Abhängigkeiten: Europa bekämpft Mangel an seltenen Erden

Der Industriekommissar der EU-Kommission, Stéphane Séjourné, fordert den Aufbau einer Rohstoffreserve, um bei Lieferengpässen oder gezielten Lieferstopps abgesichert zu sein. Seltene Erden, vor allem jene, die für Hochleistungsmagnete benötigt werden, sollen als strategische Reserve vorgehalten werden, wie unter anderem das Handelsblatt(öffnet im neuen Fenster) berichtet. Auch Japan, Südkorea oder die USA gehen ähnlich vor, schon seit Jahren.
Zudem soll der Critical Raw Materials Act(öffnet im neuen Fenster) , ein Gesetz, das die Verringerung der Abhängigkeit bei 17 kritischen Rohstoffen von einzelnen Drittstaaten vorsieht, in der Umsetzung beschleunigt werden.
22,5 Milliarden Euro
Die Ausschreibungen für die nächsten Projekte sollen in dieses Jahr vorgezogen werden. Bereits genehmigt sind 60 Projekte vom Abbau bis zur Substitution der kritischen Rohstoffe, 47 davon innerhalb der EU. Aktuell werden die nötigen Investitionen für alle Projekte zusammen auf 22,5 Milliarden Euro geschätzt.
Die größten Abhängigkeiten bestehen derzeit bei seltenen Erden, die für Permanentmagnete benötigt werden, bei Magnesium und Bor. Annähernd 100 Prozent der Lieferungen in die EU erfolgen aus China beziehungsweise bei Bor aus der Türkei. Aber auch bei Nickel, Cobalt, Lithium, Titan und Wolfram sollen aktuelle und zukünftige Konzentrationen auf einzelne Drittstaaten bei der Versorgung vermieden werden.
Kleine Schritte
Dabei werden feste Anteile beim Einsatz der kritischen Rohstoffe helfen. 10 Prozent müssten demnach ab 2030 aus lokalem Abbau stammen. 25 Prozent muss Recycling ausmachen. Zudem sollen 40 Prozent der Materialien innerhalb der EU verarbeitet worden sein und aus keinem Drittstaat allein dürfen mehr als 65 Prozent eines gelisteten Rohstoffs kommen.
Die Projekte verteilen sich über ganz Europa und besonders bei Lithium scheinen die Chancen gut zu stehen, größere Mengen vor Ort zu fördern. In der Oberrheinischen Tiefebene zwischen Deutschland und Frankreich soll es aus Vulkangestein gefördert werden.
Im Erzgebirge zwischen Tschechien und Deutschland will man ab 2027 Zinnwaldit abbauen. Das Mineral wurde bereits vor 200 Jahren in der Region entdeckt und enthält bis zu 4,5 Prozent Lithiumoxid. Wolfram, Cobalt oder Kupfer könnten bald aus Spanien oder Rumänien kommen. Allein 36 der 60 Projekte befassen sich mit dem Abbau.
Seltenerdmetalle aus Afrika
Zur Versorgung mit seltenen Erden findet sich nur ein europäisches Projekt in Schweden. Hinzu kommen zwei potenzielle Abbaugebiete in Malawi und Südafrika, die bereits gefördert werden, aber noch ohne festen Zeitplan sind.
Noch nicht überzeugen kann die Auswahl an Projekten zum Recycling und zur Substitution der kritischen Rohstoffe. Gerade einmal zwei Anlagen zur Rückgewinnung von seltenen Erden sind auf der Liste der Förderprojekte enthalten.
Immerhin soll bereits 2026 ein Ersatzstoff für Germanium in Solarzellen aus Belgien kommen. Ansonsten wird in vielen der Projekte erst nach 2030 mit einem Produktionsstart gerechnet.
Diversität ist gefragt
Dass hier die Bemühungen intensiviert werden müssen, um Anlagen schneller in Betrieb nehmen zu können, scheint in jedem Fall angebracht. Zudem muss eingeplant werden, dass nicht jedes Projekt ein Erfolg wird, also zumindest in der Planungsphase Überkapazitäten entstehen könnten.
Unabhängig von Rohstoffen wird Europa damit längst nicht. Aber die Chancen stehen gut, dass schlussendlich verschiedene Länder mit ganz unterschiedlichen eigenen Interessen als Lieferanten bereitstehen. Sich von einem einzelnen Handelspartner abhängig zu machen, egal zu welchen verführerischen Konditionen, noch dazu bei absolut essenziellen Rohstoffen, ist als Strategie jedenfalls gescheitert, wie die letzten Jahre zeigen.



