Selektive Sichtungspolitik der Streaminganbieter
Miniserien oder neue Staffeln zur Sichtung erstmal unvollständig an Rezensenten freizugeben, ist bei Streaminganbietern gängiges Prozedere. Manchmal können wir sogar nur die aktuellste Folge mit einer Woche Vorlauf sichten, müssen auf den Rest trotzdem warten. Ein verlässliches Fazit über Qualität und Aussagen der gesamten Handlung lässt sich so, zumindest pünktlich zum Serienstart, natürlich nicht ziehen.
Als erfreuliche Ausnahme tut sich Netflix hervor, wo wir alle Episoden neuer Staffeln bislang immer auf einmal vorab ansehen durften, wahrscheinlich weil Serien dort normalerweise zum Bingen am Stück erscheinen und nur in Ausnahmen wöchentlich Folge für Folge. Überzeugt eine Serie nicht gänzlich, spricht sich das nach Release also ohnehin schnell herum.
Um zum aktuellen Beispiel zurückzukommen: Es fällt uns schwer, nachvollziehbare Gründe für das anfängliche Zurückhalten der beiden finalen Episoden von Alien: Earth zu finden – außer, dass Disney und FX Network vielleicht geahnt haben, wie viel schwächer diese Folgen im Vergleich zum starken Serienbeginn bei Rezensenten abschneiden würden. Und wie sehr das Ende den Gesamteindruck der ganzen Serie herunterzieht.
Restriktion trotz Anti-Spoiler-Maßnahmen
Angst vor Spoilern oder geleakten Screener-Videos des Staffelfinales lassen wir als Begründung nicht zählen. Wozu sonst haben wir seitenweise Verschwiegenheitserklärungen über Plot-Details unterschrieben, uns zur Einhaltung von Sperrfristen verpflichtet und ein personalisiertes Wasserzeichen dauerhaft im Bild der Presse-Screener erduldet? Speziell für Rezensionsmuster eingerichtete Apps und Websites warnen zudem oft vor technischen Sicherheitsvorkehrungen, etwa um Bildschirmaufnahmen zu verhindern, zu erkennen und zu melden.
Wenn trotz alldem keine ausreichende Vertrauensbasis gegeben sein sollte, Journalisten von Beginn an die vollständige Staffel oder Miniserie vorzulegen, könnten die großen Streaminganbieter sich diesen Aufwand eigentlich gleich sparen – oder müssten Angst haben, überhaupt eine Folge zur Sichtung herauszuschicken.
Fortsetzung – folgt?
Ob mit Kalkül herbeigeführt oder nicht: Unser Lob nur auf Basis der ersten sechs Folgen von Alien: Earth ist nach wie vor verdient. Die Episoden "Im Weltraum..." und "Metamorphosis" haben wir sogar mehrmals erneut geschaut, weil sie uns so gut gefallen. Daran hat sich nichts geändert – und dafür bleiben wir der Serie als Alien-Fans dankbar.
Erst jetzt im Nachhinein wissen wir, dass sich am Ende unerwartet alles in Luft auflöst, was wir vorher so begeisternd fanden. Wie es inhaltlich und inszenatorisch zu einem solchen Qualitätsgefälle innerhalb ein und derselben – eher kurzen – Staffel einer Serie kommen kann, ist unbegreiflich – und war in diesem Ausmaß nicht abzusehen. Darauf hätten wir gerne von Anfang an hingewiesen.
Noch steht nicht fest, ob die Show weitere Staffeln erhält. Interview-Aussagen(öffnet im neuen Fenster) der Macher deuten allerdings darauf hin . Obwohl ungeklärte Fragen und ein offen gehaltenes Ende alles auf eine Fortsetzung anlegen, könnten wir ob des zum Schluss eingeschlagenen Weges inzwischen gut darauf verzichten.
Alle Folgen der ersten Staffel von Alien: Earth sind mittlerweile im Abo bei Disney Plus abrufbar.