Asteroiden: Wie wir die Gefahr aus dem All bannen können

Im Februar 2013 explodierte ein knapp 15 Meter großes Objekt aus dem All über Russland und richtete dabei großen Schaden an(öffnet im neuen Fenster) . Wenige Monate später verkündete die Nasa den Beginn der Asteroid Grand Challenge(öffnet im neuen Fenster) . Die US-Raumfahrtagentur fordert Forschungseinrichtungen, private Institutionen und andere Raumfahrtorganisationen dazu auf, Vorschläge zu machen, wie für die Erde gefährliche Asteroiden gefunden und Kollisionen verhindert werden können.
Der Stoff, aus dem die Filme sind
Die Asteroidenabwehr ist ein beliebtes Thema der Science-Fiction und taucht in vielen Kinofilmen auf. In Actionfilmen wie Armageddon oder Deep Impact machen sich tapfere Helden in einem Raumschiff auf den Weg zum Asteroiden, der dann mit Atombomben gesprengt wird. Das eignet sich wunderbar als Handlung für einen typischen Hollywood-Actionfilm; hat aber mit der Realität nicht viel zu tun.






Das Ziel der echten Asteroidenabwehr ist nicht die Zerstörung des Himmelskörpers. Das ist mit ein paar Atombomben auch nicht machbar, denn die gefährlichen Asteroiden sind groß. Wären sie nicht groß, dann wären sie auch keine Gefahr.
Das Objekt, das vor 65 Millionen Jahren für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war, hatte einen Durchmesser von knapp 10 Kilometern. Es war höher als das Himalaya-Gebirge und so etwas lässt sich nicht einfach wegsprengen. Im schlimmsten Fall hat man nach der Explosion der Atombomben anstatt eines sehr großen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde mehrere immer noch große Brocken, die trotzdem bei uns einschlagen.
Bei der Asteroidenabwehr geht es nicht um Zerstörung, sondern um Ablenkung. Wenn der Asteroid ein wenig beschleunigt oder abgebremst wird, dann fliegt er harmlos an der Erde vorbei. Und im Gegensatz zu dem, was man in Hollywoodfilmen sehen kann, ist es technisch durchaus machbar, die Geschwindigkeit eines Asteroiden zu verändern.
Kinetischer Impakt
Eine recht simple Methode nennt man "kinetischer Impakt". Das bedeutet, dass einfach irgendetwas auf den Asteroiden geworfen wird. Ein großes Raumschiff, ein unterwegs eingefangener kleinerer Asteroid oder sonst irgendwas mit ausreichend Masse. Findet die Kollision im richtigen Moment statt, kann die Bewegung des Asteroiden ausreichend gebremst oder beschleunigt werden, um einen Zusammenstoß mit der Erde zu verhindern.
Diese Methode ist nicht nur reine Theorie, sondern wurde tatsächlich schon getestet. Im Jahr 2005 erreichte die Raumsonde Deep Impact(öffnet im neuen Fenster) den Kometen Tempel 1. Ein knapp einen Meter großer und 372 Kilogramm schwerer Impaktor wurde auf den Kometen abgefeuert und schlug dort mit einer Geschwindigkeit von 10,3 Kilometern pro Sekunde ein.
Tempel 1 stellte keine Gefahr für die Erde dar und die Deep-Impact-Mission diente nicht dazu, eine Kollision zu verhindern. Man wollte mehr über die Zusammensetzung des Kometen erfahren, und der Einschlag des Impaktors sollte Material aus dem Kometeninneren ins All schleudern, damit es von den Instrumenten der Sonde untersucht werden konnte.
Aber die Kollision zwischen Komet und Impaktor veränderte auch die Geschwindigkeit des Himmelskörpers. Zwar nur um einen sehr geringen Betrag - die Änderung der Geschwindigkeit betrug knapp 0,4 Millimeter pro Stunde -, aber noch messbar. Würde man die Bahn stärker verändern wollen, dann müsste der Impaktor viel schwerer sein als 372 Kilogramm. Aber die Deep-Impact-Mission zeigt, dass wir zumindest rein technisch jetzt schon in der Lage sind, die Geschwindigkeit eines kleinen Himmelskörpers zu verändern.
