Akkutechnik: Our Next Energy baut Akku für 1.000 km-BMW-Prototyp

Ohne Nachladen von Flensburg nach München fahren: Das amerikanische Start-up Our Next Energy (ONE) will das zusammen mit BMW möglich machen und ein Auto mit 1.000 km Reichweite bauen. Das gaben die Unternehmen in einer Pressemitteilung(öffnet im neuen Fenster) bekannt. BMW investierte schon im letzten Jahr 25 Millionen US-Dollar(öffnet im neuen Fenster) in das Unternehmen.
ONE ist durch eine 1.200 km lange Demonstrationsfahrt mit einem umgebauten Tesla S in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Dafür wird ein hybrides Akkupack verwendet, bei dem ein Teil des Akkus nur als Range Extender für besonders lange Fahrten verwendet wird.
Das hybride Akkupack, Gemini, existiert derzeit nur als Konzept und praxisuntauglicher Prototyp. Für die Demonstration mit dem Tesla S(öffnet im neuen Fenster) wurde ein 203,7 kWh Akkupack verbaut. Ein Teil des Akkus wurde mit LFP-Zellen ausgestattet und der Rest mit herkömmlichen Nickel-Mangan-Cobalt-Zellen (NMC). In der kommerziellen Form des Akkupacks sollen die LFP-Zellen etwa 200 km Reichweite für den alltäglichen Gebrauch bieten und der Rest des Akkupacks mit speziellen Akkuzellen die maximale Reichweite erhöhen.
Der Prototyp hatte ein großes Brandrisiko
Um eine höhere Energiedichte im Prototyp mit herkömmlichen NMC-Zellen zu erzielen, gab es laut Interviews mit ONE-Chef Mujeeb Ijaz(öffnet im neuen Fenster) keinerlei Kühlung im Akkupack. Der Tesla fuhr auf ebener Strecke im Winter mit knapp 90 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit, um den Akku nicht zu überhitzen. Das stellt unter normalen Bedingungen ein erhebliches Feuerrisiko dar. Die Fahrt damit war nur unter Aufsicht und gut kontrollierten Bedingungen ungefährlich.
Ein ähnliches Akkupack kann auch in einem SUV von BMW verbaut werden, das größer, schwerer, weniger aerodynamisch und damit weniger effizient als der Tesla S ist. Es sollte dennoch für 1.000 km Reichweite ausreichen. Praxistauglich soll das Konzept erst mit anderen Akkuzellen werden. Dabei sollen Technologien zur Anwendung kommen, die herkömmliche Anforderungen an Elektromobilität nicht erfüllen, wie etwa hohe Lebensdauer. Wenn der LFP-Akku die alltäglichen Fahrten übernimmt und regelmäßig geladen wird, wird der Rest des Akkus seltener genutzt.
Ijaz sieht fehlende Reichweite von Elektroautos als wichtigste Hürde bei der Energiewende im Autoverkehr. Besonders bei hohen Geschwindigkeiten fällt die Reichweite in der Praxis stark ab. Die Firma hat sich das Ziel einer Verdopplung der Akkukapazität herkömmlicher Akkupacks gesetzt, möglichst ohne Verwendung von Nickel und Kobalt. Ob Reichweite der Autos in Anbetracht von Lieferproblemen und Wartezeiten über einem Jahr wirklich das Hauptproblem der Elektromobilität ist, darf dabei durchaus bezweifelt werden.
Eine gute Technik mit der falschen Zielsetzung
Die Vermeidung von Nickel und Kobalt ist ONE durchaus ernst. Deshalb soll der zweite Akku keinesfalls ein regulärer NMC-Akku sein, sondern auf anderer Technik basieren. Konkrete Aussagen zur geplanten Akkutechnologie gibt es aber noch nicht. Die Firma habe viele Anfragen von Herstellern, die Zellen mit hoher Energiedichte bauen können sollen, die ähnlich hitzebeständig wie LFP sind, aber nicht Haltbarkeit normaler Akkus von Elektroautos haben.
