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Astrobiologie: Könnten Bärtierchen den Mond besiedelt haben?

Auf dem Mond sind Bärtierchen abgestürzt. Diese Lebewesen sind äußerst robust und einiges deutet darauf hin, dass sie den Absturz der Raumsonde Beresheet überlebt haben könnten. Es gibt aber auch Punkte, die dagegensprechen.
/ Patrick Klapetz
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Eine Weltraum-Collage mit Bärtierchen auf dem Mond (Symbolbild) (Bild: Pixabay, Wikipedia, DBCLS, golem.de)
Eine Weltraum-Collage mit Bärtierchen auf dem Mond (Symbolbild) Bild: Pixabay, Wikipedia, DBCLS, golem.de / CC-BY 4.0

Es ist etwa fünf Jahre her, als die israelische unbemannte Raumsonde Beresheet auf dem Mond abgestürzt ist. Dabei ging auch ein Behälter mit Bärtierchen (Tardigrada) verloren. Diese Häutungstiere (Ecdysozoa) können selbst unter den härtesten klimatischen Bedingungen überleben. Doch wie sieht es auf dem Mond aus? Sind die winzigen Bärtierchen gestorben? Befinden sie sich im Tiefschlaf? Oder haben sie den Mond bereits besiedelt?(öffnet im neuen Fenster)

Es ist unklar, ob die widerstandsfähigen Bärtierchen den Absturz am 11. April 2019 überlebt haben. Labortests haben gezeigt, dass sie den Aufprall auf die Mondoberfläche überleben können. Die Tests wurden mit gefrorenen Exemplaren der Spezies Hypsibius dujardini durchgeführt. Zunächst wurde ein Aufprall auf Sand simuliert, nachdem die Tierchen mit 3.000 Kilometern pro Stunde im Vakuum unterwegs waren. Den Einschlag überlebten diese Exemplare nicht.

Anders jedoch, als der Aufschlag 2.600 Kilometern pro Stunde oder weniger betrug. Das überlebten die robusten Kleinstlebewesen(öffnet im neuen Fenster) . Und die Beresheet-Raumsonde hatte in einer Höhe von 150 Metern über der Mondoberfläche zwar immer noch eine Geschwindigkeit von 500 Kilometern pro Stunde - was jedoch weitaus langsamer ist als das, was die gefrorenen Exemplare überleben können.

Die gefährliche Weltraumstrahlung

Doch selbst wenn die Bärtierchen diesen Aufprall überlebt haben, gibt es auf dem Mond nur eine nicht erwähnenswerte dünne Atmosphäre. Die kosmisch-galaktische Weltraumstrahlung kann somit fast vollkommen ungehindert auf die Mondoberfläche einprasseln.

An der Universität Kiel konnte man zeigen, dass die auf die Mondoberfläche auftreffenden Gammastrahlendosen dauerhaft sind. Jedoch entsprechen zehn Jahre Gammastrahlenexposition auf dem Erdtrabanten einer Gesamtdosis von etwa ein Gy (Gray: Grundeinheit, in der die Strahlendosis angegeben wird).

Für den Menschen wäre eine Dosis von zehn Gy tödlich. Bei 40.000-50.000 Gy werden alle Arten von Material sterilisiert. Dehydrierte erwachsene Bärtierchen überleben langfristig bei hohen Gammastrahlendosen von 1.000 oder 4.400 Gy(öffnet im neuen Fenster) .

Damit könnten die Überlebenskünstler auch der gefährlichen Weltraumstrahlung standhalten. Jedoch sieht es anders bei ihren Eiern aus. Zwar können sich Bärtierchen geschlechtlich oder ungeschlechtlich durch Parthenogenese (aus einem unbefruchteten Ei) vermehren. Sogar die Zwitterbildung, bei der das Individuum sowohl männliche als auch weibliche Keimzellen besitzt, und die damit einhergehende Selbstbefruchtung ist möglich. Jedoch müssen die Nachkommen dafür aus einem Ei schlüpfen und diese würden unabhängig von der Strahlendosis absterben.

