Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Apple: Tim Cook muss kein Vision-Pro sein

Apple wird oft vorgeworfen, unter Tim Cook langweilig geworden zu sein. Aber braucht Apple wirklich Produkte wie das Vision Pro?
/ Tobias Költzsch , Daniel Ziegener
50 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Apple-CEO Tim Cook (Bild: Reuters)
Apple-CEO Tim Cook Bild: Reuters

Das Vision Pro ist gerade mal ein paar Wochen auf dem Markt, da scheint die Zukunft von Apples Vision des Computers der Zukunft schon wieder ungewiss zu sein. Einem Analysten zufolge soll der Konzern nicht nur die Produktion herunterfahren , sondern auch die Weiterentwicklung infrage stellen.

Sollte das Vision Pro tatsächlich floppen, wäre das eine Niederlage, die vor allem einer Person anzukreiden ist: Apples CEO Tim Cook. Der steht bis heute im Schatten seines verstorbenen Vorgängers Steve Jobs.

Das Vision Pro sollte wohl der nächste große Wurf werden, so wie es das iPhone im Jahr 2007 war. Apple wollte mit dem sogenannten Spatial Computing beweisen, dass man noch immer das revolutionäre und innovative Unternehmen ist, das man unter Jobs war. Aber braucht Tim Cook für Apples Erfolg überhaupt Produkte wie ein Auto oder das Headset Vision Pro?

Der Job eines Verwalters

Dabei ist es nicht zuletzt Cook zu verdanken, dass Apple zeitweise sogar das erfolgreichste Unternehmen der Welt war - zumindest wenn man die Marktbewertung als Maßstab nimmt. Im Juli 2023 erreichte Apple erstmals eine Marktkapitalisierung von über 3 Billionen US-Dollar. Finanziell läuft es beim Hersteller von iPhone, Mac, iPad und Apple Watch.

Apple zeigt Vision Pro Headset (WWDC 2023)
Apple zeigt Vision Pro Headset (WWDC 2023) (22:49)

Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs muss sich Apple den Vorwurf gefallen lassen, in den vergangenen Jahren immer langweiliger geworden zu sein. Neue iPhones ähneln immer öfter den Vorgängern, bei den iPads tut sich abseits von immer leistungsstärkeren Prozessoren nicht viel.

Steve Jobs wird auch über zwölf Jahre nach seinem Tod als der kreative Kopf hinter dem Erfolg von Apple beschrieben, als charismatischer Lenker, der bei Produktpräsentationen den Saal voll unter Kontrolle hatte. Cook hingegen gilt als Technokrat, als zahlenorientierter Manager, der manchmal vielleicht auch ein bisschen langweilig ist und lieber verwaltet als Innovationen schafft.

Apple läuft dem VR-Markt hinterher

Dass es über zehn Jahre gedauert hat, bis mit dem Vision Pro erstmals ein komplett unter seiner Ägide geschaffenes Gerät vorgestellt wurde, unterstreicht dies. Erste Gerüchte über ein Headset von Apple reichen bis 2017 zurück. Seitdem haben Unternehmen wie Meta ganze Produktzyklen an Virtual- und Mixed-Reality-Headsets herausgebracht. Apple ist kein Vorreiter, sondern läuft diesem Markt hinterher.

Der Fokus lag bei Apple in den letzten Jahren eindeutig auf Modellpflege - und Geldverdienen. So langweilig das verglichen mit den Jobs-Jahren erscheinen mag, so sehr muss man sich die Frage stellen: Sind Innovationen letzten Endes für Nutzer überhaupt noch relevant?

Das Vision Pro soll das Entertainment revolutionieren, ebenso das Arbeiten und die Kommunikation. Apple verwendet dafür den Marketingbegriff Spatial Computing, der letztendlich aber nur eine aufgehübschte Version von Virtual Reality ist.

