Zum Hauptinhalt Zur Navigation

Apple Intelligence: Apple macht Politik auf dem Rücken seiner User

Der iPhone -Konzern nutzt seine Marktmacht zur Stimmungsmache gegen unliebsame Gesetze - und beweist damit, wieso die Regulierung so wichtig ist.
/ Daniel Ziegener
151 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)
Apple und die EU führen eine angespannte Beziehung. (Bild: KI-generiert mit Bing Image Creator/Golem.de)
Apple und die EU führen eine angespannte Beziehung. Bild: KI-generiert mit Bing Image Creator/Golem.de

Die EU ist ein ebenso kompliziertes wie missverstandenes Konstrukt. Wenn man an die Staatengemeinschaft denkt, kommen vielen zuerst einmal Klischees von der bürokratischen Regulierung krummer Gurken(öffnet im neuen Fenster) in den Sinn. Heute ist sie nicht nur der Lieblings-Sündenbock der neuen Rechten , sondern auch jener von US-amerikanischen Techkonzernen.

Konzernen wie Apple, die sich an unliebsamer Regulierung wie dem Digital Markets Act stören. Der iPhone-Macher folgt nur widerwillig und unter großem Gezeter den Regeln dieses DMA - und selbst das nur unzureichend, wie die Europäische Kommission nach einer vorläufigen Untersuchung nun urteilte und eine Milliardenstrafe androht.

Doch statt den gesetzlichen Vorgaben seines am Umsatz gemessen zweitgrößten Marktes(öffnet im neuen Fenster) einfach nachzukommen, lässt sich der Konzern weiter zu Ankündigungen hinreißen, die bestenfalls passiv-aggressiv wirken - und im schlimmsten Fall populistische Erzählungen bedienen.

Irgendwas mit "regulatorischen Unsicherheiten"

Worum es geht: In einem knappen Statement ließ Apple seine europäischen Nutzer am Freitag wissen, dass sie auf einige der erst jüngst angekündigten Features von iOS 18 länger warten müssen als der Rest der Welt.

Schuld sein sollen die Regularien der EU - doch Apple bleibt selbst eine Erklärung schuldig. Die "regulatorischen Unsicherheiten, die durch den Digital Markets Act entstanden sind" seien der Grund, dass Apple sich nicht in der Lage sieht, Funktionen wie iPhone Mirroring und Apple Intelligence "unseren EU-Nutzern in diesem Jahr anbieten zu können" , so der Konzern.

Dass Apples KI-Features erst im Spätsommer und ohnehin zunächst in einer eingeschränkten Betaversion erscheinen sollen und die Timeline darüber hinaus noch gar nicht feststeht, bleibt in der zwei Absätze kurzen Stellungnahme unerwähnt. So entsteht über die Schlagzeilen vor allem der Eindruck, dass die EU sich selbst technologisch abhängt.

Nachrichtenwert gering, populistische Wirkung groß

Der Nachrichtenwert dieser Ankündigung ist angesichts der auch für den Rest der Welt noch offenen Releasetermine fragwürdig. Interessanter ist das Timing. Apple veröffentlichte die Pressemeldung wenige Tage, bevor die Europäische Kommission das vorläufige Ergebnis ihrer Untersuchung bekannt gab.

Ob beabsichtigt oder nicht, funktioniert das als Ablenkungsmanöver verständlicherweise gut. Das Versprechen eines nützlichen neuen Features auf dem iPhone wirkt unmittelbar auf den Alltag, irgendein Bußgeld wegen einer komplexen Kartellrichtlinie der EU nicht. Hängen bleibt so nicht, dass ein Konzern sich nicht ausreichend an die Gesetzgebung hält, sondern dass die EU den Kunden etwas wegnimmt.

Den Ruf als bürokratischer Innovationsfeinde hat die Europäische Union ohnehin weg, spätestens, seit Webseitenbetreiber weltweit auf die DSGVO mit den nervigstmöglich umgesetzten Cookie-Bannern reagiert haben. ( Das soll bald übrigens endlich vereinfacht werden .)

Apple setzt den DMA bisher nur widerwillig um

Dabei ist gerade die Privatsphäre Apples großes Alleinstellungsmerkmal - und wichtiger denn je, denn der Konzern ist nunmehr das drittwertvollste Unternehmen der Welt, nachdem es dank KI-Hype von Microsoft und Nvidia überholt wurde. Gerade bei seinen KI-Features stellt Apple diese in den Vordergrund , um sich von der in der EU äußert kritisch begutachteten Konkurrenz von OpenAI abzuheben.

Dass Apple kein Fan des DMA ist, daraus machte der Konzern bisher kaum ein Geheimnis . Malicious Compliance beschreibt Apples Verhalten am besten, also eine bösartige Auslegung der Regeln. Dennoch haben diese dem Konzern einige der wohl größten Eingeständnisse abringen können, seit das iPhone auf den Markt gekommen ist: Die Öffnung von iOS für alternative App Stores und die Einführung eines einheitlichen USB-C-Anschlusses .

Wie auch bei diesem Feature, das der EU zu verdanken ist, versucht das Unternehmen aber Verunsicherung zu streuen. Jede Öffnung seiner extrem geschlossenen Plattform würde die Sicherheit der Nutzer gefährden, argumentiert Apple bereits seit Jahren. Und das, obwohl Apple es bei seinem Desktop-Betriebssystem macOS ja auch irgendwie schafft , Malware im Zaum zu halten.

Am Ende entscheidet Apple, was Apple macht

Wirklich erklären, vor welchen konkreten Herausforderungen die "Interoperabilitätsanforderungen" der EU den Konzern stellen, kann Apple auch auf Nachfrage nicht.

Apple wäre besser beraten, seine Verhandlungen mit der EU-Kommission lösungsorientierter auf diese direkte Abstimmung zu beschränken, statt sie öffentlich über Pressemitteilungen zu führen, die ähnliche Narrative bedienen wie die, die sich rechtspopulistische EU-Skeptiker zu eigen machen .

Die Überschrift "Apple führt KI in Europa wegen Regulierung nicht ein" ist nicht per se falsch. Sie bedient aber auch die Erzählung des Konzerns. Ebenso könnte es nämlich heißen: "Apple führt KI in Europa wegen Auflagen gegen Missbrauch von Marktmacht nicht ein" . Oder: "Apple sieht sich nicht in der Lage, KI gesetzeskonform umzusetzen" .

Dass ein Konzern, der im Jahr dreistellige Milliarden-Umsätze generiert und sich nicht in der Lage sieht, seine Features in Einklang mit den Richtlinien eines Marktes zu bekommen, der ihm allein im letzten Quartal Nettoeinnahmen von 36 Milliarden US-Dollar(öffnet im neuen Fenster) einbrachte, wäre ein Armutszeugnis. Und Armut ist, wie diese Geschäftszahlen zeigen, ansonsten ja kein Problem für Apple.


Relevante Themen