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35 Jahre Populous: Einfach mal Gott sein

Vor 35 Jahren gewann Populous mit seiner farbenfrohen Grafik, dem originellen Spielkonzept und der technisch anspruchsvollen Umsetzung viele Preise. Wie spielt sich der Klassiker von Peter Molyneux heute?
/ Andreas Altenheimer
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Populous war für seine Zeit hübsch, clever und durchdacht. (Bild: Bullfrog/Medienagentur plassma)
Populous war für seine Zeit hübsch, clever und durchdacht. Bild: Bullfrog/Medienagentur plassma

Strategiespiele waren schon immer eher schwere Kost, die viel Grips und Geduld erforderten. Das galt vor allem für die 1980er Jahre, in denen einige Hardcore-Taktikspiele wie Romance of the Three Kingdoms (1985), Gettysburg (1986) oder Laser Squad (1988) erschienen. Sie alle hatten mehr oder weniger ähnliche Probleme: eine komplizierte Benutzerführung, eine visuell schlichte Präsentation und eine eher träge Spielgeschwindigkeit.

1989 drängten gleich zwei wichtige Klassiker auf den Markt, die dem Genre eine erfrischende Wendung gaben: Sim City und Populous. In beiden Titeln stand das Bauen im Vordergrund, allerdings mit jeweils anderen Schwerpunkten. Während man in Sim City eine Metropole errichtete, sich primär um deren Verkehrsnetz kümmerte und die Sicherheit seiner Einwohner gewährleistete, ging Populous einen wahrhaft größenwahnsinnigen Weg.

Der Echtzeit-Hit des britischen Entwicklerstudios Bullfrog Productions machte Spieler zu Göttern - und den Chefentwickler Peter Molyneux über Nacht zur Legende(öffnet im neuen Fenster) . Man herrschte über ein kleines Volk von Männchen, das es so schnell wie möglich zu vergrößern galt.

In jedem der insgesamt 500 Level trat man gegen einen feindlichen Gott an und musste ihn oder sein Volk mithilfe von Naturkatastrophen wie Erdbeben, Sümpfen, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen besiegen. Am Ende stand das Jüngste Gericht in Form eines Armageddon, bei dem sich die Männchen gegenseitig zu Tode prügelten und letztlich nur ein Sieger überleben konnte.

Liebe auf den ersten Screenshot

Verliebt habe ich mich in Populous dank eines euphorischen Testberichts in der Zeitschrift Power Play(öffnet im neuen Fenster) , der das Spiel mit wunderschönen Bildschirmfotos und einer Traumwertung von 92 Punkten würdigte. Haupttester Heinrich Lenhardt vermerkte in seinem persönlichen Meinungskasten sogar, es handele sich um "das originellste Computerspiel, das 1989 bislang erschienen ist" . Der Satz sollte sich als prophetisch erweisen, denn sieben Monate später erhielt Populous weltweit Spiel-des-Jahres-Auszeichnungen.

Leider musste ich noch ein Jahr warten, bis ich selbst in die Rolle eines Gottes schlüpfen konnte. Ich besaß damals noch einen alten C64, für den eine technisch abgespeckte Umsetzung geplant war, die dann aber doch nie erschien(öffnet im neuen Fenster) .

Erst 1990 bekam ich den wesentlich leistungsfähigeren Commodore Amiga, auf dem das Spiel ursprünglich erschienen war. Tatsächlich sollte sich die lange Wartezeit für mich lohnen und der starke erste Eindruck bestätigt werden.

Die größte Überraschung: Populous war nicht nur hübsch und clever, sondern auch verdammt gut durchdacht! Schließlich gab es damals kaum ein anderes Spiel, das inhaltlich so komplex und gleichzeitig so einfach zu steuern war.

Der Echtzeitfaktor sorgte automatisch für eine gehörige Portion Spannung und ließ mir den Schweiß auf die Stirn treten, wenn der computergesteuerte Gegner mich mit Katastrophen überzog. Gleichzeitig war die Benutzerführung gut strukturiert und gefiel vor allem durch die hervorragend gestalteten Icons, deren Bedeutung sich meist auf den ersten Blick erschloss.

