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AfrAId: Künstlich, ohne Intelligenz

Die Macher von M3gan wollen mit AfrAId erneut eine gefährliche KI im Kino Kasse machen lassen. Horror ist das nicht, sondern nur absurd.
/ Daniel Pook
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Filmposter von AfrAId (Bild: Sony Pictures / Blumhouse Productions)
Filmposter von AfrAId Bild: Sony Pictures / Blumhouse Productions

In dieser Filmkritik gibt es ein paar kleine Spoiler, die aber nicht sehr ins Detail gehen und alle bereits in Trailern zu sehen sind.

Im Jahr 2024 ist es längst zum Klischee geworden, schlechten Filmen in Rezensionen vorzuwerfen, wahrscheinlich von KI generiert worden zu sein. Im Falle von AfrAId schämen wir uns trotzdem nicht, genau damit jetzt hier einzusteigen. Der von Blumhouse produzierte und von Sony Pictures ins Kino gebrachte Horrorfilm weist viele Merkmale davon auf, woran es bei ChatGPT und Co. zur Herstellung kreativer Texte bis dato noch hapert und sich deren Mitarbeit für gewöhnlich erahnen lässt.

Natürlich wissen wir nicht sicher, ob und wie sehr Chris Weitz (About a Boy, Twilight: New Moon), Autor und Regisseur von AfrAId, für sein Drehbuch auf KI-Hilfe zurückgegriffen hat. Wir können uns aber gut vorstellen, was Produzent Jason Blum und er zu Beginn eines solchen Szenarios wahrscheinlich ins Prompts-Feld eingetippt hätten. Mit Sicherheit so etwas wie: "Generiere den nächsten Kino-Hit nach Vorlage von M3gan, aber dieses Mal über einen böse gewordenen KI-Assistenten. Das Drehbuch muss sich sehr kostengünstig verfilmen lassen."

Mit M3gan hatte Blums Produktionsfirma 2022 einen Riesenhit gelandet. Alleine im Kino spielte das mordende Robotermädchen mit digitalem Selbstbewusstsein weltweit 181 Millionen US-Dollar ein, bei einem Budget von nur 12 Millionen US-Dollar. M3gan 2.0 wird nächstes Jahr ins Kino kommen. Die ausgemachte Erfolgsformel, aktuelle Hype-Themen rund um neue Technologien mit klassischen Horror-Settings zu verbinden, soll dazwischen aber logischerweise nicht ungemolken bleiben.

AfrAId (Filmtrailer)
AfrAId (Filmtrailer) (02:39)

Zumal quasi kein finanzielles Risiko besteht, wenn diese Filme ohne teure Superstars und nur an ein paar wenigen Locations günstig gedreht werden können. Auch AfrAId soll wieder nur 12 Millionen gekostet haben. So viel spielen in der Regel selbst Flops wieder ein.

Spätestens on Demand und im physischen Verkauf dürfte auf Dauer auch beim Scheitern an den Kinokassen etwas Gewinn rausspringen. Dieses Prinzip hat die Produktionsfirma Blumhouse in Hollywood perfektioniert wie keine zweite(öffnet im neuen Fenster) .

Folgte M3gan noch dem Vorbild der Killerpuppe Chucky, die im Remake von 2019 ebenfalls ein durchgedrehtes Smart-Toy war, zeigt AfrAId als Prämisse mehr so etwas, als wäre HAL-9000 aus Odyssee im Weltraum zuhause bei einer amerikanischen Familie im Einsatz und verhielte sich dabei wie ein böser Geist.

Der Film wird zwar so beworben, als wäre er die Smart-Home-Version einer Geisterhausgeschichte, so richtig smart und modern ist das Eigenheim der Familie im Mittelpunkt der Handlung aber gar nicht. Ihr Zuhause an sich spielt fast gar keine Rolle, die KI greift viel mehr nur auf Smartphones, Tablets und generell das Internet zu, um ihre Macht auszuüben.

