Astronomie: Das Janusgesicht eines weißen Zwergs

Zum ersten Mal ist der Fachwelt ein zweigeteilter weißer Zwerg begegnet. Ein Forschungsteam hat(öffnet im neuen Fenster) den janusgesichtigen weißen Zwerg in den Daten des Samuel-Oschin-Teleskops der Zwicky Transient Facility (ZTF) - einer Organisation zur astronomischen Weitfeld-Himmelsdurchmusterung - entdeckt. Deshalb bekam dieser Sternenrest auch den Namen ZTF J1901+1458.
Bei einem weißen Zwerg handelt es sich um einen Stern am Ende seiner Lebensphase. Es ist ein sehr kompakter und kleiner ehemaliger Stern, der trotz seiner hohen Oberflächentemperatur nur eine sehr geringe Leuchtkraft besitzt. Auch unsere Sonne wird einmal als weißer Zwerg enden , nachdem sie sich zu einem roten Riesen aufgebläht hat. Dies geschieht, nachdem dieser den Wasserstoff in seinem Kern aufgebraucht hat und seine äußere Hülle weggesprengt hat. Übrig bleibt dann ein weißer Zwerg, der ausgebrannte Sternkern - wenn ein roter Riese aber genug Masse besitzt, endet er in einer spektakulären Supernova.
Nicht so bei unserer Sonne und ZTF J1901+1458. Dieser ist 135 Lichtjahre von uns entfernt und hat einen Durchmesser von etwa 4.200 Kilometern - ist also etwas größer als unser Mond.
Der zweigeteilte weiße Zwerg
ZTF J1901+1458 scheint bisher einzigartig zu sein, denn er ist ein zweigeteilter Sternkern. Dieser wird - wie es für weiße Zwerge üblich ist - im Inneren von schweren Elementen wie Kohlenstoff und Sauerstoff dominiert. Er hat aber auch eine dünne Hülle aus Helium und Wasserstoff - die normalerweise gut durchmischt ist. Bei ZTF J1901+1458 besteht die eine Seite jedoch aus Wasserstoff und die andere Seite aus Helium.
Bei seiner Entdeckung wurde er zunächst für einen veränderlichen Stern mit einer stark schwankenden Helligkeit gehalten. Seine Leuchtkraft ähnelte dabei einer Sinuskurve mit 15-minütiger Wellenlänge. Zur besseren Untersuchung verwendete das Forschungsteam das Keck-1-Teleskop auf der Bergspitze des Mauna Kea auf Hawaii. Das Spektrometer des Teleskops zeigte während der hellen Phasen der Lichtkurve das Spektrum von Wasserstofflinien - ausschließlich. Während der dunklen Phasen zeigte sich dagegen nur das Spektrum von Heliumlinien.
Nun hätte es sich bei ZTF J1901+1458 um zwei statt eines weißen Zwergs handeln können. Jedoch sprachen der schnelle Wechsel und die Form des Spektrums dagegen. Schließlich schloss das Forschungsteam darauf, dass es sich bei diesem ausgebrannten Sternkern um einen zweigeteilten weißen Zwerg handeln muss.
Woher stammt die Zweiteilung von ZTF J1901+1458?
Die eine Hälfte seiner Oberfläche besteht aus fast reinem Wasserstoff und ist damit heißer als die andere Oberflächenseite, die komplett aus Helium besteht. Bisher konnte die Fachwelt nur einen weiteren weißen Zwerg ausfindig machen, dessen Helium und Wasserstoff unregelmäßig über seine Oberfläche verteilt sind. Doch bei GD 323 ist es eine unregelmäßige Verteilung und keine Zweiteilung.
Die Oberflächentemperatur von ZTF J1901+1458 beträgt rund 35.000 Grad Celsius. Das entspricht dem Bereich bei einem weißen Zwerg, bei dem der Wasserstoff von der Oberfläche ins Innere sinkt. Laut dem Forschungsteam wandelt sich die Oberfläche dann von einer Wasserstoff-dominierten zu einer Helium-dominierten Oberfläche. Die Zweiteilung könnte durch ein asymmetrisches Magnetfeld verursacht werden und dafür sorgen, dass der Wasserstoff auf der einen Seite absinkt, während das Helium auf der anderen Seite aufsteigt.
Bereits ein relativ schwaches Magnetfeld von wenigen Dutzend Gauß würde bei einem weißen Zwerg mit einer Masse von etwa 1,2 Sonnen für die Störung ausreichen. Das Magnetfeld würde damit das konvektive Mischen des Sternenmaterials verhindern - und genau das soll auf der hellen Wasserstoffseite passieren. Deswegen bleibt die Wasserstoffschicht auf einer Seite erhalten. Dagegen ist das Magnetfeld auf der anderen Seite zu schwach und die Konvektion ist daher stark genug, um die dünne Wasserstoffschicht zu zerstören, erklärt das Forschungsteam.
Ein weiteres Szenario - die Antwort bleibt aber aus
Bei einem weiteren Szenario erzeugt das Magnetfeld an den Polen eine Zone mit niedrigem Druck und geringer Dichte. Laut dem Forschungsteam würden die Ionen "mit geringerem Masse-zu-Radius-Verhältnis wie Wasserstoff in Richtung dieser Tiefdruckzone diffundieren" . Das wiederum würde die Bildung eines regionalen Wasserstoff-Ozeans begünstigen, der zufälligerweise nur die eine Seite des weißen Zwergs bedeckt.
Welche Theorie nun stimmt oder ob doch eine andere Erklärung das Phänomen plausibel beschreiben kann, bleibt unbeantwortet. Ohne den Einfluss der magnetischen Felder kann das Team die asymmetrische Teilung jedoch nicht erklären. Ihre Entdeckung legt zumindest nahe, dass sich die Elementverteilung und Oberfläche bei der Entwicklung dieser Sternenreste weniger gleichmäßig und reibungslos verändert, als die Fachwelt bisher annimmt.
Zur Studie
Die Studie wurde am 19. Juli 2023 im Fachmagazin Nature veröffentlicht: A rotating white dwarf shows different compositions on its opposite faces(öffnet im neuen Fenster) (engl. Ein rotierender Weißer Zwerg zeigt auf seinen gegenüberliegenden Seiten unterschiedliche Zusammensetzungen).



