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Andor Folge 1 bis 3 rezensiert: Ein bisschen Blade Runner in Star Wars

In den ersten Minuten erinnert Andor an Ridley Scotts Blade Runner . Auch schafft die Serie etwas, das in Star Wars selten ist: einen Antihelden. Achtung, Spoiler!
/ Oliver Nickel
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Andor spielt fünf Jahre vor dem ersten Star-Wars-Film. (Bild: Disney)
Andor spielt fünf Jahre vor dem ersten Star-Wars-Film. Bild: Disney

Achtung! Wir besprechen in dieser Rezension Charaktere und Auszüge der ersten drei Folgen von Star Wars: Andor und gehen kurz auf den Spielfilm Rogue One: A Star Wars Story ein. Wer nichts wissen möchte, bevor er es selbst schaut, sollte ab hier nicht weiterlesen.

Nur wenig Licht leuchtet dem grimmig dreinschauenden Cassian Andor den Weg in eine dunkle Gasse in einer futuristisch wirkenden Stadt. Es ist Nacht. Drinnen tanzen merkwürdige Gestalten in kugelrunden Schaufenstern. Draußen regnet es ununterbrochen. Im Hintergrund hören wir Musik mit klassischen Instrumenten und Tönen aus dem Synthesizer.

Obwohl es so wirkt: Diese Szene ist nicht etwa aus einer Serie im Stile des Sci-Fi-Noir-Films Blade Runner(öffnet im neuen Fenster) . Sie ist aus Andor, einer neuen Star-Wars-Serie, die eine Vorgeschichte zum Krieg der Sterne erzählt, mit dem Protagonisten Andor und seinem Werdegang zu einer wichtigen Spielfigur im Kampf gegen das galaktische Imperium. Die Parallelen mit Blade Runner sind allerdings offensichtlich.

Dabei überrascht uns Andor positiv, denn es erzählt eine Star-Wars-Geschichte aus einer anderen Perspektive, abseits von mächtigen Jedi, fiesen Sith oder lasersicheren Mandalorianern. Andor ist düster, skrupellos und erwachsen - eine interessante Mischung aus Cyberpunk, Retrocharme und Star-Wars-Nostalgie. Es ist aber auch nicht perfekt.

Vom Langfinger zum Spion

Wie Blade Runner muss nämlich auch die Disney+-Serie lange Fahrt aufnehmen. In den ersten zwei Episoden werden diverse Charaktere eingeführt und Protagonist Cassian Andor, der wieder vom Star-Wars-Veteranen Diego Luna verkörpert wird, wird vor diverse Probleme gestellt. Es ist schnell klar, dass er in seiner Heimat nicht unbedingt beliebt ist: Überall hat er Schulden und Gefallen offen und muss sich mehr oder weniger legal durchs Leben schlagen.

Andor - Langer Trailer zur Star-Wars-Serie auf Disney
Andor - Langer Trailer zur Star-Wars-Serie auf Disney (02:24)

Und dann kommt es auch noch zu einem ungewollten Vorfall, der dem Langfinger die imperiale Polizei in blauen Uniformen auf den Hals hetzt. Sie wird geführt von einem unerfahrenen und übereifrigen Offizier namens Syril Karn (fabelhaft gespielt von Kyle Soller), der offensichtlich keine Ahnung von Feldeinsätzen hat und von seinen Untergebenen entsprechend wenig respektiert wird. Er und sein Team müssen bald feststellen, dass sie sich auf den falschen Fall eingelassen haben.

Andor ist nämlich nicht irgendein Dieb. Er geht sprichwörtlich über Leichen und kennt nur wenig Gnade, wenn es um den eigenen Vorteil geht. Showrunner Tony Gilroy schafft hier einen interessanten Charakter, den wir so im Star-Wars-Universum selten sehen. Andor ist wie Harrison Fords Rick Deckard in Blade Runner ein echter Antiheld. Seine Motivation ist weder nobel, noch dient sie (zunächst) dem Gemeinwohl. Andor würde in der Wirklichkeit wohl wenige Freunde haben. Und sein Schicksal im grandiosen Star-Wars-Film Rogue One spiegelt die Definition des Antihelden wider.

Etwas langsamer Serienstart

Bis zu diesem Punkt vergehen allerdings noch einige Jahre, denn die Serie Andor spielt im Jahr 5 BBY. Zum Verständnis: Das ist ein Akronym für Before Battle of Yavin und gilt im Star-Wars-Kanon als offizielle Zeitrechnung. Die Schlacht von Yavin umfasst den finalen Kampf der Rebellen-Allianz gegen den Todesstern im ersten Star-Wars-Film Episode 4: Eine neue Hoffnung und wird als Jahr Null angesehen, also 0 BBY(öffnet im neuen Fenster) .

Andor hat demnach ein paar Jahre Zeit, um die Geschichte unseres Protagonisten und den Aufstieg der Rebellen-Allianz abzuschließen. Bei der sehr langsamen Geschwindigkeit, die die ersten beiden Folgen vorlegen, halten wir das für eine knappe Zeit. Hier läuft Andor die Gefahr, erste Zuschauer zu verlieren und Kritik zu ernten.

