Keine Auslieferung bei politischen Straftaten
Richterin Baraitser musste in der Anhörung nicht die Frage klären, ob die von den USA gegen Assange erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffen. Dem Auslieferungsabkommen von 2003 (PDF) zwischen beiden Ländern zufolge sind eher formale Fragen zu prüfen. Allerdings ist bei "politischen Straftaten" eine Auslieferung nicht zulässig. Keine Rolle spielt hingegen, dass Assange australischer Staatsbürger ist und die angeblichen Vergehen nicht in den USA begangen wurden.
Nach Angaben Hoffmanns machten Assanges Anwälte neben politischen Motiven noch eine ganze Reihe weiterer Gründe gegen die Auslieferung geltend. Dazu zählten der angeschlagene Gesundheitszustand des 49-Jährigen, eine zu befürchtende unmenschliche Behandlung in US-Gefängnissen und Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Denn Großbritannien hat auch internationale Vereinbarungen wie die UN-Folterkonvention unterzeichnet.
Trumps "Krieg gegen den Journalismus"
Was die politischen Motive betrifft, so verwiesen die Anwälte unter anderem auf den "Krieg gegen den Journalismus", den der scheidende US-Präsident Donald Trump ausgerufen haben soll. So habe der frühere FBI-Direktor James Comey davon berichtet, dass Trump sich Gedanken über der Verfolgung von Leaks und die Verhaftung von Journalisten gemacht habe. Comey erwähnte eine Diskussion im Weißen Haus mit Trump, in der er dem Präsidenten gesagt habe, es sei rechtlich schwierig, Reporter ins Gefängnis zu bringen, aber er sehe den Wert davon, "ein Exempel zu statuieren", indem gegen eine Enthüllung vorgegangen werde. Trump habe daraufhin geantwortet: "Sie [die Journalisten] verbringen ein paar Tage im Gefängnis, lernen einen neuen Freund kennen und sind bereit zu reden." Doch Trump begnadigte bekanntlich lieber verurteilte Kriegsverbrecher als Personen wie Assange, die solche Kriegsverbrechen aufgedeckt haben.
In den USA hat die im ersten Verfassungszusatz garantierte Meinungsfreiheit eine besondere Bedeutung, so dass gegen die Medien, die die von Wikileaks bereitgestellten Inhalte auswerteten, bislang nicht vorgegangen wurde. Laut Hoffmann hoben Journalismusexperten in der Anhörung die Bedeutung von Wikileaks für die Medien hervor. Nur auf Basis der veröffentlichten Dokumente sei es möglich gewesen, an Fakten zu gelangen, die die Regierungen verheimlichen wollten. Die unterschiedliche Behandlung des Falles Wikileaks durch die US-Regierung zeige auch die Tatsache, dass gegen die in den USA ansässigen Plattformen Cryptome.org und Archive.org nicht vorgegangen wurde, obwohl dort die ungeschwärzten Botschaftsdepeschen immer noch zugänglich sind.
Präzedenzfall Lauri Love
Mit Blick auf den Gesundheitszustand Assanges gibt es in Großbritannien sogar einen ähnlich gelagerten Präzedenzfall, bei dem die Auslieferung an die USA untersagt wurde. So wurde der britische Hacker und Aktivist Lauri Love auch deswegen nicht an die USA ausgeliefert, weil bei ihm das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde und er unter Depressionen leidet. Beides trifft auch auf Assange zu.
Hinzu dürfte kommen, dass Assange in den USA vermutlich eine Art Isolationshaft drohen würde. Solche Bedingungen herrschen laut Medienberichten beispielsweise im Alexandria Detention Center in Virginia oder in der Penitentiary Administrative Facility in Florence im US-Bundesstaat Colorado. Der emeritierte Psychiatrie-Professor Michael Kopelman sagte dem Gericht auf der Grundlage von 19 Gesprächen mit Assange im Gefängnis von Belmarsh: "Ich wiederhole noch einmal, dass ich so sicher bin, wie es ein Psychiater jemals sein kann, dass Herr Assange im Falle einer bevorstehenden Auslieferung tatsächlich einen Weg finden würde, Selbstmord zu begehen." Aufseher haben in seiner Zelle bereits einmal eine Rasierklinge gefunden. Für Hoffmann dürfte es eine nicht unwichtige Rolle spielen, wie die Richterin diesen Fund in ihrer Entscheidung bewertet.
Doch die Vertreter der USA wollten die Argumente der Experten nicht gelten lassen. Laut Hoffmann versuchten sie permanent, die von der Verteidigung aufgebotenen Gutachter wissenschaftlich zu diskreditieren oder als parteiisch darzustellen.
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Assange-Auslieferung: Auf der dunklen Seite der Macht | Attacken gegen die Sachverständigen |
ich schau mir zumindest alle Seiten an dann ist man nicht so einseitig informiert wie du...
Zum Glück bestimmst nicht du, was hier diskutiert wird. Danke übrigens für deine Kritik.
Sie hat vor einer Stunde übrigens die Auslieferung abgelehnt. Hat wohl jemand zu wenig...
Das ist eine gute Grundlage damit Assange tatsächlich nicht ausgeliefert wird. Das ist...