30 Jahre Super Mario Kart: Als Nintendo den Fun-Racer neu erfand

Vielleicht ist es nur ein Gefühl, doch in meiner Erinnerung war die Spieleindustrie in den 1990er Jahren unberechenbarer als heute. Zumindest erinnere ich mich an mit viel Spannung erwartete Titel wie das Actionspiel Creature Shock (1994) oder das Weltraumabenteuer Frontier Elite 2 (1993) - die dann beide mehr oder weniger enttäuschten. Auf eines konnte man sich damals jedoch verlassen: Nintendo liefert!
So war bereits die Ankündigung von Super Mario Kart ein großes Ding, weil fast jeder von einem unumstrittenen Hit ausging. In der Tat wurden die Erwartungen sogar übertroffen: Die Wertungen der Fachmagazine schossen durch die 90-Prozent-Decke(öffnet im neuen Fenster) und das Spiel gewann zahlreiche Game-of-the-Year-Preise.
Zugegeben: Wer damals nicht live dabei gewesen ist, dürfte heute angesichts der pixeligen Bilder und des gewöhnlichen Spielprinzips die Stirn runzeln. Super Mario Kart ist letztlich nicht mehr als ein einfacher Fun-Racer.
Darin treten maximal zwei Spieler an, um wahlweise auf 20 verschiedenen Strecken um die Wette zu fahren oder sich im Battle-Modus gegenseitig abzuschießen. Allerdings war das Rennspielgenre anno 1992 alles andere als ausgereift, so dass diese Schlichtheit in Kombination mit der hervorragenden Umsetzung die Spielewelt begeisterte.
Die Anzahl der wirklich guten Rennspiele konnte man bis zu diesem Zeitpunkt an einer Hand abzählen. Nintendo selbst lag damals mit dem futuristischen F-Zero seit zwei Jahren im Genre vorn.
Kein Wunder, schließlich war es das erste Spiel, das massiv von dem revolutionären Grafikmodus Mode 7 profitierte, der in der Super-Nintendo-Hardware schlummerte. Er ermöglichte das pfeilschnelle Zoomen und Drehen der Rennstrecke, was wiederum in einer noch nie dagewesenen Spielbarkeit resultierte.
Super Mario Kart ist F-Zero in vielerlei Hinsicht ähnlich: Auch hier wird die Rennstrecke dank Mode 7 perspektivisch korrekt dargestellt, wobei ein zusätzlicher im Modul verbauter DSP-Chip die Leistung verstärkt und somit ein noch flüssigeres Spiel garantiert.

Anstatt anspruchsvoller Fahrphysik regiert eine launige Arcade-Steuerung, die leicht zu erlernen ist und trotzdem waghalsige Driftmanöver zulässt. Die Grafik wiederum lebt von einer kunterbunten Farbpalette, um der legendären Mario-Kulisse gerecht zu werden.
Durch seine Vorzüge wurde Super Mario Kart zum Vorbild für viele Nachahmer und natürlich auch für seine eigenen Fortsetzungen. Somit ist das Alleinstellungsmerkmal längst dahin. Gerade Sport- und Rennspiele haben sich derart rasant weiterentwickelt, dass sich ernsthaft die Frage stellt: Kann man so einen Oldie heutzutage überhaupt noch genießen?
Altes Spiel mit neuer Hardware
Zur Geburtstagsfeier wähle ich das bestmögliche Equipment: ein Super Nt (g+). Dabei handelt es sich um einen Nachbau des Super Nintendos von der Firma Analogue Interactive, der dank FPGA-Technologie nahezu identisch mit dem Originalgerät ist.