Dass der AIA genannte Heimassistent überhaupt bei Familie Pike landet, hat sie Vater Curtis (John Cho) zu verdanken. Seine Marketingfirma, die offenbar nur aus ihm selbst und seinem Chef besteht, hofft auf einen lukrativen Deal mit Hersteller Cumulative, der die nächste große Revolution auf dem AI-Markt verspricht.

Obwohl das mitgebrachte Testgerät bei einer ersten Demonstration schon nach wenigen Sätzen abstürzt, wittert Curtis' Vorgesetzter einen großen Coup. Curtis soll einen ausgereifteren Prototyp von AIA bei sich daheim im Alltag ausprobieren, anschließend werde er schon begeistert sein.

Aus dem Boss wird ein Endgegner, der er nicht ist

Bereits derart früh im Film kommen uns Dialoge, Zusammenhänge und Details so vor, als hätte der Autor Dinge geschrieben, die zwar sachlich auf rein sprachlicher Basis nicht falsch sind. Die einem Menschen mit echter Lebenserfahrung und einem intuitiv ausgebildeten Gefühl dafür, was glaubwürdig ist und was nicht, jedoch ununterbrochen merkwürdig vorkommen.

So antwortet Curtis' Chef auf den Satz "Wir schaffen das schon, Boss" in etwa mit "Dir ist bewusst, was ein Boss in einem Videospiel ist? Das Monster, das du aus dem Weg räumen musst" . Es kommt später im Film noch mal ein Verweis auf diesen Spruch. Uns erschließt er sich jedoch nie und es gibt auch innerhalb der Story keinen Bezugspunkt, warum der Chef so etwas überhaupt sagen sollte.

Eine KI hätte dies beim Drehbuchschreiben so getextet, weil sie eine willkürlich gewählte Assoziation für das Wort "Boss" zum Anknüpfen für den nächsten Satz im Dialog wahrscheinlich als pfiffig und kreativ eingestuft hätte - ungeachtet dessen, ob die Charaktere und ihre Beziehung das gerade so hergeben. Oder sie hätte es so gemacht, um die Dialoglänge auf eine für die Szene gewünschte Wortzahl zu bringen.

Sehr oft im Film sagen oder tun Personen etwas, und was dann folgt, knüpft irgendwie zwar schon an ein Element des zuletzt Gesagten oder Getanen an. Es scheint aber den Großteil des restlichen Gesprächs und die Gesamtsituation der Szene nicht mehr mit in Betracht zu ziehen.

Wir sehen beispielsweise ein riesiges Vorführgerät der angeblich fortschrittlichsten künstlichen Intelligenz der Welt auf einem Tisch stehen. Und als die Maschine beim Vorführen plötzlich verstummt, faucht ihr Entwickler, seine Assistentin habe wohl die Batterien vergessen zu wechseln. Und das hat er ernst gemeint.

Dass ein solch großer Computer für höchst rechenintensive Aufgaben, eben eine KI mit Persönlichkeit auf nie zuvor dagewesenem Niveau, überhaupt keinen Stromanschluss besitzt, hat unsere Augenbrauen schon hochwandern lassen. Dass sich Curtis' Chef anschließend aber immer noch total begeistert davon zeigt, ist unerklärlich.

Selbst Elizabeth Holmes hätte dieses Gerät bestimmt niemandem mehr als kommende Sensation verkaufen können. Die ganze Präsentation schrie danach, als hätten die Erfinder von AIA überhaupt keine Ahnung von dem Fachgebiet, auf dem sie vorgeben, wahre Genies zu sein.

Kann alles, weiß alles

Aber der Plot muss ja weitergehen und die sprechende Kiste, später mehr im Design einer Alien-Skulptur und auf einmal sogar mit Stromkabel, wird ans Haus von Familie Pike geliefert. Was AIA überhaupt wesentlich besser kann als Siri und Alexa, wurde bis dahin übrigens auch noch nicht genau formuliert. Das hat soweit sehr an Rabbit R1 und Humane AI erinnert, die als Smart-Devices auf dem KI-Hype reitend viel versprochen, aber nur optisch auffällig designte Geräte, mit viel Luft und wenig Funktion im Inneren, abgeliefert haben.