ONE selbst habe eine Akkuchemie auf Basis von Lithium-Manganoxid entwickelt, Details wurden nicht genannt. Möglicherweise werden anionische Redox-Reaktionen genutzt, um die Kapazität zu erhöhen - eine Technik, die potenziell billigere, aber noch keine ausreichend stabilen Kathoden hervorgebracht hat. Infrage kämen auch Lithium-Schwefel-Akkus, wie sie etwa von der inzwischen insolventen Firma Oxis-Energy(öffnet im neuen Fenster) entwickelt wurden.
Es bleibt zunächst abzuwarten, ob der geplante BMW-Prototyp mit ONE-Akkupack praxistauglich und sicher ist. Selbst dann sind einige Probleme bereits absehbar: Wer nicht regelmäßig Gelegenheit zum Laden des Akkus hat, wird vom Konzept des Hybridakkus mit fragilem Zweitakku wenig Vorteile haben.
ONE ignoriert den Lithiumverbrauch
Vor allem geht die Zusatzkapazität unvermeidlich mit viel höherem Lithiumverbrauch pro Auto einher, andere Technologien kommen für die Maximierung der Reichweite eines wenig aerodynamischen SUV kaum in Frage. Das ist in Anbetracht einer weltweiten Lithiumknappheit ein Versorgungsproblem und geht deshalb auch ohne Nickel und Kobalt mit hohen Kosten einher. Den Preis sieht Ijaz aber nicht als Hindernis bei der Umstellung auf Elektroautos. Das ist in China anders, wo eine ähnliche Technik bereits im Einsatz ist.
Das Konzept von hybriden Akkupacks wie Gemini wird bereits seit 2021 vom chinesischen Hersteller NIO(öffnet im neuen Fenster) mit Packs aus LFP- und NMC-Akkus umgesetzt und ausgeliefert, samt Kühlung und Brandschutz. CATL plant das Gleiche mit der AB-Batterie in der Natriumionen und Lithiumionen-Akkus verbaut werden sollen. NIO und CATL sind sich des Problems der Knappheit von Lithium und Nickel bewusst und wollen mit Hybridakkus Kosten und Rohstoffverbrauch reduzieren und dabei möglichst kleine Verluste an Reichweite in Kauf nehmen.
Demgegenüber sind ONE und BMW ausschließlich auf maximale Reichweite fixiert und nehmen dabei auch viel höheren Rohstoffverbrauch und Akkuverschleiß in Kauf. Hersteller wie Mercedes haben das gleiche Ziel und verbessern stattdessen die Aerodynamik. Das vorgestellte Hybridakkukonzept reduziert die Zahl der Elektroautos, die im Rahmen der verfügbaren Rohstoffe gebaut werden können. Ein Auto mit doppelter Akkukapazität benötigt so viel Lithium wie zwei Autos mit normalem Akku.
Mit der richtigen Zielsetzung ist die Technik gut
Andererseits ist es ONE ernst mit der Vermeidung von Nickel und Kobalt. Die Firma hat bereits ein Akkupack namens Aries(öffnet im neuen Fenster) entwickelt, das ausschließlich Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP) verwendet. Es erreicht mit den hitzebeständigen Zellen eine besonders hohe Packungsdichte. Akkuzellen machen darin 76 Prozent des Volumens aus. Das LFP-Pack im Tesla Model 3 kommt nur auf etwa 50 Prozent, die Blade Battery von BYD auf 64 Prozent. Aries erreicht damit, bezogen auf das Volumen, Energiedichten die selbst gebräuchliche NCA und NMC-Akkupacks übertreffen.
Die 550 kg schweren Akkupacks mit 78 kWh Kapazität sind durch ihre vergleichsweise niedrige Leistung, lange Ladezeit von einer Stunde und die große Bauhöhe von 23 cm derzeit aber nur für Nutzfahrzeuge und Busse gedacht. Eine Weiterentwicklung dieser Technik könnte das ändern. Aries ist weniger aufsehenerregend als ein Tesla mit 1.200 km Reichweite. Aber mit der hohen Packungsdichte könnte diese Technik auch mit Zellen von Natrium-Ionen-Akkus verwenden werden, mit denen herkömmliche Akkupacks für einige Hersteller zu groß wären. Ob die Technik von ONE gut oder schlecht für die Energiewende im Autoverkehr ist, ist keine Frage der Technik, sondern davon, was mit ihr getan wird.



