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Android Wear 2.0 im Hands on: Googles Aufholjagd mit Komplikationen

Android Wear bekommt mit der Version 2.0 eine neue Benutzeroberfläche, zudem gibt es neue Eingabemethoden und Komplikationen für Ziffernblätter. Golem.de hat sich die Vorschauversion angesehen und war von einigen neuen Funktionen positiv überrascht.
/ Tobias Költzsch
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Android Wear 2.0 auf einer Huawei Watch (Bild: Martin Wolf/Golem.de)
Android Wear 2.0 auf einer Huawei Watch Bild: Martin Wolf/Golem.de

Google hat hier Verbesserungspotenzial erkannt und auf seiner Entwicklerkonferenz Google I/O 2016 die Version 2.0 vorgestellt . Gleichzeitig wurde eine Vorschauversion für Entwickler verfügbar gemacht. Eine neue Benutzeroberfläche, erweiterte Eingabemethoden und Komplikationen für die Ziffernblätter sollen das Betriebssystem für Wearables verbessern.

Golem.de hat die Vorschauversion von Android Wear 2.0 auf einer Huawei Watch installiert und sich das Update genau angeschaut. Wir wollen wissen, ob sich anhand der Testversion schon sagen lässt, ob Google es schafft, mit der neuen Version von Android Wear die Konkurrenz von Samsung wieder einzuholen. Das, was wir jetzt schon sehen können, gefällt uns.

Ein Knopf, der etwas taugt

Eine der auffälligsten Neuerungen von Android Wear 2.0 ist, dass der Knopf, den die meisten neueren Smartwatches mittlerweile haben, jetzt tatsächlich eine Funktion hat. Mit ihm wird die App-Übersicht aufgerufen statt über eine Wischgeste auf dem Display der Uhr. Für uns ist das ein sinnvoller Schritt; ein Knopf an einer Smartwatch ist als Startbutton für die App-Übersicht praktisch - auf jeden Fall praktischer als ein bloßer Zurück-Knopf.

Die App-Übersicht hat Google neu gestaltet. Statt wie bisher in großen Symbolen untereinander werden die installierten Apps jetzt in einem Halbkreis alphabetisch angeordnet. Diese Auflistung kann zügig durchgescrollt werden, selbst bei vielen installierten Apps sind wir schnell am Ende der Liste angelangt. Dadurch sind die gewünschten Apps schnell erreichbar.

Die zuletzt verwendeten drei Anwendungen werden am oberen Ende der Liste angezeigt. Eine separate Liste der zuletzt genutzten Apps gibt es nicht, die letzten drei sollten im Alltag allerdings ausreichen. Insgesamt haben wir den Eindruck, dass wir mit der neuen App-Übersicht schneller das finden, was wir suchen - eine Verbesserung, insbesondere im Hinblick auf eine zu erwartende größere Auswahl an Apps.

Eigenständige Anwendungen auf der Uhr

Die Apps können unter Android Wear 2.0 auch direkt auf der Uhr laufen und nicht mehr nur als Companion-App auf einer auf dem Smartphone installierten Anwendung. Solche Apps gibt es bisher kaum, das könnte sich mit Erscheinen des Updates aber ändern. Der große Vorteil ist, dass derartige Anwendungen auch dann funktionieren, wenn Nutzer das Smartphone zu Hause lassen - was etwa beim Sport praktisch ist. Smartwatches mit Android Wear 2.0 zeichnen zudem Schritte auf, die im Nachhinein mit dem Smartphone synchronisiert werden.

Benachrichtigungen zeigen mehr Informationen an

Bei den Benachrichtigungen setzt Google bei Android Wear 2.0 auf mehr Inhalte: Bei E-Mails etwa können wir schon einen recht großen Anteil des Textes lesen, ebenso bei Messenger- oder auch Facebook-Benachrichtigungen. Das liegt daran, dass unter Android Wear 2.0 die grafischen Elemente der Benachrichtigungen verkleinert wurden, etwa das kleine Bild des Absenders. So ist schlicht mehr Platz für Text auf dem kleinen Uhrendisplay, also auch mehr Platz für Informationen. Am Ende bestimmter Benachrichtigungen, etwa bei SMS, finden sich direkt Antwortvorschläge wie "Yes" oder "No".

E-Mails, Chat-Nachrichten und SMS lassen sich von der Android-Wear-Smartwatch aus ausführlicher beantworten - und zwar nicht nur mit vorgefertigten Textbausteinen und Emojis oder per Spracheingabe. Android Wear 2.0 bietet neben einer Displaytastatur die Möglichkeit, Texte direkt auf dem Bildschirm zu schreiben. Beide Eingabemethoden arbeiten mit einer Texterkennung, die einerseits Wortvorschläge unterbreiten und andererseits Rechtschreibfehler beseitigen soll.

Handschriftliche Erkennung funktioniert erstaunlich gut

Besonders die handschriftliche Eingabe funktioniert in unseren Tests ausgesprochen gut. Selbst verhältnismäßig krakelig geschriebene Wörter erkennt die Huawei Watch zuverlässig. Beim Schreiben bewegen sich die eingegebenen Buchstaben in einer guten Geschwindigkeit nach links, so dass flüssig geschrieben werden kann. Aktuell ist die Vorschauversion von Android Wear 2.0 auf Englisch beschränkt - handschriftlich eingegebene deutschsprachige Texte werden nicht erkannt.