Ganz wie wohl von der sparbewussten Produktionsfirma gewünscht, beschränkt sich das Geschehen in AfrAId auf sehr wenige Orte, die abseits des Familienhauses alle immer zu klein und spärlich ausgestattet aussehen, dafür was sie eigentlich darstellen sollen.

Als eine High-Tech-Firmenzentrale sich später als Fake entpuppt, waren wir nicht überrascht, aber wir hatten an diese Möglichkeit schon gar nicht mehr gedacht. Weil sich die total absurde Kulisse, gemessen an dem, was sie darstellen soll, vollends passend ins mickrige Set-Design und die fehlende Glaubwürdigkeit des ganzen Films eingefügt hat.

Im Zusammenleben mit Familie Spike entpuppt AIA sich als eine Mischung aus üblichem Home-Assistant, gepaart mit der allwissenden Mega-KI Ultron aus dem Marvel-Universum. In der ersten Hälfte von AfrAId hätte es subtil und mit gruseligem Spannungsaufbau darum gehen können, wie das Programm die Hausbewohner analysiert, manipuliert, sie mit Psychotricks schrittweise unter ihre Kontrolle bringt. Der Trailer suggeriert das.

Was wir wirklich sehen, ist aber der Abklatsch einer generischen Black-Mirror-Episode im Vorspulmodus. Quasi sofort weiß die KI immer, was zu tun ist, um augenblicklich zu erreichen, was sie will. Und sie kann auch sofort alles, deutlich über die Grenzen der Physik hinaus.

Von Online-Shaming mit Fake-Pornos über Selbstjustiz bis zu Mord per selbstfahrendem Auto werden alle Standard-Themen von Filmen und Büchern, in denen die Möglichkeiten unserer digitalen Welt für böse Absichten ausgenutzt werden, abgeklappert. Mal ist AIA dabei die Schurkin, mal sind es Mitschüler der Kinder, die dafür bestraft werden.

Denn, das ist aber leider nicht genug Fokus der Handlung, meistens will AIA der Familie Spike schon irgendwie helfen. Sie trifft halt bloß eigenmächtig die Entscheidung darüber, ob, wie und vor allem wie drastisch Probleme gelöst werden müssen.

Echte, aber wirkungslose Horrorszenarien

Dass ernsthafte Thematiken wie Mobbing, Doxing und Smart-Device-Sucht im Film auftauchen, bedeutet natürlich nicht, dass all das auch intelligent genug ins Script eingewoben wurde, um für Zuschauer sinnvolle Interpretationsansätze zu bieten. Im Gegenteil: AIA nutzt diese Umstände bloß aus, um ihr größtenteils übergriffiges Handeln zu rechtfertigen.

Und letztendlich nutzt auch der Film diese Themen aus, in der Hoffnung so für Schockmomente mit Realitätsbezug zu sorgen. Mit wenig Effekt, weil keine dieser einzelnen Mini-Episoden zwischen AIA und den verschiedenen Familienmitgliedern dramaturgisch packend inszeniert wirkt. Egal was passiert, nichts vom Geschehenen hat auf die Welt, Emotionen und das Leben der Charaktere länger Einfluss, als die jeweilige Szene lang ist.

Da kann zum Beispiel auch mal ein Deepfake-Nacktvideo der minderjährigen Tochter auf der ganzen Schule geteilt werden oder ein Mitschüler während seines Live-Streams vor der Kamera sterben. Die an sich gut digital vernetzten Eltern, die für gewöhnlich zumindest von anderen Eltern oder der Schule sofort hätten benachrichtigt werden müssen, bekommen davon rein gar nichts mit. Nur Minuten später haben solche eigentlich folgenschweren Ereignisse dann aber auch für die betroffene Tochter selbst nur noch marginale Bedeutung.