Ansonsten machte es einfach Spaß, die Landmasse zu ebnen und das eigene Volk Stück für Stück wachsen zu sehen. In diesem Zusammenhang muss ich noch einmal auf Lenhardts Artikel in der Power Play zurückkommen und einen der frechsten Sätze zitieren, die ich je in einer Spielekritik gelesen habe: "Ihre Spielfiguren wohnen in netten Häuschen, in denen sie sich (für den neugierigen Spieler nicht sichtbar) munter vermehren." Man könnte auch sagen: Gut, dass das nicht sichtbar war, sonst wäre Populous weltweit nur für Erwachsene erhältlich gewesen.

Wenn ich dem Spiel etwas vorwerfen könnte, dann das typische Molyneux-Syndrom, an dem fast alle Spiele des Briten litten: So innovativ die meisten seiner Werke wie Theme Park, Magic Carpet (beide 1994) oder eben Populous auch waren, auf Dauer fehlte es ihnen an Abwechslung. Deshalb habe ich bis auf das skurrile Jump'n'Run Flood (1990) kein einziges Spiel von Bullfrog zu Ende gespielt. Zu Populous bin ich aber immer wieder gerne zurückkehrt, um mich für ein, zwei Stunden darin zu verlieren.

Godus - Interview und Gameplay mit P. Molyneux
Godus - Interview und Gameplay mit P. Molyneux (02:27)

Nachdem der Hype um das Spiel abgeklungen war, konnte ich mich noch zweimal für den Hit begeistern: Zum einen besorgte ich mir den Populous World Editor (1991), mit dem man eigene Grafiken und Settings basteln konnte. Zum anderen fand ich auch den grafisch hervorragenden Nachfolger Populous 2 (1991) sehr unterhaltsam, während ich das sieben Jahre später folgende Prequel Populous: The Beginning (1998) ignorierte und mir den erst viel später erschienenen Handheld-Ableger Populous DS (2008) in erster Linie für meine Sammlung kaufte.

Es ist also schon eine Weile her, dass ich mich ernsthaft mit diesem Klassiker beschäftigt habe. Nun schaue ihn mir anlässlich seines 35. Geburtstags noch einmal an. Und ganz ehrlich: Ich habe Angst, dass mir die Erinnerung einen Streich spielt und Populous gar nicht so gut war.

Anfängliche Verwirrung ...

Der Einfachheit halber installiere ich die PC-Version, die man via GOG(öffnet im neuen Fenster) , Steam(öffnet im neuen Fenster) oder direkt bei Publisher Electronic Arts(öffnet im neuen Fenster) kaufen kann.

Trotz des Systemwechsels fühle ich mich sofort heimisch, denn die Unterschiede zum mir bekannten Amiga-Original halten sich in Grenzen. Genau genommen beschränken sie sich auf Oberflächlichkeiten wie ein grafisch anders gestaltetes Startmenü oder eine deutlich dudeligere Hintergrundmusik, die auf dem Amiga viel düsterer und unheimlicher klang.

Irritiert bin ich über die Kopierschutzabfrage, die ich zu Beginn des ersten Levels beantworten soll. Demnach müsste ich im Handbuch des Spiels nachschlagen und den Namen des Wappens eintippen, das mir auf dem Bildschirm angezeigt wird. Das ist bei der digitalen Version von Populous jedoch nicht möglich: Zwar liegt ihr ein Handbuch im PDF-Format bei, aber von den Wappen ist darin nichts zu sehen.

Etwas ratlos tippe ich irgendetwas ein und kann danach trotzdem spielen - immerhin. Doch nach gut zehn Minuten passiert etwas Seltsames: Das Spiel bricht plötzlich ab und ich werde zum Verlierer erklärt. Und so ziemlich das Gleiche passiert mir kurze Zeit später beim zweiten Versuch.

Meine Befürchtung: Die Kopierschutzabfrage ist noch intakt und soll mir bei falscher Eingabe nur vorgaukeln, dass ich unbeschwert spielen kann - um mich dann mit einem unerwarteten Spielabbruch unsanft zu bestrafen!

Doch die Wahrheit kommt erst beim dritten Versuch ans Licht und lässt mich ziemlich dämlich dastehen: Ich hatte in den ersten beiden Fällen eine Flut ausgelöst und nicht bedacht, dass diese Katastrophe Auswirkungen auf die gesamte Spielkarte hat.