Die würden ihre Entscheidung allerdings bereuen. Denn in der dritten Folge, die gleichzeitig mit den ersten beiden Episoden als Pilot veröffentlicht wurde, bekommen wir nicht nur einen extrem spannenden Aufbau und brodelnde Atmosphäre zu spüren. Auch stellt sich die dort gezeigte Actionszene als sehr kreativ und unterhaltsam heraus. Wir wollen direkt wissen, wie es mit unseren vielen Charakteren weitergeht.

Von denen gibt es schließlich eine ganze Menge - genauso wie Star-Wars-Magie.

Ein stotternder Droide in Andor

Andor hört immer dann auf, wie Blade Runner zu wirken, wenn es um die Welt drumherum geht. Das generell positiv gestimmte Star Wars ist mit dem düsteren Ridley-Scott-Universum eben nur bedingt kompatibel. In Blade Runner würde es weder Kinder im Dschungel noch einen putzigen Droiden mit Stotterfehler geben.

Moment: Kinder im Dschungel? Die Serie geht in den ersten drei Folgen auch auf die Herkunft von Cassian Andor ein, die auch eine primäre Motivation für den Protagonisten begründet. Wir finden allerdings: Die Rückblenden wollen so gar nicht in das Setting passen und wären auch mit weniger Laufzeit erzählt gewesen - vor allem, wenn wir am Ende die Auflösung dieser Hintergrundgeschichte sehen.

Andor mit dämlicher Hintergrundstory

Immer wieder wird die Serie für einen dieser belanglosen Rückblicke unterbrochen. Vor allem der Kinderschauspieler, der den jungen Andor spielt, kann den Charakter nicht gut rüberbringen. Das hat Lucasfilm mit der Besetzung einer jungen Prinzessin Leia in Obi-Wan Kenobi schon einmal besser gemacht.

Ansonsten sind die bisher eingeführten Charaktere allesamt auf ihre eigene Weise interessant. Da gibt es Bix Caleen (Adria Arjona), Mechanikerin und Freundin von Cassion Andor - nicht zu verwechseln mit dem Rebellen-Piloten Biggs Darklighter(öffnet im neuen Fenster) aus den Filmen. Sie wird wie Andors Freund Perrin (Alastair Mackenzie) in erste Scharmützel mit dem Imperium verwickelt. Ob sie wollen oder nicht: Sie werden schlussendlich wohl Teil der Rebellion, die am Ende als Sieger hervorgehen wird.

Der Droide B2EMO ist dabei einer der wenigen heiteren Aspekte in Andor und einer unserer Lieblingscharaktere. Wie von anderen aktuellen Star-Wars-Produktionen gewohnt, setzt das Studio auf eine animatronische Puppe, die dadurch umso lebensechter wirkt. Das gilt übrigens generell für die vielen Alien-Designs und die Kostüme, die meist eine Mischung aus praktischen und CGI-Effekten darstellen. Andor sieht, wie viele andere Star-Wars-Serien, hochwertig produziert aus.

Andor schafft es dabei wie keine andere Star-Wars-Produktion bisher, einen Blick in das normale Leben der Menschen und Aliens in der Welt zu werfen. So erreicht der mysteriös wirkende Rebellen-Agent Luthen Rael (Stellan Skarsgard) Andors Heimatstadt nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Flugshuttle erinnert mit seiner rot-braunen Lackierung an die Berliner S-Bahn.

Ein Blick in das Alltagsleben von Star Wars

An Bord erzählt ihm ein Einheimischer von den guten alten Zeiten. Früher konnte man eben noch einfacher in die Stadt kommen. Diese zunächst belanglos wirkenden Dialoge zeichnen ein realistischeres und nahbarer wirkendes Star-Wars-Universum und erinnern uns daran, dass die Galaxis eben nicht nur aus unbesiegbaren Superhelden und Schlachten epischen Ausmaßes besteht.

An vielen Stellen scheint zusätzlich die von uns so geschätzte Star-Wars-Magie durch, auch wenn wir danach etwas suchen müssen. So werden auf einem Schiffsmarkt Y-Wing-Bomber und andere Schiffe verkauft, die später das Rückgrat der Rebellen-Flotte sind. Das Schiff vom Luthen Rael ist von innen eingerichtet wie Han Solos Millennium Falcon, während Andor und Rael auf einem an Die Rückkehr der Jedi-Ritter erinnernden Speeder-Bike davonflitzen.

Dabei fliehen die beiden Figuren auf dem Speeder nicht nur vor dem Feind, sondern sprichwörtlich auch in ein völlig neues Kapitel der Serie. Wie Trailer bereits zuvor zeigten: Andor wird noch weitere wichtige Charaktere einführen. Mit dabei ist die Rebellen-Anführerin Mon Mothma (Genevieve O'Reilly), die bisher noch nicht zu sehen war. Auch begibt sich Cassian Andor auf Spionagemission und infiltriert das Imperium.

Andor wird auf Disney+ wöchentlich ausgestrahlt. Die erste Staffel soll zwölf Folgen umfassen. Eine zweite Staffel ist bereits bestätigt. Es kann also definitiv noch spannend werden um den Protagonisten und das Schicksal der Rebellen-Allianz.

Denn auch, wenn Andor sich gerade am Anfang ein wenig in die Länge zieht, weckt die dritte und bisher letzte Folge doch Lust auf mehr.


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