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Alien Earth: Disneys Alien-Serie gehört ins Kino

Endlich ein gutes Prequel! Alien: Earth als Serie ist so gut, dass es die große Leinwand verdient hätte.
/ Daniel Pook
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Artwork von Alien: Earth (Bild: Walt Disney & FX Network)
Artwork von Alien: Earth Bild: Walt Disney & FX Network

Im Weltraum hört uns niemand über Alien: Earth jubeln! Deswegen bleiben wir dazu einfach auf der Erde, wo diese fantastische Serie ohnehin zum Großteil spielt. Und spoilern in diesem Artikel nichts, was Trailer nicht bereits offenbaren.

H.R. Gigers mörderische Xenomorphs auf unseren Heimatplaneten loszulassen, war schon seit den 90ern immer mal wieder geplant. Doch weder Alien: Earthbound(öffnet im neuen Fenster) noch Joss Whedons Ideen(öffnet im neuen Fenster) für Alien 5 wurden letztlich umgesetzt(öffnet im neuen Fenster) , obwohl Teil 4 die Monster schon mal vorsorglich in Sichtweite unseres blauen Planeten gebracht hat.

Die Spin-off-Reihe Alien vs. Predator außen vor gelassen - denn offiziell zählt diese nicht zum Kanon der restlichen Filme -, ist Alien: Earth nun also wirklich der erste verfilmte Versuch, die Erde als Schauplatz mit einzubeziehen. Was einen Kinofilm getragen hätte, erscheint als Serie von FX und Hulu in Deutschland ab dem 13. August 2025 wöchentlich bei Disney Plus. Wir konnten die ersten sechs von acht Folgen vorab schauen.

Alien: Earth (Trailer)
Alien: Earth (Trailer) (02:10)

Retro-Sci-Fi wie Romulus

Schon visuell steht die Streamingserie dem letzten Alien-Kinofilm Romulus in nichts nach. Und der sah ja auch schon toll aus, hatte seine Schwächen mehr in anderen Bereichen . Erneut wurde für Alien: Earth bewusst wenig auf Computereffekte gesetzt, dafür umso mehr an detailliert aufgebauten, realen Sets gedreht.

Die Gestaltung der Sets orientiert sich stark an Ridley Scotts erstem Alien von 1979 . Ganz besonders zu Beginn, an Bord eines Raumschiffs, das sich mitsamt außerirdischer Lebendfracht auf dem Rückweg zur Erde befindet, wo es natürlich unter fragwürdigen Umständen abstürzt.

Herrlich authentischer Raumfahrtlook

Ob Hyperschlafkapseln(öffnet im neuen Fenster) , klobige Röhrenmonitore oder der schummrige Mother-Kontrollraum(öffnet im neuen Fenster) mit all seinen orangefarbenen Lämpchen - unverändert wird der Retro-Sci-Fi-Stil des Raumschleppers Nostromo(öffnet im neuen Fenster) aus dem Originalfilm heraufbeschworen und an anderen Schauplätzen ebenfalls in den klassischen Filmen etabliertes Design durchgezogen.

Wir begrüßen das, denn insbesondere der pragmatische Raumfahrtlook dieser Phase des Science-Fiction-Kinos, den Alien Ende der 70er wesentlich mitgeprägt hat, wirkt immer noch herrlich authentisch, unverwüstlich atmosphärisch. Stimmig in Szene gesetzt wie im Videospiel Alien: Isolation oder jetzt eben wieder bei Alien: Earth, können wir uns daran nicht sattsehen. Und die Serie macht es sogar extra gut, da sie die Vorzüge modernen Filmemachens ebenfalls voll ausreizt.

Modernes Digitalbild, gepaart mit stimmungsvollem Vintage-Stil

Wir sehen eine gelungene Balance aus modern gefilmtem Digitalbild mit knackigen Farben und stimmungsvollem Vintage-Stil, der nicht langweilig klinisch aussieht - und schon beim Dreh mit etabliert wurde.

