Arbeitszeit im Homeoffice: Kein fertiges Handbuch, kein Geld?

Sind Unternehmen mit den Arbeitsergebnissen ihrer Beschäftigten unzufrieden oder glauben, diese hätten im Homeoffice nicht gearbeitet, dürfen sie das gezahlte Gehalt nicht einfach so zurückverlangen. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Mecklenburg-Vorpommern vom 28. September 2023(öffnet im neuen Fenster) hervor (Az. 5 Sa 15/23). Der Arbeitnehmer ist demnach nicht dafür verantwortlich, dass der gewünschte Erfolg eintritt. Es reicht aus, dass er ordnungsgemäß seine Aufgaben erledigt. Die Beweislast für die erbrachte bzw. nicht erbrachte Arbeitsleistung liegt beim Arbeitgeber.
Streit um Überarbeitung eines Pflegehandbuchs
Konkret ging es in dem Rechtsstreit um folgenden Fall: Eine diplomierte Pflegewirtin sollte für ihren Arbeitgeber ein Qualitätshandbuch für die Tagespflege und die ambulante Pflege überarbeiten. Die Bezahlung erfolgte auf Grundlage abgezeichneter Stundenzettel. Nachdem die Mitarbeiterin die gewünschte Überarbeitung nach rund drei Monaten nicht vorgelegt hatte und einen Monat krankgeschrieben war, kündigte der Arbeitgeber ihr.
Zudem forderte er die Rückzahlung des Bruttolohns für 300,75 Arbeitsstunden im Homeoffice in Höhe von insgesamt 7.112,74 Euro und erklärte die Aufrechnung mit noch offenen Lohnansprüchen. Der Arbeitgeber warf der Pflegewirtin vor, sie habe in der per Stundenzettel angegebenen Arbeitszeit "bewusst und gewollt keinerlei Arbeitsleistung erbracht" und wahrheitswidrig vorgetäuscht, das Qualitätshandbuch fertiggestellt zu haben.
Damit war die Pflegewirtin nicht einverstanden. Sie argumentierte, dass sie sehr wohl gearbeitet habe. Das ergebe sich aus der E-Mail-Korrespondenz, die sie mit dem Unternehmen in diesem Zeitraum geführt habe. Die Mitarbeiterin hatte mehrere Dokumente geschickt, darunter einen kompletten Fortbildungsplan sowie einige Verfahrensanweisungen etwa für eine Sturzprophylaxe, zum Umgang mit Mangelernährung und zum Schmerzmanagement. Darüber hinaus hatte sie ihren Arbeitgeber um mehrere Auskünfte gebeten.
Arbeitgeber muss Nichterfüllung der Arbeitspflicht nachweisen
Das LAG entschied, dass der Mitarbeiterin der Arbeitslohn für die Erstellung des Handbuches zustehe. Der Arbeitgeber habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Beschäftigte ihre Arbeitspflicht nicht erfüllt bzw. keine Arbeitsleistung erbracht habe. Dagegen spreche die E-Mail-Korrespondenz der Beschäftigten mit dem Arbeitgeber, die mehrere Dateien als Anhänge enthalten habe.
Eine Arbeitsleistung müsse nicht in der gewünschten Zeit beziehungsweise dem geforderten Umfang erbracht werden. Vielmehr reiche es aus, dass die Mitarbeiterin unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit gearbeitet habe. Dies habe der Arbeitgeber nicht konkret infrage gestellt. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
Frühere Gerichtsentscheidungen
Dass in der Regel der Arbeitgeber beweisen muss, dass ein Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, entschieden Gerichte bereits mehrfach ( LAG Thüringen, Urteil vom 17.2.2009(öffnet im neuen Fenster) (Az. 1 Sa 239/08); LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.2.2007(öffnet im neuen Fenster) (Az. 3 Sa 319/06); LAG Köln, Urteil vom 30.4.2003(öffnet im neuen Fenster) (Az. 3 Sa 756/02)). Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bezog sich in seiner Urteilsbegründung auch auf frühere Fälle.
Schwierige Beweispflicht
Dass Arbeitgeber es schwer haben, diesen Beweis zu erbringen, wird vor allem an der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Thüringen deutlich. Dabei ging es um einen Arbeitnehmer, der als Lagerist in einem Autohaus tätig war. Der Arbeitgeber kürzte ihm den Lohn, weil er ihm unter anderem vorwarf, er sei teilweise nicht zur Arbeit gekommen und habe während der Arbeitszeit Alkohol getrunken.
Das Gericht entschied jedoch, diese Vorwürfe rechtfertigten keine Lohnkürzung. Es sei unklar, in welchem konkreten Umfang die monierten Fehlzeiten angefallen seien und ob der Arbeitnehmer wegen des angeblichen Trinkens von Alkohol tatsächlich unzureichend seiner Arbeitspflicht nachgekommen sei. Unter Umständen komme aber eine Abmahnung beziehungsweise Kündigung infrage.
Bei den genannten früheren Fällen waren die Arbeitnehmer allerdings nicht im Homeoffice, sondern im Betrieb tätig. Insofern konnten die Arbeitgeber besser prüfen, ob die Beschäftigten sich an ihrem Arbeitsplatz aufhielten und was sie dort machten. Bei Tätigkeiten im Homeoffice gestaltet sich das naturgemäß schwieriger. Insofern war bislang unklar, wie Gerichte in solchen Fällen entscheiden. Von daher ist es von Bedeutung, dass laut LAG Mecklenburg-Vorpommern die gleichen Grundsätze gelten. Allerdings kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass andere Gerichte dieser Auffassung folgen werden.
Mögliche Ansprüche verfallen
In einigen Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen ist derweil geregelt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer Lohnansprüche innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend machen müssen. Beispielsweise verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst ( TVöD(öffnet im neuen Fenster) ), wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Manchmal ist diese Frist auch kürzer und beträgt nur drei Monate. Dessen ungeachtet können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach drei Jahren auf die Einrede der Verjährung berufen. Dies ergibt sich aus der Vorschrift von § 195 BGB(öffnet im neuen Fenster) .



