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64er-Magazin: Das Tor zur Computerwelt für eine ganze Generation

Zickt der Computer heute rum, bietet irgendein Youtube-Video eine Lösung. Mitte der 1980er Jahre gab es zwar kein Internet , aber das 64er -Magazin.
/ Lars Lubienetzki
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Das Cover des 64er-Magazins vom August 1985 (Bild: Weka Consumer)
Das Cover des 64er-Magazins vom August 1985 Bild: Weka Consumer

Seit der Erfindung des iPhones befindet sich die Menschheit ununterbrochen im Netz. Sämtliches Wissen der Welt steht jederzeit im Taschenformat zur Verfügung. Menschen, die nach dem Jahr 2007 geboren wurden, kennen nur den Zustand des permanenten Onlineseins.

Das Smaprthone der 80er war der C64, der erste erfolgreiche Heimcomputer der Welt, der später den liebevollen Beinamen "Brotkasten" bekam. Für die meisten Leute war er allerdings in erster Linie ein Gerät für Tele- oder Videospiele mit Tastatur. Auch für mich.

Hatte ich vorher auf der Atari-Konsole gedaddelt, tauschte ich nun auf dem Schulhof Musikkassetten, auf denen gecrackte C64-Spiele gespeichert waren. Die zockte ich allein oder mit Freunden.

"Brotkasten" habe ich meinen C64 übrigens nie genannt. Von der Bezeichnung habe ich erst viele Jahre später erfahren, lange nach meiner Computerfrühphase. Hätte es damals schon das Internet gegeben, vermutlich wäre mir der Begriff eher zu Gehör gekommen.

64er liefert Informationen aus erster Hand

An Informationen über die neuen Maschinen zu kommen, war in der Anfangszeit der Computerisierung ein schwieriges Unterfangen. Wer jemanden kannte, der irgendetwas wusste, konnte sich glücklich schätzen.

Bis zum April 1984. In diesem Monat erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift 64'er - das Magazin für Computerfans. Aufgefallen ist mir die Zeitschrift erst Monate danach, neben den Comics und der Bravo lag im Zeitschriftenregal dieses blaue Magazin mit dem 64er-Logo in Regenbogenschrift.

Es muss die Ausgabe 7 oder 8 des Jahres 1984 gewesen sein, die ich dann mit nach Hause nahm. Ich erinnere mich noch an den Duft beim Durchblättern der Seiten, meine Neugierde auf den Inhalt.

Am Anfang habe ich nichts verstanden

Ich gebe zu: Am Anfang habe ich so gut wie nichts von den behandelten Themen verstanden. Die Zeitschrift eröffnete mir aber eine Welt, von der ich bis dato nichts wusste.

Die Werbeanzeigen ließen erahnen, dass es spezielle Geschäfte gab, in denen ich Computerzubehör bekommen oder die aktuellsten Games auf legale Weise kaufen konnte. Solche Läden gab es nicht an prominenter Stelle in den Fußgängerzonen der Großstädte, sondern eher versteckt in den Nebengassen. Oder als Annonce ganz direkt im 64er-Magazin.

Neugier auf Computer und Programmierung

Meine illegalen Tauschaktionen per Kassette auf dem Schulhof habe ich ja bereits gebeichtet - und damit auch, dass ich Datasetten-Besitzer war. Von einem Floppy-Laufwerk träumte ich nur beim Blättern im 64er-Magazin. Im Liveeinsatz erlebte ich so ein Diskettenlaufwerk nur ab und an über Schulfreunde.

Mit jeder weiteren 64er-Ausgabe wuchs mein Wissen und gleichzeitig die Neugierde, neue Dinge auszuprobieren. Zeit zum Probieren gab es reichlich. Schließlich kam nicht jedes Jahr ein neues C64-Modell auf den Markt.

So verbrachte ich auch immer mehr Zeit damit, die Tastatur zu benutzen, um kleine Basic-Programme zu schreiben, angeregt durch die Lektüre des 64er-Magazins. Denn in jedem Magazin gab es ein oder mehrere Listings, heute würde man sagen Programmcodes. Auf mehreren Seiten haarklein abgedruckt, standen dort zunächst wirre Zahlen und Zeichen, die - ordentlich abgetippt - am Ende ein ausführbares Programm oder Spiel ergeben sollten.

Programm-Listings zum Abtippen

Für ein Listing saß ich mehrere Tage nach der Schule an meinem C64 und tippte Zeile um Zeile ab - voller Ehrgeiz, den Tabellenrechner oder das Adressbuch am Ende zu starten. Leider schlichen sich in die Listings regelmäßig Fehler ein oder ich vertippte mich.

