Beschaulich, idyllisch, historisch: Die Stadt Rheinsberg (öffnet im neuen Fenster) hat weniger als 8.000 Einwohner und liegt in einer der am dünnsten besiedelten Regionen in ganz Mitteleuropa. Gerade einmal 39 Menschen sind es pro Quadratkilometer, 70 km weiter südlich in Berlin ist es mehr als das Hundertfache.
Dennoch ballt sich die Kultur an diesem Fleckchen am Südzipfel der Mecklenburgischen Seenplatte. Das Vorbild für Schloss Sanssouci befindet sich hier. Kurt Tucholsky schrieb Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte, Theodor Fontane kam auch einmal vorbei und schrieb ebenfalls darüber.
Perfekter Standort, beinahe
1956 fiel die Entscheidung, knapp 10 km entfernt zudem das Kernkraftwerk Rheinsberg(öffnet im neuen Fenster) zu errichten, oder, wie es damals der Einfachheit halber bezeichnet wurde, Volkseigener Betrieb Kernkraftwerke "Bruno Leuschner" Greifswald/Betriebsteil KKW Rheinsberg. Der gewählte Standort war nicht nur damals schon dünn besiedelt und weit genug entfernt von Berlin, sondern liegt zwischen dem Nehmitzsee und dem tiefsten Sees Brandenburgs, dem Großen Stechlinsee.
Der Zugang zu großen Mengen Kühlwasser war damit auf einfache Weise sichergestellt. Dass das gesamte Gebiet bereits seit 1938 unter Naturschutz stand und noch immer steht, dürfte in den Erwägungen keine entscheidende Rolle gespielt haben.
So ging das allererste kommerziell betriebene Kernkraftwerk Deutschlands mitten in einem brandenburgischen Wald 1966 in Betrieb, ein Druckwasserreaktor vom Typ WWER-70. Die Leistung von gerade einmal 70 Megawatt (MW) entsprach dabei kaum 10 Prozent eines modernen Reaktors.
Nichts für die Ewigkeit
Die Wirtschaftlichkeit spielt in Rheinsberg nur eine untergeordnete Rolle, das Kraftwerk sollte nur der erste Schritt sein und vor allem der Ausbildung dienen. Das zeigt sich auch an der geplanten Laufzeit, die lediglich 20 Jahre betragen sollte, kaum die Hälfte der Laufzeit der Reaktoren, die schon einige Jahre später in Betrieb genommen wurden.
Bild 1/23: Der Reaktordruckbehälter lässt sich vor Ort nur noch als Modell besichtigen, das annähernd so alt sein soll wie das Kernkraftwerk selbst. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 2/23: Äußerlich, aber auch im Innenbereich ist das Verwaltungsgebäude fast unverändert. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 3/23: Die Bewehrung des Betons hat ebenfalls mit dem Reaktor interagiert, wie viele andere Komponenten auch. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 4/23: Im Bereich des Kraftwerks herrscht natürlich Helmpflicht. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 5/23: Blick vom Kontrollpult der Reaktorwarte (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 8/23: Unverkennbar ein Reaktor sowjetischen Ursprungs (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 9/23: Die meisten Sensoren zur Überwachung sind mittlerweile außer Betrieb. Die Anzeigen des aktuellen Wetters laufen beispielsweise noch. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 10/23: Warte der Wasseraufbereitung (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 12/23: Schon zu Beginn der Rückbauarbeiten wurden Monitore installiert, um Arbeiten im Reaktorgebäude verfolgen zu können. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 13/23: Etwa 30 cm dickes Bleiglas ermöglichte früher den Blick in den Reaktorraum, in dem jetzt nur noch mit einfacher Schutzkleidung und persönlichem Dosimeter rückgebaut wird. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Bild 23/23: Die Uhr ist noch in Funktion. Markierungen an der Wand zeigen bereits entfernte Komponenten. (Quelle: Golem/Martin Wolf)
Die Baukosten, die schon damals vielfach nach oben korrigiert wurden, beliefen sich am Ende auf 400 Millionen Mark der Deutschen Notenbank. Setzt man den damaligen Durchschnittsverdienst von 500 Mark als Referenz an, würde die Summe aktuell knapp 3 Milliarden Euro(öffnet im neuen Fenster) entsprechen.
1986 wäre offiziell schon wieder Schluss gewesen mit Kernenergie aus Brandenburg. Ein Jahr Sanierungs- und Wartungsarbeiten brachten jedoch fünf Jahre Verlängerung bis 1992. Noch vor der Wiedervereinigung im Juni 1990 wurde das Atomkraftwerk abgeschaltet, dessen sicherer Weiterbetrieb nach neuer Gesetzeslage nicht mehr gewährleistet war.