Alterskontrolle für alle Kommunikationsdienste?
Der Verordnungsentwurf nennt selbst eine Altersüberprüfung als mögliche Maßnahme, um dieses Risiko zu minimieren. Doch eine wirksame Alterskontrolle ist zum einen für die Anbieter ein aufwendiges Verfahren, zum anderen setzt sie die Nutzer zusätzlichen Datenschutzrisiken aus. Und vermutlich wäre sie leicht zu umgehen.
Ein Beispiel dafür ist die Alterskontrolle bei der Google-Tochter Youtube. Die Videoplattform verlangt in Europa inzwischen einen Altersnachweis auf Basis von Kreditkartenangaben oder eines amtlichen Ausweises. Es ist nicht gerade eine beruhigende Vorstellung, künftig bei jedem Messenger- und E-Mail-Dienst sowie sozialen Netzwerk seinen Personalausweis hochladen zu müssen.
Null-Wissen-Beweis möglich
Andererseits lässt sich die Alterskontrolle bei Youtube beispielsweise über einen VPN-Anbieter umgehen. Denn in den USA verlangt das Portal weiterhin nur eine Altersbestätigung per Mausklick. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Anbieter die Alterskontrolle nicht global, sondern nur in der EU umsetzen würden.
Eine Alternative zum Dokumenten-Upload könnte das Konzept des sogenannten Null-Wissen-Beweises (engl.: Zero-Knowledge-Proof) darstellen. Hierbei würde beispielsweise von einem Anbieter über einen elektronischen Personalausweis nur die Volljährigkeit des Nutzers überprüft. Damit könnte verhindert werden, dass dem Dienst ebenfalls die Identität des Nutzers und weitere, nicht erforderliche Daten bekannt werden. Allerdings könnte die Maßnahme auch bedeuten, dass Dienste, die derzeit ohne Account genutzt werden können, eine Anmeldung verlangen.
ID-Dienste würden attraktiver
Die Sicherheitsexpertin Lilith Wittmann warnte kürzlich vor den Gefahren solch "selbstbestimmter Identitäten" (engl.: Self Sovereign Identity (SSI)). Dazu hat die EU-Kommission bereits vor einem Jahr eine europaweit einheitliche digitale Identität vorgeschlagen.
"Sehr große Plattformen werden verpflichtet sein, die Verwendung von EUid-Brieftaschen auf Verlangen des Nutzers, beispielsweise zum Nachweis seines Alters, zu akzeptieren", teilte die Kommission damals mit. Demnach müssten Anbieter wie Google oder Facebook auch die neue EU-ID zum Login ermöglichen. Eine pseudonyme Nutzung der elektronischen Identität wird in dem Vorschlag aber ausdrücklich untersagt, was wiederum von Datenschützern kritisiert wird.
Warnung vor SSI-Verfahren
Wittmann warnt abschließend in ihrer ausführlichen Analyse: "Die SSI-Technologie ist für uns als Gesellschaft gefährlich. Sie ist gefährlich, weil sie Bürger*innen und deren Daten ein enormes Risiko aussetzt. Vor allem birgt sie aber soziale Gefahren. Eine völlige Nachverfolgbarkeit unserer digitalen Aktivitäten und immer absolut korrekte und nachvollziehbare personenbezogene Daten mögen zwar für die Wirtschaft ziemlich attraktiv sein. Für uns als Bürger*innen würden wir mit einer flächendeckenden SSI-Nutzung aber einer Überwachungsdystopie einen ganzen Schritt näherkommen."
Mit der Chatkontrolle in der geplanten Form wäre eine Alterskontrolle über solche digitale Identitäten wohl für viele Anbieter eine Option. Denn gerade Anbieter verschlüsselter Kommunikation stehen vor einem Dilemma: Weil sie nicht in die Kommunikation ihrer Nutzer hineinschauen können, wissen sie im Grunde nicht, ob ihre Dienste überhaupt zur Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen oder für Grooming genutzt werden.
Darüber könnten möglicherweise nur Ermittler Auskunft geben, die beispielsweise Geräte von Verdächtigen überprüft oder Anzeigen mit entsprechenden Beweisen erhalten haben. Doch neben den Identitäten will die EU mit ihrem Verordnungsentwurf auch Appstores kontrollieren und Internetprovider zu Netzsperren zwingen.
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Alterskontrolle und Netzsperren: Es geht um viel mehr als nur die Chatkontrolle | EU will Netzsperren errichten und Appstores kontrollieren |
Ja, das kennt man leider viel zu gut.
99.9% der User chatten nicht über TOR oder SSH sondern über Facebook und WhatsAPP. Mit...
Die wissen wen du anrufst oder wem du eine SMS schickst, weil du bei der Registrierung...
Warum brauchen Politiker diese spezialle Chat-SW, sie haben doch nichts zu verbergen?
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