Mit anderen Worten: Der Erdboden der gesamten Welt wird um eine Ebene abgesenkt. Die Folge: Die von mir fein säuberlich geglättete Landmasse steht komplett unter Wasser, woraufhin mein gesamtes Volk innerhalb von zwei Sekunden kollektiv ertrinkt ... ups!

... langanhaltender Spielspaß

Abgesehen von diesem Fauxpas finde ich mich ziemlich gut ins Spiel ein und bin insbesondere recht fix im besagten Glätten des Erdbodens. Das ist nämlich das A und O einer Populous-Partie, damit mein Volk genügend Platz hat und in großen Schlössern statt in kleinen Hütten wohnen kann.

Von Zeit zu Zeit statte ich meinem Gegenüber einen Besuch ab und versumpfe sein Reich, woraufhin seine Bewohner sang- und klanglos im Treibsand versickern. Ein Erdbeben rüttelt kräftig einen Teil seines Reiches durch, auch wenn hier nur ein paar Löcher im Boden entstehen und der Schaden sich in Grenzen hält.

Effektiver ist der Vulkanausbruch, der einen riesigen Hügel erzeugt und die Landschaft mit festem Gestein bedeckt. Der geschädigte Gott muss daraufhin die gesamte Erdmasse nach unten drücken und die Steine im Meer versenken, um wieder eine bewohnbare Fläche zu erhalten. All das kostet viel Zeit und Energie. Letztere wächst im Übrigen umso schneller an, je größer das eigene Volk bereits ist.

Letztendlich muss ich die Spielanleitung nur wegen zweier Fragen konsultieren, deren Antworten mir nach all den Jahrzehnten entfallen sind. Zum einen will ich ein Ankh platzieren und zum anderen einen Ritter erzeugen - was beides auf Anhieb nicht so recht funktioniert.

Fazit: Populous ist ein würdiger Klassiker seiner Zeit

Erst durch die Anleitung erinnere ich mich, dass ich mit dem Ankh einen Anführer entstehen lassen und ihn obendrein von A nach B locken kann. Außerdem kann nur dieser Anführer zum Ritter geschlagen werden, der dann schnurstracks ins feindliche Lager marschiert und dort ein Gebäude nach dem anderen niederbrennt.

Tja, und das ist eigentlich das ganze Spiel. Für Abwechslung sorgen in Populous vor allem die vier grafisch unterschiedlichen Kulissen: Ich darf entweder auf einem grünen Kontinent, in einer schneebedeckten Landschaft, einem gelben Wüstenszenario oder einer brodelnden Lavakulisse Gott sein. Die spielerischen Unterschiede zwischen den Levels beschränken sich indes auf die Auswahl der mir zur Verfügung stehenden Katastrophen und die Aggressivität meines computergesteuerten Gegners.

Deshalb muss ich gar nicht lange spielen, um mich an den Charme von Populous zu erinnern: Die Mischung aus Landmasse ebnen, Bevölkerung graduell vergrößern und Katastrophen initiieren funktioniert damals wie heute perfekt.

Der größte Unterschied zwischen meiner heutigen Wahrnehmung und der, die ich damals als Zwölfjähriger hatte, ist die Komplexität des Konzepts: Es ist eigentlich gar nicht so anspruchsvoll, wie ich es damals empfunden habe, sondern hat eher den Charme eines guten Casual Games.

Da auch die Pixelgrafik hervorragend gealtert ist, kann man sich den Klassiker auch heute noch bedenkenlos anschauen. Meine anfänglichen Befürchtungen haben sich also nicht bewahrheitet, sondern im Gegenteil meinen Eindruck bestätigt, dass Populous eines der besten Spiele seiner Zeit ist.

Traurig stimmt mich nur die Karriere von Peter Molyneux. Der mittlerweile 64-Jährige ist heute eher für seine dubiosen Spielkonzepte, fragwürdigen Designphilosophien und notorischen Lügengeschichten bekannt.

Ich wünschte mir, jemand würde den Mann wachrütteln und ihm seine 35 Jahre alte Errungenschaft unter die Nase halten: Dann würde er sich vielleicht auf seine alten Stärken besinnen und doch noch einen weiteren Klassiker der Spielegeschichte schreiben.

Mitarbeit: Benedikt Plass-Fleßenkämper


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