Sonnensegel
Etwas eleganter als ein kinetischer Impakt ist der Einsatz eines Sonnensegels. Dabei nutzt man die Tatsache aus, dass Sonnenlicht ebenfalls eine Kraft ausüben kann. Lichtteilchen haben zwar keine (Ruhe-) Masse, aber dank ihrer Geschwindigkeit trotzdem einen Impuls(öffnet im neuen Fenster) , also eine gewisse Wucht, mit der sie beim Aufprall auf ein anderes Objekt Kraft übertragen können.
Die Kraft eines einzelnen Lichtteilchens ist sehr gering, aber wenn sehr viele Teilchen auf eine sehr große Fläche treffen, dann entsteht ein merkbarer Effekt. Ein Raumfahrzeug kann mit einem Sonnensegel ausgestattet werden und das Licht der Sonne so nutzen wie ein normales Segelboot auf der Erde den Wind.
Auch das wurde schon getestet. Im Mai 2010 startete die japanische Weltraumagentur Jaxa die Mission Interplanetary Kite-craft Accelerated by Radiation Of the Sun (Ikaros). Ein kleines Raumfahrzeug wurde mit einem Sonnensegel ausgestattet und sollte sich damit durchs All bewegen. Die Mission verlief erfolgreich und das 173 Quadratmeter große Segel funktionierte genau so wie geplant.






Die Folie, aus der das Segel besteht, ist nur 7,5 Mikrometer dick, so dass es sehr kompakt zusammengefaltet werden kann und trotz seiner Größe nur 2 Kilogramm wiegt. Man muss also viel weniger Masse in den Weltraum bringen, als es bei einem konventionellen Antrieb der Fall wäre. Würde ein Segel auf einem Asteroiden verankert, ließe sich auch damit seine Geschwindigkeit verändern.
Den Asteroiden anmalen
Es gibt natürlich auch noch jede Menge andere und exotischere Methoden, wie man die Bahn eines Asteroiden verändern kann. Man kann ihn zum Beispiel anmalen. Dabei nutzt man den sogenannten Jarkowski-Effekt aus, der beschreibt, wie kleine Himmelskörper Wärme aufnehmen und reflektieren.
So wie die Erde rotiert auch ein Asteroid um seine Achse, und auch dort ist die Tagseite wärmer als die Nachtseite. Wenn sich die Tagseite in die Nacht hinein dreht, kühlt sie aus; die Nachtseite, die sich in den Tag hinein dreht, wärmt sich auf. Diese Vormittagsseite des Asteroiden ist also immer etwas kühler als die Nachmittagsseite.
Je wärmer aber die Oberfläche ist, desto mehr Wärme gibt sie auch wieder ab. Die Nachmittagsseite strahlt deswegen mehr Infrarotstrahlung ins All ab als die Vormittagsseite. Bei der Abstrahlung von Wärme entsteht der gleiche Effekt, der auch beim Sonnensegel zum Tragen kommt. So wie Licht ist auch Wärme elektromagnetische Strahlung, und wenn sie an einer Oberfläche reflektiert beziehungsweise abgegeben wird, wirkt auch hier eine Kraft.
Durch die unterschiedlich warmen Seiten des Asteroiden ist dieser Effekt asymmetrisch und es entsteht insgesamt eine Kraft, die von der Nachmittagsseite weg zeigt. Der Asteroid ist quasi sein eigenes Sonnensegel, und der Jarkowski-Effekt verändert seine Bahn langsam, aber sicher.
Auch dieser Effekt konnte schon in der Realität beobachtet werden. Die Bahn des knapp einen Kilometer großen Asteroids Golevka konnte mit Radarmessungen zwischen 1991 und 2003 sehr exakt bestimmt werden. Dabei zeigte sich, dass er sich 3,7 Meter von der Stelle entfernt befand, an der er sich eigentlich befinden musste, wenn man nur die rein gravitative Wechselwirkung zwischen den Himmelskörpern berücksichtigt.
Die Differenz entstand durch den Jarkowski-Effekt, der den Asteroiden in den zwölf Jahren ein kleines bisschen zur Seite schob. Für die Asteroidenabwehr könnte man den Jarkowski-Effekt gezielt einsetzen und den Asteroiden dazu mit spezieller reflektierender Farbe bemalen, um die asymmetrische Wärmeabstrahlung zu verstärken.