Die Sets sind komplex beleuchtet, mit allerlei bunten Signallichtern an Knöpfen und Schaltflächen, dazu je nach Location mal harsch strahlende Baustellenfluter oder angenehm weiche Wohnraumlampen. Analogfilm-Charakteristika wie diffuses Lichthof-Glühen(öffnet im neuen Fenster) in den Highlights lassen beinahe vergessen, dass hier - anders als in den 70ern - mit Arris Alexa LF(öffnet im neuen Fenster) digital gefilmt wurde.

Leichte Unschärfen mit Objektivkrümmung und Vignettierung an den Bildrändern, außerdem dezentes Filmkorn, sehen sehr authentisch aus und fügen sich in den meisten Szenen zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Im Vorabmaterial in Trailern und auf Fotos kommt das übrigens kaum rüber.

Getreu der Filmreihe hat Alien: Earth aber auch ein Faible für sehr schön gesetzte, konsequent durchgezogene Schatten. Wer auf einem HDR-Display mit hervorragenden Schwarzwerten und feinen Abstufungen der sehr dunklen Bildbereiche guckt, profitiert hier enorm. Nicht nur, weil darauf technisch alles geradezu malerisch abgestimmt aussieht.

Die besten Aliens sind immer noch Menschen in Kostümen

Vor allem die Xenomorphs werden, als weitere Gemeinsamkeit mit Romulus und den älteren Filmen, sehr oft von Menschen in Kostümen(öffnet im neuen Fenster) oder Animatronic-Puppen dargestellt. Als wir beim Sichten zwischenzeitlich vom großen OLED-Fernseher auf den weniger kontraststarken LED-Bildschirm eines Macbooks von 2018 wechselten, sahen die vorher so faszinierend real anmutenden Monster, oft im Halbschatten stehend, im Vergleich auf einmal erkennbarer nach Kostümierung aus.

Das ist uns immer noch lieber als überbordernder CGI-Einsatz. Glaubwürdige Haptik, nachvollziehbare Physik und natürlich Charme bietet die klassische Tricktechnik so oder so. Der meistens übertriebene Verkaufsslogan, Inhalte würden auf moderneren Displays nicht nur schöner, sondern gleich realer aussehen, trifft hier aber ausnahmsweise mal wirklich zu.

Schnitt und Kamera-Arbeit sind bei Alien: Earth, insbesondere für eine Serie, herausragend. Wir sehen kaum mal zwei identische Close-ups oder Halbtotalen hintereinander. Fast jeder Perspektivwechsel transportiert inhaltlich mehr als nur gedankenlos alle anwesenden Personen beliebig im Bild einzufangen.

Subtile Zooms und Schwenks auf einzelne Charaktere in Dialogen vermitteln oft Unausgesprochenes. Nicht selten sehen wir Motive anderer Orte oder ineinander montierte Collagen statt der Leute, die gerade miteinander reden, um so inhaltliche Kontraste zu erzeugen oder non-verbal Kontext beizufügen. Wäre Alien: Earth doch etwas eher erschienen, hätte sich das elend starre Hoftheater von Dune: Prophecy daran ein Vorbild nehmen können.

Als Alien durch Gänge flitzen

Außerhalb von Dialogen, die nur selten szenenfüllend im Vordergrund stehen, folgen wir Protagonisten gelegentlich aus naher Schulterperspektive durch düstere Gänge oder rasen aus Sicht eines Xenomorphs durch selbige auf dessen Opfer zu, wie wir es ganz intensiv aus Alien 3 kennen. Ein ständiger Wechsel zwischen fein aufs Geschehen abgestimmten Kamerafahrten, mal langsam und mal dramatisch, und einfachem Schnitt zwischen Detail- und Standardperspektiven, zeugt von großer Lust auf dynamische Inszenierung, wie wir sie selbst bei modernen Kinofilmen viel zu selten so gekonnt und vielseitig umgesetzt vorfinden.

