Willkommen im Support der Steinzeit!
Die interne Organisation in der Behörde war das pure Chaos. Es gab kein Ticketsystem für den Support, fast alles lagerte in Word- und PDF-Dateien. Willkommen im Support der Steinzeit! Nach einiger Zeit habe ich mich getraut und dem Teamleiter vorgeschlagen, ein Ticketsystem einzuführen. Es sollte die Arbeitsverteilung und Organisation des Supports erleichtern, insbesondere deshalb, weil wir fünf im IT-Team auf fünf Standorte verteilt waren.
Ich schlug auch vor, eine zentrale Hotline einzuführen, um unsere Kollegen mit IT-Problemen betreuen zu können. Außerdem riet ich dazu, ein Dokumentenmanagementsystem zu nutzen, um Wissen aus unseren Einsätzen zentral aufzubauen und in Prozesse zu gliedern. Der erste Versuch einer Veränderung scheiterte, weil mein Teamleiter zwar ein großes IT-Verständnis hatte, aber an seiner Arbeitsweise und der des Teams nichts ändern wollte.
Der Mann ist über 50 und seit 25 Jahren im öffentlichen Dienst. Er war stets freundlich und immer erreichbar bei Problemen oder Fragen. Aber wenn es um Veränderungen in den Arbeitsabläufen ging, war er grundsätzlich skeptisch. Das Chaos war zum Alltag geworden und ohne Chaos hätte ihm wohl etwas Grundlegendes gefehlt.
Einige Wochen später fand ein Treffen mehrerer Dutzend ITler aller möglichen Behörden statt, organisiert von der Oberbehörde. Die schlug die Einführung eines Ticketsystems vor, aber es gab zu viele Gegenstimmen. Deshalb wurde das Thema ausgesetzt.
Ich habe kurz danach gekündigt, den Alptraum öffentlicher Dienst nach einem halben Jahr beendet. Der Job hat mich demotiviert, gelangweilt und an mir selbst zweifeln lassen. Seitdem hege ich eine gewisse Abneigung gegenüber Stellenangeboten aus dem öffentlichen Dienst.
Die Arbeit lang ziehen wie Kaugummi
In meiner Behörde wurde definitiv weniger gearbeitet als in der freien Wirtschaft. Wenn ein Kollege mit seinem Rechner Probleme hatte, war dessen Lösung nicht wirklich dringend. Die Leute sind es gewohnt, ihre Zeit totzuschlagen. Ich hatte an mehreren Tagen der Woche nachmittags nichts mehr zu tun, weil ich nicht der Typ bin, der wenig Arbeit über den langen Tag so hinzieht, dass immer etwas zu tun ist.
Vor lauter Langeweile habe ich mal die Pappe von einer LKW-Ladung neuer PCs entsorgt, bis mich ein Kollege darauf hingewiesen hat, dass dafür der Hausmeister zuständig ist. Sonst hat der ja nichts mehr zu tun. Um die Zeit nicht sinnlos totschlagen zu müssen, habe ich mich teilweise privat während der Arbeitszeit fortgebildet oder Fachartikel gelesen. Dazu wurden wir vom Vorgesetzten sogar aufgefordert. Vielleicht, weil es dann weniger offensichtlich ist, dass man nichts zu tun hat. So starrt man wenigstens in den Bildschirm. In eine Behörde passen Menschen, die sich keinen Druck machen lassen und die Arbeiten lang ziehen können wie Kaugummi.
Alles dauert länger
Weniger Arbeit - weniger Geld. Man könnte meinen, das sei gerecht. Ist es aber nicht. In großen und wichtigen Behörden, die meist in Zentren ihren Sitz haben, müssen die ITler schon ordentlich etwas leisten, das habe ich in der Zusammenarbeit mit übergeordneten Stellen gelernt. Verdienen tun sie aber genauso viel wie ein ITler in einem kleinen Amt in der Provinz. Behörden pauschalieren halt alles. Das ist ein großes Problem für die Beschäftigten dort.
Auch die Bürokratie. Im Amt dauert alles länger als in privaten Unternehmen. Die wenigsten Mitarbeiter haben Diensthandys, in den Ämtern gibt es kein WLAN und fast keine Behörde ist in den sozialen Netzwerken aktiv, etwa fürs Personal-Recruiting. Für junge Leute wie mich ist das aber die zweite Heimat. Dem Personalrat der Behörde habe ich mal vorgeschlagen, neue Mitarbeiter in Social Media zu suchen. Das wurde sofort abgelehnt.
Dort hat mich mein jetziger Arbeitgeber gefunden. Seit März dieses Jahres arbeite ich in der Stiftung eines bekannten IT-Pioniers Deutschlands, auch im umfänglichen IT-Support. Eine Stiftung ist die ideale Mischung aus öffentlichem Dienst und freier Wirtschaft: Es ist kein Druck da, Geld verdienen zu müssen, aber genügend Geld für die IT. Diese Kombination sorgt für ein entspanntes Arbeiten und interessante Aufgaben, darin habe ich für mich die richtige berufliche Balance gefunden. Die Nähe zur Heimat ist da gar nicht mehr so wichtig: Für diesen Job und meine Freundin bin ich 500 Kilometer von zu Hause weggezogen.
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Arbeit im Amt: Wichtig ist ein Talent zum Zeittotschlagen |
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Er schrieb schon Details zu seiner Behörde. Hörte sich klein an.
Aktionismus kommt in keinem Beruf gut an in dem man nicht mindestens die Nummer Zwei in...
sorry, zur Region: Mein Arbeitgeber ist aus dem Ausland aber international tätig...
Nein! Doch! Ohh... Ist doch offensichtlich, über Probleme wird halt Berichtet, über...
Einen direkten Blick in's Amt für allgemeine Angelegenheiten findet man unter paterfelis...