiger Zeit erworben hatte, da ich die Idee und Umsetzung faszinierend fand. Da es sich aber nicht gut für die Astrofotografie eignet, hatte ich es bisher noch nie wirklich im Einsatz.

Ein Linsenteleskop ist technisch bedingt immer so lang wie seine Brennweite. Daher sind solche Teleskope ab 700 oder 800 mm Brennweite aufwärts schon recht unhandlich. Allerdings besteht der größte Teil in der Mitte tatsächlich nur aus einem leeren Tubus. Die Idee ist so simpel wir genial: das Licht einfach durch plane Spiegel so umzulenken, dass der Lichtweg wieder 900 mm entspricht, aber das Teleskop deutlich kompakter wird. Also eigentlich eine Mischung aus Spiegel- und Linsenteleskop.

Die Spiegel dienen nur dem Umlenken des Lichts, sie beeinflussen die Abbildung nicht, wie es bei tatsächlichen Spiegelteleskopen der Fall ist. Der Weg des Lichts ist sogar außen auf das Teleskop aufgedruckt. Hier wird gezeigt, wo die Spiegel sitzen und wie das Licht seinen Weg von der Frontlinse zum Okular nimmt.

Neben vielen anderen Eigenbauteleskopen war vermutlich das Bino-Dobson-Teleskop von Stefan Ruprecht aus Wolfsburg der wortwörtlich größte Hingucker. Über 1 m breit, aufgerichtet vermutlich gute 2 m hoch und mit zwei 50 cm großen Hauptspiegeln, die jede Menge Licht einfangen und auch das Beobachten von lichtschwachen Objekten ermöglichen.

Das Wichtigste bei Beobachtungen in der Nacht ist neben einem klaren Himmel eine gute Nachtsicht.

Helles Licht ist verboten!

Unser Auge gewöhnt sich nach einiger Zeit im Dunkeln an die Lichtverhältnisse und wir nehmen auch schwach leuchtende Objekte deutlich besser wahr. Allerdings reicht schon ein wenig helles Licht aus, um das sofort wieder zunichtezumachen. Daher gibt es eine Regel bei Astrotreffen: kein helles, weißes Licht. Rotlicht ist okay, da es die Nachtsicht nicht so stark beeinträchtigt.

So wurden Scheinwerfer und Blinker von Autos abgeklebt oder anderweitig verdeckt, damit beim Öffnen und Schließen niemand geblendet wurde. Selbst der Toilettenwagen war mit Rotlicht ausgestattet.

Die umgebenden Straßenlaternen waren ausgeschaltet und rote Stirnlampen und stationäre rote Lampen in den einzelnen Camps waren die einzig sichtbaren Lichtquellen.

Eine unvergessliche Nacht

Am Abend zogen noch einige Wolken über den Himmel und immer wieder konnte man die Teilnehmer bei bangen Blicken in den Himmel oder auf die Wettervorhersage beobachten. Würde der Himmel aufklaren und so eine gute Nacht zum Beobachten bieten? Um 20:30 Uhr war Sonnenuntergang und die astronomische Dunkelheit würde kurz vor 23 Uhr einsetzen.

Gegen 22 Uhr kamen die ersten Sterne zwischen den letzten Wolkenfetzen zum Vorschein und ab 23 Uhr war der Himmel bis auf einige Wolkenbänder am Horizont plötzlich klar. Der Mond war bereits um 21:30 Uhr untergegangen, perfekte Bedingungen also. Die Milchstraße war klar und deutlich zu erkennen und ein Meer an Sternen breitete sich über dem Himmel aus. Aus allen Ecken des Geländes war das Summen der Teleskopmontierungen zu hören, die per Motor bewegt wurden. Teleskope und Ferngläser richteten sich in den Nachthimmel.

Auch mein Trommelteleskop kam zu ersten Ehren, als es mir gelang, die Andromedagalaxie ins Bildfeld zu bekommen. Kein Vergleich zu einem Foto, aber der milchige Fleck des Zentrums war klar zu erkennen. Mit bloßem Auge auf eine fremde Galaxie zu schauen, deren Licht 2,5 Millionen Jahre zu uns unterwegs war, ist schon etwas Besonderes.

Für meinen Campnachbarn ein spezielles Erlebnis, hatte er doch bisher noch nie den Blick durch ein Teleskop geworfen. Der junge Mann aus Berlin hatte sich mit Fahrrad und Zelt aus dem nahegelegenen Rathenow mit viel Interesse und Neugier, aber ohne eigene Erfahrung in der Astronomie auf den Weg zum What gemacht.

Und er wurde nicht enttäuscht. Im Laufe der Nacht fand sich eine kleine Gruppe aus benachbarten Stellplätzen zusammen und gemeinsam wurden verschiedenste Objekte ins Visier genommen. Zunächst der Saturn mit seinen Ringen und dann der später aufgehende Jupiter mit vier seiner Monde.