Dabei verfangen sich die verschiedenen Regisseure und Kameraleute nicht in purer Effekthascherei à la Michael Bay. Ihr visuelles Storytelling funktioniert, weil es aufregend und stimulierend eine spannende Geschichte unterstützt. Die ist im Jahr 2120 angesiedelt, etwa zwei Jahre vor(öffnet im neuen Fenster) den Ereignissen des Original-Alien.

Wie ein Text in grüner Computerschrift einleitend erklärt, leisten sich zu dieser Zeit drei verschiedene Daseinsformen ein Wettrennen um Unsterblichkeit. Wer diese mit seiner Technologie zuerst erreicht, würde damit bestimmen, welcher der großen Konzerne aus dem Alien-Universum über allen anderen herrscht.

Zu diesem Zweck konkurrieren künstlich modifizierte Menschen (Cyborgs), KI-Wesen mit Androiden-Körpern (Synths) und neuerdings auch Hybrids. Das sind Menschen, die ihren Verstand und ihre Erinnerungen in einen synthetischen Körper haben übertragen lassen.

Alien: Earth geift Altes auf und erzählt damit Neues

Letztere sind in Alien: Earth noch experimentell und entstehen als geheimes Projekt beim Unternehmen Prodigy, das in dieser ersten Staffel im Fokus steht. Daneben spielt auch der aus anderen Filmen wohlbekannte Weyland-Yutani-Konzern eine größere Rolle. Diesem gehört nämlich das Forschungsraumschiff mit mysteriöser Fracht, welches zu Beginn von Folge 1 in die Wohngebäude des Konkurrenten stürzt.

Von hier an hätten es sich die Autoren um Showrunner Noah Hawley (Fargo-Serie) eigentlich sehr einfach machen können und Fans hätten sich sicherlich auch dann nicht beschwert: jede Menge Alien-Action in Wohngebieten, ein paar Facehugger-Angriffe, Space Marines, die mit den ikonischen Pulse-Rifles und Smartguns um sich ballern. Und zum Schluss natürlich der Kampf gegen eine riesige Queen.

Doch gerade, dass die Serie zwar viele Elemente und die Optik der ersten Alien-Filme aufgreift, aber dennoch klaren Fokus auf eine eigene Geschichte mit gelungenen neuen Ideen legt, zeichnet sie besonders aus.

Eine Gruppe todkranker Kinder, deren Verstand als Geheimexperiment in erwachsene Roboterkörper übertragen wurde, soll für Prodigy und dessen CEO-Wunderkind Boy Kavalier das Yutani-Raumschiffwrack untersuchen. Zum einen ist er an der Fracht interessiert, zum anderen möchte er sein Investment in Androiden-Mensch-Hybriden im Feldeinsatz auf die Probe stellen.

Mensch-Roboter-Hybriden als Herz der Story

Diese wiederum hadern zunehmend mit ihrer Situation als Halbwesen, werden mitunter von traumatischen Visionen geplagt oder haben andere, hier nicht näher verratene Nebenerscheinungen der für sie ja dennoch lebensrettenden Prozedur. Zunehmend stellen sie sich Fragen um ihre Freiheit, natürlich auch, ob sie überhaupt wirklich existieren - oder doch nur seelenlose Synths sind.

Die Tatsache, dass wir zu all dem hier Teenager in erwachsenen Körpern sehen, die aber stärker sind als normale Menschen, eröffnet alleine schon viele Möglichkeiten für besondere Situationen, wenn plötzlich Xenomorphs und andere Monster das Geschehen durcheinanderwirbeln. Da die Hybriden außerdem vom älteren Synthetenmodell Kirsh als Lehrmeister begleitet werden und auch menschliche Einsatzkräfte vor Ort sind, ist dieser Einstieg ins Alien-auf-der-Erde-Szenario viel facettenreicher, als wir vorab erwartet haben.