Die Tastatur verbessert geschriebene Texte nicht automatisch, anders als die handschriftliche Eingabe. Stattdessen muss der Nutzer die verbesserten Wörter selber antippen. Das ist insofern nicht weiter störend, als das System in unseren Beispielen gleich sinnvolle Vorschläge für das kommende Wort gibt. Bestimmte geläufige Sätze lassen sich so ohne viel Tippaufwand eingeben. Auch hier unterstützt die Vorschauversion bisher nur englischsprachige Eingaben.

Wie bisher ist es möglich, Texte per Sprache einzugeben. In der Öffentlichkeit sind die beiden neuen Möglichkeiten aber unauffälliger, wenngleich sie für uns weiterhin nur eine Alternative zum "richtigen" Schreiben auf dem Smartphone darstellen. Für die schnelle, kurze Antwort zwischendurch sind Tastatur und Handschriftenerkennung aber sehr praktisch - oder, wenn der Nutzer sein Smartphone nicht greifbar hat, aber dennoch auf eine Nachricht antworten will.

Neue Ziffernblätter mit Komplikationen - bald

Eine weitere große Neuerung von Android Wear 2.0 betrifft die Watchfaces, also die unterschiedlichen Ziffernblätter der Smartwatch. Bisher gibt es davon bereits zahlreiche, die neben der Uhrzeit und dem Datum auch das Wetter, die zurückgelegten Schritte oder den Akkustand anzeigen können. Darüber hinaus fehlte die Möglichkeit, etwa Informationen anderer Apps auf dem Ziffernblatt anzuzeigen.

Dies soll unter Android Wear 2.0 möglich werden: Neue Watchfaces sollen Komplikationen ermöglichen, die auf Informationen installierter Anwendungen zugreifen und diese einblenden können. Wie das aussehen könnte, hat Google bei der Präsentation auf der Google I/O mit dem Watchface Ranger gezeigt - die aktuelle Version des Ziffernblattes hat allerdings noch keine neuen Komplikationen.

Noch keine Watchfaces mit neuen Komplikationen vorhanden

Wir konnten die neuen Komplikationen in unserem Test noch nicht testen, da es noch keine Watchfaces gibt, die sie unterstützen. Insofern steht hier ein Urteil noch aus - wir müssen warten, bis die ersten Programmierer entsprechende Ziffernblätter erstellt haben. Bereits jetzt ist allerdings schon sichtbar, dass die Auswahl der Watchfaces auf der Uhr übersichtlicher geworden ist.

Nutzer können ihre favorisierten Ziffernblätter in einer Auswahl ablegen, die sichtbar wird, wenn von links oder rechts in das Display gewischt wird. Nicht alle installierten Watchfaces werden angezeigt, was die Sache übersichtlicher macht. Über ein Plus-Symbol können weitere Ziffernblätter zur Auswahl hinzugefügt werden.

Vorschauversion ist noch nicht für den Alltag geeignet

Von der allgemeinen Leistung her ist die erste Vorschauversion von Android Wear 2.0 soweit funktionsfähig, als "daily driver", also ein im Alltag verwendbares System, würden wir sie allerdings noch nicht bezeichnen. Die Benutzeroberfläche reagiert oft träge, insbesondere, nachdem die Smartwatch einige Zeit gelaufen ist. Ein Neustart beschleunigt das System wieder, richtig flüssig läuft es aber nie.

Öfter stürzen Apps nach dem Start ab, starten wir sie direkt im Anschluss erneut, laden sie jedoch problemlos. Der Flugzeugmodus hat auf unserer Huawei Watch aktuell offenbar keine Auswirkungen: Auch wenn er aktiviert ist, erhalten wir weiter Benachrichtigungen, die Uhr ist zudem weiter mit dem Smartphone verbunden. Die jetzt veröffentlichte Version richtet sich allerdings primär an Entwickler, die ihre neuen Apps oder Watchfaces auf einem echten Gerät und nicht nur im Emulator ausprobieren wollen - da sind die gezeigten Fehler zu erwarten und akzeptabel.

Fazit

Google ist mit Android Wear 2.0 auf einem guten Weg, zur enteilten Konkurrenz von Apple und Samsung aufzuschließen. Vom Google-Now-lastigen Wearable-System entwickelt sich Android Wear mit der Version 2.0 weiter hin zu einem mehr auf Apps basierenden Betriebssystem, ohne die Karten aufzugeben. Das erweitert den Nutzungsumfang - ohne den Besitzer zu verpflichten, mehr Apps zu verwenden.

Die neue App-Übersicht ist praktisch, da Anwendungen schneller als bisher aufzufinden sind. Jetzt muss Google nur noch die Entwicklung eigenständiger Smartwatch-Apps vorantreiben, die sich zudem noch vernünftig auf dem kleinen Display bedienen lassen. Bisher liegen in diesem Punkt die Apple Watch sowie Samsungs Gear S2 vorne.

Einen Schritt zur besseren Bedienung hat Google mit den neuen Eingabemethoden getan. Besonders die Handschrifterkennung hat uns positiv überrascht: Texte lassen sich damit einfach und schnell eingeben, es bleibt zu hoffen, dass auch die deutsche Spracherkennung so zuverlässig funktioniert wie die englische. Mittellange oder längere Texte möchten wir allerdings auch in Zukunft lieber auf dem Smartphone eingeben.

Im vierten Quartal 2016 soll die fertige Version von Android Wear 2.0 erscheinen. Bis dahin sind im Abstand von ungefähr sechs Wochen verschiedene Milestone-Versionen und ein "Near-final"-Image geplant.


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