Vision Pro mit den Problemen eines jeden VR-Headsets

Das Vision Pro wurde von Apple mit großem Tamtam angekündigt - zahlreichen Berichten zufolge lässt die Nachfrage aber stärker nach als erwartet. Dem Vision Pro könnte das gleiche Schicksal blühen wie vielen VR-Headsets: Die anfängliche Begeisterung bei den Nutzern weicht Ratlosig- und Bequemlichkeit. Und anders als von Apple suggeriert, ist das Vision Pro kein Vertreter einer neuen Produktkategorie, sondern schlicht ein weiteres teures VR-Headset.

Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass aus dem Vision Pro doch noch ein Erfolg wird. Apple ist entgegen seinem Ruf durchaus zu Kurskorrekturen in der Lage. Sei es, nach 14 Jahren endlich einen Taschenrechner auf seinen Tabletrechner zu bringen oder aber, ein extrem fehleranfälliges Keyboarddesign zurückzunehmen. Das beste Beispiel dafür ist die Apple Watch.

Denn auch Apples letzter Vorstoß in eine neue Produktkategorie startete nicht ohne Kritik. Im Gegenteil: 2015 gingen Marktforscher noch von einem Flop aus. Ähnlich wie beim Vision Pro sorgte der hohe Preis der vergoldeten Luxusvariante für Spott und die kurze Akkulaufzeit für Häme. Während das erste iPhone bereits ein gutes Smartphone war, war die erste Apple Watch keine herausragende Smartwatch.

Bei der Watch hat Apple schnell gelernt

Seitdem hat Apple viel getan. Schon die zweite Version von WatchOS adressierte viele Kritikpunkte. Heute könnte man die Apple Watch sogar als Goldstandard für Smartwatches bezeichnen - vielleicht gerade, weil Apple sich von dem Modell in Gold verabschiedet hat.

Cook selbst bezeichnete den enttäuschenden Launch als Lernphase und machte damit ein öffentliches Eingeständnis, das man Apple unter der Führung von Steve Jobs wohl kaum zugetraut hätte. Auch Apple-Fans ziehen Vergleiche zwischen Watch und Vision. Zu sehr überstrapazieren sollte man die Parallelen zur langsamen Erfolgsgeschichte der Smartwatch allerdings nicht.

Tim Cook ist kein Revolutionär - aber Apple braucht keine Revolution

Die Entwicklung Apples der letzten Jahre zeigt, dass der Hersteller vermeintlich disruptive Innovationen wie das - technisch sicherlich beeindruckende - Vision Pro eigentlich nicht nötig hat. Der Markt ist heute ein anderer als zu Steve Jobs' Zeiten. Smartphones, Laptops und Tablets sind von der Haptik und dem Komfort her die besten Formfaktoren für Helfer im Alltag. VR-Headset, KI-Pins, Brillen mit KI-Kameras - alles nett, aber am Ende im Alltag unpraktisch.

Für Apple-Nutzer ist eine bessere Kamera im iPhone nützlicher als ein VR-Headset oder ein Apple-Auto. Mehr Akkulaufzeit beim iPad, schnellere Chips beim Macbook, bessere Displays, schönere Fotos - Tim Cooks Kurs der letzten Jahre war für den durchschnittlichen Apple-Nutzer der Richtige.

Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass dem Unternehmen dabei natürlich der Umstand hilft, dass viele Nutzer nach Jahren der Nutzung von Apple-Geräten der Umstieg auf ein anderes System schwerfallen dürfte. Apple ist der einzige Anbieter von Smartphones mit iOS, Laptops mit MacOS und Tablets mit iPad OS - wer beispielsweise ein anderes Smartphone mit iOS haben möchte, kann nur ein anderes iPhone wählen. Dieser goldene Käfig dürfte die Abwanderung von Nutzern, wie es sie bei Android-Herstellern gibt, deutlich reduzieren.

Auch eine gute Modellpflege kann innovativ sein

Im gesättigten Markt von heute ist besonders für Apple mit seinem geschlossenen System eine gute Produktpflege wichtiger als vermeintlich disruptive neue Ideen. Die kann Tim Cook anderen CEOs überlassen, beispielsweise Mark Zuckerberg, der sich mit dem Metaverse deutlich verkalkuliert hat.

IMHO ist der Kommentar von Golem.de [IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach)].


Relevante Themen