Das ganze Internet in biometrischen Datenbanken

Ist eine Information erst mal im Internet gelandet, bekommt man sie eigentlich nie wieder aus dem Netz - das Internet vergisst nichts. Die Sängerin Barbra Streisand hatte 2003 versucht, ein Bild aus dem Netz zu klagen, auf dem ihr Anwesen zu erkennen war. Damit sorgte sie für so viel Aufsehen, dass das Bild überall und ganz woanders auftauchte. Der Streisand-Effekt war geboren.

Oft wissen die Menschen nicht einmal, an welchen Ecken und Enden Informationen über sie zu finden sind. Hier setzen die drei Gründer mit Digital Dignity an, einem Tool, mit welchem "jeder seine digitale Identität und Würde wahren kann, indem er zu jedem Zeitpunkt weiß, welche Bilder von ihm wo im Internet kursieren", beschreiben sie ihre Vision in einem Konzeptpapier. Mit dem Wissen um die Bilder, könnten die Betroffenen dazu befähigt werden, sie zu löschen und so ihre Identität zu schützen.

Die Bilder sollen, wie bei Am I in Porn, mit Gesichtserkennung gefunden werden. So werde die Technik, die gesellschaftlich eher als eine Bedrohung der Privatsphäre angesehen werde, dazu verwendet, eben diese zu wahren oder zurückzuerlangen. Am I in Porn sei dafür eine Art Proof of Concept, schreiben die Gründer. Ihre Vision: Sobald ein neues Bild von einer Person im Internet auftaucht, soll sie benachrichtigt werden.

Riesige biometrische Datenbanken dürften rechtswidrig sein

Doch ist es überhaupt mit der Idee der Privatsphäre zu vereinbaren, alle Fotos im Internet auf Gesichter zu scannen und deren biometrische Merkmale in einer riesigen Datenbank vorzuhalten? Und wecken diese nicht sofort Begehrlichkeiten von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten? Immerhin dürften sich über die aufzubauende Datenbank die meisten Personen leicht identifizieren lassen, weil die Bilder an einem Fundort mit den persönlichen Daten in Verbindung gebracht werden können.

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg, Stefan Brink, sieht genau darin die Gefahr von Gesichtserkennungsdiensten allgemein. Sie lieferten das Potenzial, "für die totale soziale oder staatliche Überwachung". So werde "jede politische, religiöse, sexuelle oder sonstige private Eigenheit oder Verhaltensweise erfasst und mit mir als Person in Verbindung gebracht", sagt Brink. Auch wenn sie für den Datenschutz genutzt werden soll, bleibt die Datenbank also gefährlich.

Die Datenbanken sollten im besten Fall bei den jeweiligen Plattformen gespeichert werden, erklärt Henseleit. Man habe sich mit Am I in Porn entschieden, einen steinigen Weg zu gehen und den Dienst rechtskonform in Deutschland anzubieten.

Doch genau diese Rechtskonformität zweifelt der Landesdatenschutzbeauftragte an. Brink sieht "keine Rechtsgrundlage für den Aufbau einer solchen Datenbank. Die Verarbeitung wäre nur bei informierter und jederzeit frei widerruflicher Einwilligung durch die betroffenen Personen zulässig, eine solche liegt nach unserem Kenntnisstand aber nicht vor." Das gelte auch für Gesichtserkennungsdienste wie Pimeyes.

Pimeyes wirbt ebenfalls mit Datenschutz

Auch bei dem polnischen Gesichtserkennungsstartup Pimeyes wird seit kurzem mit Datenschutz geworben: Mit der Plattform könnten die eigenen Bilder im Internet gefunden und damit die Privatsphäre geschützt werden. Dazu hat Pimeyes bereits 900 Millionen Gesichter in einer Datenbank hinterlegt, täglich analysiert der Dienst nach eigenen Angaben rund ein TByte Bilder aus dem Internet.

Personen können auf der Webseite ein Bild von sich machen, biometrisch vermessen lassen und die Datenbank damit durchsuchen. Angezeigt werden alle Bilder, die Pimeyes mit dem jeweiligen Gesicht im Internet entdecken konnte. Das ist sogar kostenlos. Will man jedoch den Fundort wissen, muss man bezahlen. Allerdings bewarb Pimeyes seinen Dienst noch Ende vergangenen Jahres mit der Suche nach bekannten Persönlichkeiten. Bis vor kurzem ließen sich auch noch direkt Bilder hochladen, ohne den Umweg über die Kamera.

Erst seit kurzer Zeit betont Pimeyes den Schutz der Privatsphäre und erklärt, dass die Nutzer nur Bilder von sich selbst verwenden sollen. Das sieht Brink anders: "Dieser Dienst fordert geradezu dazu auf, in fremde Rechte einzugreifen - das wird zivilrechtliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen!"

Gesichtserkennung lieber sein lassen

Neben der einfachen Suche bietet der Dienst auch eine API, über die andere Anwendungen die Gesichtsdatenbanken durchsuchen können. Die Preise sinken dabei mit der Anzahl der monatlichen Suchanfragen. Besonders günstig wird es ab 100 Millionen Suchanfragen.

Spätestens hier erinnert Pimeyes stark an den umstrittenen Gesichtserkennungsdienst Clearview AI. Die US-Firma hat eine Gesichtsdatenbank mit Milliarden Fotos aus dem Internet aufgebaut. Rund 2.200 Behörden und Organisationen, darunter das FBI, aber auch Supermarktketten, hatten laut einem Leak Zugang zur Datenbank und konnten so Personen anhand ihres Gesichts identifizieren lassen.

"Abgesehen von der konsequenten Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung sollten wir uns auch als Gesellschaft gegen diese Entwicklung stemmen und dem Missbrauch unserer unveränderlichen biometrischen Merkmale entschieden entgegentreten", sagt Brink. "Wir brauchen eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit kritischen Technologien, die unsere Freiheiten bedrohen - und bis dorthin eine Aussetzung des Einsatzes solcher Techniken - zumindest in Europa."

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 Am I in Porn & Pimeyes: Warum Gesichtserkennung gegen Rachepornos bedenklich ist
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Lanski 24. Aug 2020

Heutige "Amateurpornos" hat Pornhub zu etwas wie influencern auf Youtube umgemodelt mit...

mxcd 19. Aug 2020

Erpressung ist ja eigentlich immer eine gute Idee. :|

User_x 14. Aug 2020

Sollte nicht die Gesellschaft selbst mit sich ein Problem haben mit anerzogenen falschen...

Kleba 14. Aug 2020

Nicht zwingend. Theoretisch könnte auch nur die technische Beschreibung des...



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