Amoklauf in München: De Maizière reanimiert Killerspiel-Debatte

Die Killerspiel-Debatte eignet sich auch nach zehn Jahren Pause nicht für politische Slogans. Es gibt nach den Morden von München wichtigere Fragen.

Eine Analyse von Jannis Brühl/Süddeutsche.de veröffentlicht am
Innenminister de Mazière sucht einfache Erklärungen.
Innenminister de Mazière sucht einfache Erklärungen. (Bild: Thomas Lohnes/Getty Images)

Zurück in die Nullerjahre: Kompetenz für Zeitreisen würde man eigentlich eher beim Forschungsministerium vermuten. Doch es ist der Bundesinnenminister, der seine Zuhörer an diesem Samstag weit ins vergangene Jahrzehnt zurückschickte. Er gab Computerspielen mit Gewaltdarstellungen eine Mitschuld an der Tat von München. Damit schwelt schlagartig wieder eine Debatte, die seit langem als beendet galt.

Inhalt:
  1. Amoklauf in München: De Maizière reanimiert Killerspiel-Debatte
  2. Nicht Call of Duty, das soziale Umfeld entscheidet

Klar sei, dass das "unerträgliche Ausmaß von gewaltverherrlichenden Spielen im Internet auch eine schädliche Wirkung auf die Entwicklung von Jugendlichen hat. Das kann kein vernünftiger Mensch bestreiten", sagte de Maizière. Er implizierte damit: Der mutmaßliche Täter David S. habe sich von solchen Spielen inspirieren lassen.

Medieninformatiker Maic Masuch forscht an der Uni Duisburg-Essen zur Wirkung von Computerspielen. Zu de Maizières Behauptung sagt er: "Kein vernünftiger Wissenschaftler kann das mit einer solchen Sicherheit behaupten. Und wenn das kein Wissenschaftler kann, dann kann das auch kein Minister." Auch wenn de Maizière in einem Nebensatz vage sagt, "viele Studien" zeigten, wie gefährlich die Spiele seien, fehlt seiner These eine klare empirische Grundlage. Die Lage ist viel zu komplex für einen platten politischen Slogan.

Rückblick: Nach den Amokläufen von Erfurt 2002, Emsdetten 2006 und Winnenden 2009 debattierten deutsche Politiker über "Killerspiele", die Forderung nach einem Verbot entsprechender Spiele schaffte es sogar in den Koalitionsvertrag 2005 (wobei Politiker nie klar definieren konnten, was denn so ein "Killerspiel" sei). Ego-Shooter wie Counter-Strike standen im Mittelpunkt.

Die Spiele sind schuld!

Die Debatte nahm nach den Taten teils Züge einer moralischen Panik an. Vor allem Unionspolitiker versucht sich zu profilieren: Die Spiele sind schuld! Auf der anderen Seite standen Millionen friedlicher Computerspieler im Land, die ihre Leidenschaft plötzlich diskreditiert sahen. Anfang dieses Jahrzehnts ebbte die Debatte ab, auch in CDU und CSU gab es kaum noch Äußerungen zum Thema.

Zwar stimmt es, dass Minderjährige den deutschen Jugendschutz für Spiele via Internet leicht umgehen können. Aber de Maizières grundsätzliche These über den Einfluss der Spiele ist bei weitem nicht bewiesen. Für jede Studie, die zu belegen scheint, dass die Spiele zu Gewalt führen, gibt es mindestens eine, die das widerlegt (PDF). Eine Langzeitstudie der Uni Bielefeld, für die seit mehr als 15 Jahren Jugendliche im Ruhrgebiet befragt werden, kommt zu der Erkenntnis: "Der Konsum von Gewaltmedien führt erwartungsgemäß zu keiner direkten Verstärkung der Gewaltdelinquenz, allerdings zu einer Verstärkung von Einstellungen, die gewalttätiges Verhalten befürworten."

Die Meta-Studien, die das Dilemma lösen sollen, indem sie viele verschiedene Studien auswerten, führen zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Hinzu kommt Medieninformatiker Masuch zufolge: "Die Metastudien haben wenig Aussagekraft, weil sie nur Studien zusammenfassen, die kurzfristige Effekte unter Laborbedingungen messen."

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Nicht Call of Duty, das soziale Umfeld entscheidet 
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Tobias Claren 04. Aug 2016

Der ist ab 12 . Zumindest in Frankreich. "Eyes wide shut" ist dort ab 0. Rambo 2 und...

Tobias Claren 04. Aug 2016

Es braucht keine Datenspeicherung, nur Alarm wenn es eine Waffe etc. ist, kein Mensch...

Tobias Claren 04. Aug 2016

Genau so wenig belegbar oder plausibel. Eher ist es so, dass viele Jugendliche (und...



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