Auch für mich war es das beste Bild des großen Gasplaneten, das ich bisher mit bloßem Auge gesehen hatte. Deutlich waren die Wolkenbänder zu erkennen. Nur der große rote Fleck war nicht zu sehen, da sich dieser gerade auf der Rückseite des Planeten befand. Später gelang es uns auch noch, den Neptun und den Uranus als kleine blasse Punkte ins Okular zu holen. Und um das himmlische Schauspiel zu komplettieren, gaben sich auch noch einige Meteore aus dem Perseiden-Strom mit besonders hellen und lang leuchtenden Exemplaren die Ehre.

Da wir bereits im Spätsommer sind, zeigen sich in der späteren Nacht bereits die ersten frühen Wintersternbilder wie die Plejaden(öffnet im neuen Fenster) . Diese sind schon mit einem einfachen Fernglas gut zu beobachten. Gegen halb drei schlug bei mir die Müdigkeit zu und ich ging schlafen, andere blieben wach, bis kurz vor Sonnenaufgang.

Klarer Tag, wolkiger Abend

Der nächste Tag war geprägt von einem wolkenlosen Himmel und sengender Sonne. Eine nahegelegene Badestelle an der Havel versprach ein wenig Abkühlung, aber alleine die fünf bis zehn Minuten Fußweg zurück waren genug, um die kurze Abkühlung gleich wieder verfliegen zu lassen.

Auch am Tag sind Beobachtungen möglich. Einige spezielle Teleskope für die Sonnenbeobachtung oder normale Teleskope mit spezieller Filterfolie machen es möglich, einen Blick auf unseren Zentralstern zu werfen. Sonnenflecken und bei entsprechender Vergrößerung und dem richtigen Equipment auch Strukturen auf der Sonne und ihrer Protuberanzen lassen sich so beobachten.

War der Freitagabend vorwiegend den Astrofreunden vorbehalten, so war der Samstag für alle interessierten Gäste gedacht. Ab Nachmittag gab es verschiedene Vorträge in einem großen Zelt, zum Beispiel über die komplexe Kunst der Sonnenuhren von Rolf König, dem ehemaligen Leiter des Potsdamer Planetariums, und weitere Vorträge zum Thema Lichtverschmutzung und über verschiedene Formen von Sonnenfinsternissen. Und alle hofften auf einen weiteren klaren Abend, um auch mit den erwarteten Gästen den Himmel beobachten zu können.

Leider waren die Prognosen nicht so optimistisch und ab dem frühen Abend kamen immer mehr Wolken aus Richtung Norden. Als es dunkel wurde, war leider der komplette Himmel bedeckt, auch wenn es immerhin keinen Regen gab. Aber Sternenfreunde sind es gewohnt, das Wetter zu akzeptieren, wie es ist, und machten das Beste aus der Situation. In kleinen bunten Gruppen, meist mit einem Kaltgetränk ausgestattet, traf man sich, um sich auszutauschen, Adressen zu tauschen oder die nächsten Beobachtungen zu planen.

Alle, die tapfer durchgehalten hatten, wurden dann auch ab 01:30 Uhr wieder mit einem klaren Himmel belohnt, der bis zum Morgen so blieb. So konnten dann auch mit etwas Verspätung die Beobachtungen in der zweiten Nacht weitergehen. Sogar einige Gäste, die im Ort selbst Unterkunft bezogen hatten, kamen in der Nacht noch wieder, um sich den Sternenguckern anzuschließen.

Aller Abschied ist schwer

Der Platz in Gülpe ist wie die anderen ausgewiesenen Beobachtungsplätze der Region auch, ganzjährig nutzbar. Und da die Prognosen für die kommenden Tage nicht so schlecht waren, blieben einige Teilnehmer noch da, während andere am Sonntag die Heimreise antraten. Ein Blick auf die verschiedenen Nummernschilder verriet, dass neben den vielen Berlinern und Brandenburgern auch Teilnehmer aus Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt angereist waren. Auch für mich endete am Sonntag mein Besuch und ich trat die Heimreise an - wenn auch leicht verspätet. Denn bei tollen Gesprächen beim Frühstück und dem Verabschieden von neuen Kontakten vergisst man schnell mal die Zeit.

Wer jetzt auch Lust hat, unter einem besonders dunklen Himmel mal in die Sterne zu gucken oder einfach die wundervolle Landschaft des Naturparks Westhavelland zu erkunden, der findet hier jede Menge Informationen(öffnet im neuen Fenster) . Auch eine aktive Beteiligung beim Förderverein des Sternenparks (öffnet im neuen Fenster) oder der Nachtwächter-Initiative (öffnet im neuen Fenster) sind möglich.


Relevante Themen