Architektur des Internets: Entwickler wollen Protokolle ohne Ethik und Moral
Entwickler neuer Internetprotokolle sollen Menschenrechte berücksichtigen, fordern Experten der Internet Engineering Task Force - und befeuern damit eine philosophische Grundsatzdebatte: Darf die Architektur des Internets auf einem Wertesystem basieren?

Es geht um nicht weniger als die Grundregeln, nach denen zukünftige global gültige Internetprotokolle entwickelt werden sollen. Eine Expertengruppe der Internet Research Task Force (IRTF) hat nach über eineinhalb Jahren Diskussion die elfte Version ihres Entwurfs zum Thema Menschenrechte veröffentlicht. Ziel des informationellen Dokuments ist es, Entwickler zukünftiger Internetprotokolle dazu anzuregen, die Verteidigung universeller Menschenrechte bereits im Protokolldesign des Internets anzulegen. Doch viele wehren sich gegen eine Politisierung der Protokolle.
- Architektur des Internets: Entwickler wollen Protokolle ohne Ethik und Moral
- Darf das Internet ein eingebautes Wertesystem haben?
Die Autoren haben für den neuen RFC-Entwurf (Request for Comments) über 80 Fragen zum Thema Menschenrechte in 18 Kategorien gesammelt, die sich Protokollentwickler schon während der Arbeit stellen sollen. Diese reichen von "Könnte dein Protokoll irgendwie die Vertraulichkeit von Metadaten beeinflussen?" bis zu "Priorisiert dein Protokoll bestimmte Inhalte oder Dienste gegenüber anderen während des Routing-Prozesses?".
Können und sollen Protokolle politisch sein?
Die IRTF ist eine Schwesterorganisation der Internet Engineering Task Force (IETF), die seit über 30 Jahren für die Standardisierung grundlegender Internetprotokolle wie IPv6 oder TCP verantwortlich ist. Zwischen den beiden Organisation gibt es viele Überschneidungen, sie arbeiten auch eng zusammen. Die Arbeit über Menschenrechte ist in der IETF aber offenbar ein heikles Unterfangen. Deren Ingenieure sehen sich selbst und die von ihnen geschaffenen Protokolle oft eher unpolitisch und vor allem wertneutral.
"Es ist doch offensichtlich, dass es keinen Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Internetprotokollen gibt", ist die häufigste Reaktion, die sich Stéphane Bortzmeyer, der für den französischen Domainverwalter AFNIC in der IETF sitzt, anhören muss. "Es gibt eine Menge Leute in der IETF, die es vorziehen würden, unpolitisch zu bleiben", sagt auch Stephen Farrell, Security Area Director der IETF. Farrell hatte sich in der Entstehungsphase des Entwurfs immer wieder kritisch in die Diskussion eingeschaltet.
Noch deutlicher formuliert es aber Dan Harkins, Sicherheitsforscher beim Netzwerkdienstleister Aruba und langjähriger IETF-Contributor: "Eine solche Studie zu Menschenrechten wird technische Protokolle wahrscheinlich politisieren. Ich möchte nicht, dass die Technologie einen politischen Kontext bekommt. Stattdessen sollte sie so unpolitisch wie möglich sein."
Dahinter steht bei vielen die Sorge, dass die Standardisierungsprozesse des Internets, die bisher hauptsächlich von Ingenieuren und anderen Experten aus dem Westen dominiert wurden, in Zukunft allen möglichen politischen Interessen ausgeliefert sein könnten. Zu präsent ist der schwelende Konflikt mit der staatlich kontrollierten Fernmeldeunion ITU, der vorgeworfen wird, Regierungen in aller Welt zu mehr staatlicher Kontrolle über das Internet zu verhelfen.
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Darf das Internet ein eingebautes Wertesystem haben? |
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Naja, es reicht ja schon, wenn IPv7-Pakete Informationen über Geschlecht und...
Soweit die Theorie. In der Praxis wird nach Adresse, Protokoll etc. bewertet und Zeit...
Aber genau das ist doch momentan der Fall. TCP unterscheidet nicht nach Inhalten. Du...
Die Staaten und Firmen regeln sich selbst und den Bürgern bleibt im Zweifel nur der...
Richtig. Aber Du wirst die Politik nicht heraushalten können. Politik gehört dazu, immer.