Ohne zu viel spoilern zu wollen - Showrunner Noah Hawley hat mit seinem Autorenteam eine von Folge zu Folge immer interessanter werdende Handlung geschrieben, die das Xenomorph-Alien erst prominent hervorhebt, dann etwas im Hintergrund verschwinden lässt und schließlich doch wieder sehr reizvoll neu ins Geschehen einbindet. Die Figuren, auch andere Monster drumherum, sind jedoch ebenso unterhaltsam gespannt zu verfolgen, wenn das titelgebende Alien mal nicht auftaucht.

Starke Actionszenen, durchweg grausame Tode und ausgiebiger Body-Horror dürften verschiedenste Gelüste aller Alien-Fans trotzdem in jeder einzelnen Folge erfüllen - ob mit oder ohne Xenomorph. Dazu begeistert ein deutlich von Jerry Goldsmiths Musik des Originalfilms inspirierter Score, der in den richtigen Momenten sehr laut aufdreht.

Ein Fest für Timothy Olyphant

Zur gelungenen Präsentation tragen all die hervorragend ausgewählten Schauspieler das Ihre bei, die uns sämtlich so gut gefallen, dass wir eigentlich keinen von ihnen hervorheben wollen. Doch wenn wir müssten, dann wäre das Timothy Olyphant, dessen immer geheimnisvoller wirkender Synth Kirsh wie eine Mischung aus Foundations Demerzel und Blade Runners Roy Batty(öffnet im neuen Fenster) rüberkommt: exzentrisch, mysteriös, aber auch ganz klar mit der Ruhe eines stoischen Androiden, der nur selten kurz hinter seine Fassade blicken lässt. Ein Fest für einen solchen Charakterdarsteller.

Grundmotive der Alienreihe, wie die Allmacht einer Handvoll Industriekonzerne und der skrupellose Umgang mit einfachen Menschen, die in prekären Verhältnissen völlig ausgebeutet werden können, bleiben Kern der Erzählung und DNA der fiktiven Zukunftsversion. Dass unterschiedliche Formen synthetischer Menschen noch stärker in den Vordergrund rücken, setzt den bereits von Ridley Scotts Prequel-Filmen eingeschlagenen Kurs besser fort, als es der Altmeister selbst mit seiner Geschichte in Prometheus und Covenant vorgemacht hat.

Earth hätte ruhig mehr Erde zeigen dürfen

Einzig die Tatsache, dass alles auf der Erde spielt, kommt vielleicht etwas zu kurz. Die meiste Zeit über sehen wir Labors und Konzerngebäude, die prinzipiell auch im Weltraum oder sonst wo stehen könnten. So wie bei Blade Runner etwa tauchen wir bis Folge 6 (nur so weit konnten wir vor Serienstart sichten) jedenfalls nie in die normale Bevölkerung ein oder verbringen überhaupt mal viel Zeit an der frischen Luft.

Andererseits kann es eigentlich auch nicht anders sein, da im Speziellen Xenomorphs im ersten Alien-Film ja noch nicht hinlänglich bekannt sind und der ja zeitlich später spielt.

Disney sollte es jetzt wie mit Andor machen

Es bleibt spannend zu sehen, wie nahe die Erzählung letztendlich an den Beginn des ersten Ur-Alien-Films anknüpfen wird, ohne die Logik des schon Etablierten zu brechen. Ob da ein ähnlicher Anschluss stattfindet, wie es Star Wars mit Andor und Rogue One vorgemacht hat? Und falls Disney hier dem Vorbild der eigenen Sternenkriegs-Franchise folgt, müsste diese Serie ja dann nach zwei Staffeln in einem großen Alien-Kinofilm von Noah Hawley münden.

Stand jetzt sagen wir: bitte unbedingt. Und zwar so laut, dass man's auch im Weltraum hören kann.

Alien: Earth startet bei Disney Plus in Deutschland am 13. August 2025 mit zwei Episoden. Danach wird die Serie wöchentlich mit jeweils einer neuen Folge fortgesetzt.


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