Was bedeutet der Firmenname Ridgerunner?
Das Wort "Ridgerunner", deutsch "Gratwanderer", steht nicht nur für die Bewohner der bergigen Gebiete im Südosten der USA wie beispielsweise den Appalachen. Es ist auch die offizielle Bezeichnung für Menschen, die auf dem Appalachian Trail, also in dem ausgedehnten Naturgebiet, arbeiten und dort beispielsweise Wanderer mit Rat und Tat betreuen.
Eine dritte Bedeutung von "Ridgerunner" ist dagegen nur in Virginia, Arkansas, Tennessee und dem östlichen Oklahoma seit den Zeiten der Prohibition gebräuchlich: Die Gratwanderer waren (und sind vielleicht noch) diejenigen, die die Produkte der sogenannten Moonshiners, also der illegalen Schnapsbrenner, von den abgelegenen Produktionsstätten zu den Kunden brachten.
Dass Josh Abbotoy seine Firma so benannt hat(öffnet im neuen Fenster) , soll wohl bestimmte Emotionen wecken: Neben Naturverbundenheit (beziehungsweise der Verbundenheit zu ausschließlich amerikanischer Natur) und der Hoffnung, zu einer gleichgesinnten Community zu gehören, steht es für die weitgehende Ablehnung des Staats und seiner angeblich die Freiheit seiner Bürger einschränkenden Gesetze – wie das Verbot, selbst Schnaps zu brennen.
Dabei haben die staatlichen Vorschriften gesundheitliche Vorteile, denn neben Methanol-Vergiftungen können auch andere Gesundheitsrisiken entstehen. Noch in den achtziger Jahren wurden bei der Analyse von Moonshine-Proben im Bundesstaat Georgia potenziell gefährliche Konzentrationen von Schwermetallen wie Arsen, Blei, Kupfer und Zink gefunden, von zwölf Arsen-Vergiftungsfällen hatte sich dort mehr als die Hälfte direkt auf kontaminierten illegalen Schnaps zurückführen lassen.
Noch in den 2010er Jahren wurde offiziell davor gewarnt, dass die Rohrverbindungen von als Kondensatoren verwendeten Heizkörpern Blei freisetzen können, was unter anderem zu schweren Nierenerkrankungen führen kann.
Viele ungeklärte Fragen
Ob das Projekt ein Erfolg wird, ist derzeit natürlich völlig unklar. Niemand weiß, wie groß die Zielgruppe ist – und selbst wenn es Zigtausende evangelikale Tech-Bros gäbe, heißt das natürlich nicht automatisch, dass sie sich auch alle danach verzehren, in die Appalachen zu ziehen.
Möchte jemand, der einen anstrengenden und fordernden Job in der Tech-Industrie hat, wirklich nebenher noch den Bau eines Hauses in einem eher abgelegenen ländlichen Gebiet planen und umsetzen? Und sich dazu an den vielen kleinen und großen Entscheidungen, die laut den Vordenkern für den Aufbau der Community getroffen werden müssen, beteiligen? Plus das eigene Leben sozusagen einer Kirche und einer Vision opfern?
Internationale Anerkennung? Eher nicht
Dass es auf dem zur Parzellierung vorgesehenen Gebiet eine alte Farm gibt, heißt noch lange nicht, dass die – so vorhandenen – Wasser- und Stromanschlüsse beliebig ausgebaut werden können, ganz zu schweigen von adäquaten Abwasserkanälen. Dass Versorger, Baufirmen und Zulieferer die Grundstücke überhaupt erreichen können, wirkt zudem beim Blick auf die Karte des Gebiets höchst unwahrscheinlich.
Und das sind nur die kleinen Hindernisse auf dem Weg zum eigenen evangelikalen Staat. Zu den größeren gehört unter anderem, dass die gesetzgeberische Freiheit dort endet, wo die Gesetze des Bundesstaates und des Landes gelten – oder des Countys, mit dessen Einwohnern es man sich beeindruckend schnell verscherzt hat.
Auch die Sache mit der internationalen Anerkennung dürfte schwieriger werden als propagiert, denn derzeit gibt es kein Land, in dem evangelikaler Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und allgemein Verachtung anderer Religionen sowie die Unterdrückung von Frauen gleichermaßen geschätzt werden.
Nur ein Plan, bei dem einige sehr reich werden und andere abzocken?
Andererseits könnte die gezielte Ansiedlung rechter Wähler zu demoskopischen Veränderungen führen. Eindeutige Berechnung solcher möglichen Auswirkungen gibt es jedoch noch nicht – zumal in derartige Kalkulationen auch einfließen müsste, dass Wahlberechtigte nur an einem Ort ihre Stimme abgeben können und jeder Umzug in die Appalachen einen Republikaner-Wähler weniger anderswo bedeutet.
Vielleicht ist das Ganze – siehe Trumps Merchandising – in Maga-Kreisen nicht unüblich, aber auch nur ein Plan, bei dem einige Menschen sehr reich werden und andere sich am Ende abgezockt fühlen.