Das Gefühl der totalen Frustration, wenn das Programm nach tagelanger Abtipparbeit nicht lief, spüre ich noch heute. Den Fehler selbst zu entdecken: aussichtslos. Daher hieß es: einen Monat auf die nächste 64er-Ausgabe warten und als Erstes die Fehlerteufel-Seite aufschlagen, um zumindest die offensichtlichen Fehler zu korrigieren.

Meistens musste ich dann jede Zeile nochmal checken, um eigene Tippfehler aufzuspüren. Bei bis zu 1.000 Zeilen oder mehr dauerte auch das in der Regel mehrere Tage.

Durch das regelmäßige Abtippen der Programm-Listings bekam ich mit der Zeit ein immer besseres Verständnis für die Struktur der Programmiersprache Basic. Dummerweise beschäftigten wir uns in der Schule in Informatik mit Pascal.

Zumindest zeigte es sich: Wer sich schonmal mit den Grundlagen einer Programmiersprache beschäftigt hatte, war klar im Vorteil. Informatik war Mitte der 1980er Jahre noch ein junges Schulfach. Daher gab es bei den Lehrern erhebliche Wissenslücken, was in der Folge zu absurden Diskussionen führte, bei denen am Ende meist die Schüler ein eigenes, funktionierendes Programm-Listing präsentierten.

Aus mir wäre allerdings nie ein großer Programmierer geworden. Immerhin schaffte ich es, kleine Alltagshelfer selbst zu programmieren, beispielsweise Eingabemasken, um daraus Listen zu erstellen.

Mein großer Traum damals: ein Programm zu schreiben, um damit die 1. Fußball-Bundesliga zu verwalten, also Ergebnisse einzugeben und anhand der eingegebenen Resultate die Tabelle zu berechnen. Nach vielen erfolglosen Programmierversuchen tauchte dann doch tatsächlich so ein Listing in meinem 64er-Magazin auf. Traum erfüllt.

Ein erster Blick in die Computerzukunft

Durch das regelmäßige Studieren der Zeitschrift bekam ich auch erste Eindrücke, wie Computer untereinander kommunizieren können. Immer wieder las ich über Akustikkoppler, eine frühe Variante des Modems. Wer so ein Gerät besaß, konnte über den Telefonhörer und das analoge Telefonnetz Daten oder ganze Programme von einem anderen Computer empfangen und auf dem eigenen Rechner aufrufen oder abspielen. Für mich klang das nach Science-Fiction und roch stark nach Zukunft.

Damals ahnte ich nicht, was technisch noch möglich sein würde. Doch über das 64er-Magazin bekam ich zumindest einen kleinen Einblick in mögliche neue Wege der Kommunikation oder der modernen Computertechnik inklusive Zubehör. Die Zeitschrift legte die Basis für mein Interesse an Computern und allem, was damit zu tun hat.

Doch unsere liebevolle Beziehung endete ungefähr vier Jahre, nachdem sie begonnen hatte. Wie so oft, weil eine andere auftauchte, genauer gesagt: ein anderer Computer in meinem Zimmer.

Denn bekanntermaßen schaffte es Commodore nicht, dem C64 einen würdigen Nachfolger zu schenken. Trotz der erloschenen Liebe schaute ich noch eine Weile im Zeitschriftenregal nach der aktuellsten Ausgabe des 64er-Magazins, blätterte ein wenig darin und steckte es wieder zurück. Auch diese Neugierde verschwand jedoch.

Das eigentliche Aus für das 64er-Magazin, Ende 1996, registrierte ich bewusst nicht mehr. Ich nahm es beiläufig zur Kenntnis. Zu schnell drehte sich inzwischen das Rad der Entwicklung im Bereich der Computertechnologie. Das nächste große Ding, das World Wide Web, zeichnete sich immer deutlicher ab. Vom C64 blieb die Erinnerung und ein weiteres Kapitel im Buch der Computerhistorie.

Kunstprojekt: 64er-Magazin

Wer sich an seine Liebe zu dem "Brotkasten" und die damalige Zeit erinnern möchte, sollte sich das Kunstprojekt von Michael Steil(öffnet im neuen Fenster) anschauen. Er lässt die Erinnerung an das 64er-Magazin und den Kult um die Heimcomputerszene in einer Onlineversion wieder aufleben. Die Artikelseiten sehen aus wie im Originalmagazin, inklusive der Schriftart.

Wie vor 40 Jahren erscheint jeden Monat eine neue Ausgabe. Jedes Heft lässt sich online durchstöbern oder komplett als PDF herunterladen und anschließend in Ruhe auf dem Tablet durchblättern.


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