Wassermangel und Dehydration bei Bärtierchen

Eine andere Herausforderung sind die kalten Mondnächte von -170 bis -190° Celsius sowie die heißen Tage auf dem Mond, bei denen die Temperatur zwischen 100 und 120° Celsius liegen kann. Erwachsene dehydrierte Bärtierchen können einige Minuten lang bei Temperaturen von -272° oder 150° Celsius überleben. Die Temperaturen auf dem Mond wären somit auch mehr als einige Minuten aushaltbar gewesen.

Bärtierchen können ihren Stoffwechsel abschalten, indem sie bis zu 95 Prozent ihres Körperwassers verlieren(öffnet im neuen Fenster) . Einige Arten synthetisieren einen Zucker (Trehalose), der als Frostschutzmittel wirkt. Andere Arten synthetisieren Proteine, von denen die Fachwelt annimmt, dass sie zelluläre Bestandteile in ein amorphes (damit glasartiges) Netzwerk einbinden. Dies kann jeder Zelle Widerstand und Schutz bieten.

Während der Dehydrierung kann der Körper des Bärtierchens auf die Hälfte seiner normalen Größe schrumpfen. Die Beine verschwinden, nur die Krallen sind noch sichtbar. Dieser Zustand (Kryptobiose) dauert an, bis die Bedingungen für ein aktives Leben wieder günstig sind.

Haben Bärtierchen nun den Mond besiedelt?

Jedoch müssen Bärtierchen von einem Wasserfilm umgeben sein, um aktiv zu sein, sich von Mikroalgen wie Chlorella zu ernähren, sich zu bewegen, zu wachsen und sich fortzupflanzen. Entsprechend können diese Lebewesen den Mangel an flüssigem Wasser, Sauerstoff und Mikroalgen nicht überwinden. Sie wären niemals in der Lage, sich zu reaktivieren, erklärt Laurent Palka vom nationalen Museum für Naturgeschichte MNHN (Maître de conférences, Muséum national d'histoire naturelle).

Doch selbst wenn, dann beträgt die aktive Lebensdauer eines Bärtierchens je nach Art(öffnet im neuen Fenster) zwischen drei und 30 Monaten. Vermehren können sie sich nicht, weil die Eier den Strahlenbedingungen unseres stellaren Nachbarn nicht standhalten würden. Die Besiedlung des Mondes ist laut Polka daher unmöglich. Dennoch befinden sich inaktive Exemplare auf dem Mondboden.

Vielleicht könnten zukünftige Missionen die gestrandeten Exemplare bergen und untersuchen. Eine solche Mission ist jedoch nicht geplant. Ethisch gesehen stellt sich die Frage, wie weit man mit der Kontamination von anderen Himmelskörpern gehen will. Diese kann nämlich die Möglichkeit mindern, außerirdisches Leben zu entdecken - auch wenn auf unserem Begleiter keins erwartet wird, könnten solche Missionen auf anderen Himmelskörpern ein Problem darstellen.

Zu den Studien

Die Aufprall-Studie wurde am 6. Juli 2021 in dem Fachmagazin Astrobiology publiziert: Tardigrade Survival Limits in High-Speed Impacts-Implications for Panspermia and Collection of Samples from Plumes Emitted by Ice Worlds(öffnet im neuen Fenster) (Die Überlebensgrenzen von Bärtierchen bei Hochgeschwindigkeitseinschlägen - Auswirkungen auf die Panspermie und das Sammeln von Proben aus den von Eiswelten ausgestoßenen Abgasfahnen).

Die Gammastrahlen-Studie erschien am 25. September 2020 in der Fachzeitschrift Science Advances: First measurements of the radiation dose on the lunar surface(öffnet im neuen Fenster) (Erste Messungen der Strahlendosis auf der Mondoberfläche).

Die Studie zur Austrocknungstoleranz erschien am 1. Oktober 2022 in der Fachzeitschrift: Nature Communications Biology: Trehalose and tardigrade CAHS proteins work synergistically to promote desiccation tolerance(öffnet im neuen Fenster) (Trehalose und Bärtierchen-CAHS-Proteine wirken synergetisch zur Förderung der Austrocknungstoleranz).

Die Arten wurden in der Buchserie Zoological Monographs, Volume 2 von Springer (erschienen im Jahr 2018) vorgestellt: Water Bears: The Biology of Tardigrades(öffnet im neuen Fenster) (Wasserbären: Die Biologie der Tardigraden).


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