Den Asteroiden abschleppen
Man kann sich aber auch rein auf die Gravitationskraft verlassen. Ein Raumschiff hat ebenso eine bestimmte Masse wie ein Asteroid, und das Gravitationsgesetz besagt, dass sich alle Körper mit Masse gegenseitig anziehen. Würde man mit einem Raumschiff zu einem Asteroiden fliegen und die beiden Objekte sich selbst überlassen, würden sie sich gegenseitig anziehen, sich immer näher kommen und irgendwann miteinander kollidieren.
Bewegt man aber das Raumschiff vom Asteroiden weg, bevor es zur Kollision kommt, dann wird der Himmelskörper dank der anziehenden Gravitationskraft folgen! Sie wirkt hier wie ein unsichtbarer Traktorstrahl aus der Fernsehserie Star Trek und erlaubt es, den Asteroiden langsam aus der Gefahrenzone zu schleppen.
Das dauert allerdings ein wenig. Im Jahr 2008 haben Wissenschaftler der Nasa die Methode am Beispiel eines 140 Meter großen Asteroiden berechnet ("Using a Gravity Tractor to Help Mitigate Asteroid Collisions with Earth"). Ein Raumschiff mit einer Masse von einer Tonne, das sich dem Asteroiden bis auf 150 Meter nähert, könnte seine Geschwindigkeit jeden Tag um 0,8 Millimeter pro Stunde verändern.
Das ist nicht viel, aber wenn dieser Gravity Tractor einige Jahre lang im Einsatz ist, kann die Bahn eines Asteroiden ausreichend stark geändert werden, um eine Kollision zu verhindern. Andere Berechnungen zeigen(öffnet im neuen Fenster) , dass diese Methode auch bei bekannten und potenziell gefährlichen Asteroiden wie zum Beispiel Apophis(öffnet im neuen Fenster) funktionieren kann.
Zeit ist Grundvoraussetzung
Zeit ist der wichtigste Aspekt bei der gesamten Asteroidenabwehr: Man muss die gefährlichen Himmelskörper früh genug entdecken. Alle oben genannten Methoden brauchen einige Jahre oder gar Jahrzehnte, um die Bahn eines gefährlichen Objekts ausreichend zu ändern. Entsprechend lang muss also die Vorwarnzeit sein, und darum sind Initiativen wie die Asteroid Grand Challenge der Nasa auch so wichtig. Es nützt uns überhaupt nichts, wenn wir ausgeklügelte Methoden zur Asteroidenabwehr entwickeln, aber keine Zeit mehr haben, sie auch anzuwenden.
Die rechtzeitige Entdeckung ist wichtig
Die gefährlichen Asteroiden müssen rechtzeitig entdeckt werden und das ist im Vergleich zu den komplexen Weltraummissionen recht einfach. Man braucht dazu keine riesigen Teleskope; schon einfache Hobbyinstrumente sind dazu in der Lage. Viele der Asteroiden werden auch tatsächlich von Hobbyastronomen und nicht von professionellen Wissenschaftlern entdeckt.
Leider gibt es trotzdem noch immer kein globales Such- und Überwachungsnetzwerk, sondern nur einige nationale Beobachtungsprogramme, die nicht den gesamten Himmel abdecken können. Es wird geschätzt, dass bis jetzt 95 Prozent aller erdnahen Asteroiden entdeckt wurden, die größer als einen Kilometer sind.
Ein kleines Teleskop und entsprechendes Personal zur Suche nach Asteroiden sind im Vergleich zu einer Weltraummission günstig. Angesichts der potenziellen Folgen eines Asteroideneinschlags wäre dieses Geld auch gut investiert - trotzdem wird die Bedrohung von den politischen Entscheidungsträgern nur selten ernst genommen und die Fördergelder reichen für eine lückenlose Überwachung des Weltraums nicht aus.
Die Asteroid Grand Challenge der Nasa könnte das ändern. Asteroideneinschläge sind eine Bedrohung für die Erde und für uns Menschen. Aber wir sind ihnen nicht völlig hilflos ausgeliefert. Im Gegensatz zu den Dinosauriern haben wir ein Raumfahrtprogramm und trotz aller Einsparungen eine recht gute Chance, solche Katastrophen zu verhindern.