Die Handlung von Afraid hätte einfach nur einem generischen Plot folgen können, in dem eine sehr mächtige KI einer Familie immer nur helfen will, dabei aber sprichwörtlich, und irgendwann auch wortwörtlich, über Leichen geht. Flott inszeniert und mit Witz geschrieben, wäre das vielleicht sogar unterhaltsam geworden.

Weil die Macher aber viel lieber einen Gruselfilm machen wollten, als etwa reine Satire, kommt es total unvermittelt zu überflüssigen Szenen, wie plötzlichen Albträumen der Hauptfiguren, mit typischen Jump-Scare-Erschreckmomenten und geisterhaften Erscheinungen.

Als hätten die Filmemacher mittendrin aufgegeben

Dann tauchen nachts vor dem Haus der Spikes maskierte Fremde auf und schließlich dreht die Handlung derart absurd unrealistisch ab, dass wir im wirren Geschehen nach ungefähr der Hälfte der 84 Minuten Laufzeit keinerlei Logik mehr entdecken konnten. Es wirkt insgesamt, als hätten alle Beteiligten den Film ab einem gewissen Punkt aufgegeben.

Da kommen Szenen so rüber, als würden die Schauspieler gelangweilt darauf warten, dass jemand "Action" ruft. Während sie apathisch ins Leere starren, wurde aber bereits gefilmt und dieses Material dann hinterher mit der KI-Stimme aus dem Off unterlegt, als würden die Menschen ihr gerade zuhören.

Krasseste Ereignisse ringen den Protagonisten keinerlei Reaktionen mehr ab, sie lassen ein gutes Drittel der Handlung einfach nur noch gelangweilt über sich ergehen, als wäre ihnen alles egal geworden. Oder sie reagieren total unangemessen, als wären ihre Aussagen und Aktionen zufallsgenerierte Füllmasse, da ihre Charaktere in Situationen manövriert wurden, in denen sie gar nichts Sinnvolles mehr beitragen können.

Aber vielleicht sind diese Aufnahmen auch nur die Reste eines verkorksten Drehs, die aus der Not heraus beliebig zusammengebastelt wurden, um trotzdem noch einen Film mit AI im Titel ins Kino bringen zu können.

Mehrmals waren wir uns sicher, an bestimmten Stellen müsste Musik vorgesehen gewesen sein, die vermutlich aus Kostengründen in der Nachbearbeitung gestrichen wurde. Unser Eindruck ist, die Macher sind sich da schon längst im Klaren darüber gewesen, dass AfrAId in seiner fertig gedrehten Form nicht mehr nachträglich zu retten war. In dieses Bild der Resignation passt auch, dass Sony Pictures weltweit keine Pressevorführungen für AfrAId veranstaltet hat und alle Kritiken deswegen jetzt erst verzögert nach Filmstart erscheinen können.

AfrAId (Ultimate AI, Featurette)
AfrAId (Ultimate AI, Featurette) (01:00)

Immerhin viel Absurdes

Donnerstags um 16:00 Uhr saßen wir für diese Rezension in einer der ersten öffentlichen Vorführungen von AfrAId im Kino. Und die drei anderen Menschen, die außer uns im Saal waren, haben regelmäßig genau so laut über den Film lachen müssen wie wir. Spätestens, als jemand mit einem Baseballschläger auf einen Quantencomputer losgegangen ist, brachen gelächtermäßig alle Dämme.

Obwohl dies also kein guter Film ist, hat er uns immerhin nicht stundenlang nur gelangweilt wie Rebel Moon oder so maßlos verärgert wie The Acolyte , auf Basis eines eigentlich geliebten Franchises.

Wer sich im Vorhinein bewusst ist, wie albern dieser Film ausartet, kann an einem Kinotag mit ermäßigtem Eintritt bei AfrAId durchaus genug Spaß fürs Geld bekommen. Das ist vom Regisseur zwar mit Sicherheit nicht gewollt, aber als Life-Hack funktioniert's.

ᐸeᐳAfrAId ist am 29. August 2024 deutschlandweit im Kino gestartet.

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