Darüber hinaus steht mir ein HDMI-Ausgang zur Verfügung, mit dem ich gestochen scharfe Bilder aufzeichnen kann. Weil ich gleichzeitig mein altes Modul einstecken und ein echtes Super-Nintendo-Joypad anschließen darf, entpuppt sich das Super Nt als die beste Kombination aus Retro und moderner Technik.
Habe ich mich bereits bei anderen alten Spielen gefreut, wie einfach und schnell man sie starten kann, so setzt Super Mario Kart all dem die Krone auf. Es dauert keine Minute, bis ich den Grand-Prix-Modus wähle, mich für einen Schwierigkeitsgrad entscheide und einen von acht möglichen Fahrern anklicke.
Danach sitze ich bereits im Kart und muss mich gegen sieben Rivalen durchsetzen, die allesamt von einer KI gesteuert werden. Damals wie heute entscheide ich mich für meinen liebsten Mario-Kart-Charakter: die Schildkröte Koopa. Mit ihr kann ich am besten um die Kurven lenken und ordentlich beschleunigen.
Das Rennen kann starten!
Das Tier schwächelt nur bei der Höchstgeschwindigkeit und ist allgemein recht zartbesaitet, weshalb es von besonders dicken Kontrahenten wie Bowser oder Donkey Kong Jr. rüde weggeschubst werden kann.
Nebenbei besitzt der Pilzkopf Toad exakt die gleichen Eigenschaften wie Koopa. Allerdings ist die Schildkröte mit ihren Glubschaugen für mich bedeutend niedlicher und sympathischer.
Fehlstart!
Genug der Vorrede, das Rennen startet! Über mir hängt eine Ampel mit zwei roten und einer grünen Lampe, die nacheinander aufleuchten. In dem Zusammenhang versuche ich mich an den sogenannten Schnellstart zu erinnern.
Wenn ich die Taste zum Beschleunigen ab einem bestimmten Zeitpunkt drücke, kann ich mir gleich zu Rennbeginn mit einem Turbo-Boost einen Vorteil verschaffen. Aber ich bin mir unsicher: Muss ich auf das Aufleuchten der oberen oder der unteren roten Lampe achten?
Instinktiv entscheide ich für mich für die untere - und liege falsch. Immerhin lege ich keinen Fehlstart hin und tuckere mit einer normalen Geschwindigkeit über den Asphalt.
Nur fühlt sich die Steuerung irgendwie komisch an: Ich muss erstaunlich oft meine Fahrtrichtung korrigieren, weil ich häufig eine Spur zu stark in die Kurven einlenke. Hm ... war das auch schon anno 1992 so und ich bin es nicht mehr gewohnt? Die Antwort, das sei gleich vorweg verraten, ist immens peinlich.
Ich beende die erste Strecke mit einem enttäuschenden zweiten Platz. Zwischenzeitlich war ich zwar Erster, nur bin ich in der drittletzten Kurve über eine Bananenschale gefahren und weit zurückgefallen.
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Kurz vor der Ziellinie pralle ich auch noch auf den vor mir liegenden Luigi und überhole ihn nur dank der ungestümen Prinzessin Peach, die mich von hinten anrempelt. Merkwürdig, irgendwie hatte ich das alles viel leichter in Erinnerung!
Zu Beginn der zweiten Strecke beschleunige ich mit dem Aufleuchten der oberen roten Lampe und ... wieder nichts! Huh? Hier stimmt doch irgendetwas nicht! In der Tat komme ich dem eigentlichen Problem nach ein paar weiteren Runden auf die Spur: Ich habe das Super Nt über eine Aufnahmekarte von Elgato an meinen PC angeschlossen, damit ich mein Spiel aufzeichnen kann.











Dafür nutze ich ein Programm namens Open Broadcaster Software - und das stellt das Spiel mit einer minimalen Zeitverzögerung dar! Diese ist so kurz, dass es auf den ersten Blick nicht auffällt. Doch sie ist lang genug, um meine Kommandos leicht zu verzögern und die Spielbarkeit spürbar zu verschlechtern.
Zum Glück kann ich das Spiel weiterhin aufzeichnen und mir das Bild direkt über den Fernseher ausgeben lassen, ohne die besagte Verzögerung. Und siehe da: Auf einmal funktioniert alles! Jetzt gelingt mir nahezu jeder Schnellstart, ich schlittere perfekt um jede noch so enge Kurve und quetsche mich zielgenau zwischen allerlei Hindernissen hindurch.
Dazu gehören grüne Röhren, die mitten auf der Strecke stehen, Maulwürfe, die aus dem Boden springen, oder grimmig dreinschauende Steinblöcke, die mich alle paar Sekunden plätten wollen.
Spielspaß wie vor 30 Jahren
Nun schaffe ich die fünf Strecken des Mushroom Cups mühelos als Erster und auch beim Flower Cup gerate ich kaum ins Straucheln. Mein Fauxpas zeigt somit umso mehr, wie gut Super Mario Kart wirklich ist: Das Spiel würde ohne seine exzellente Steuerung schlichtweg nicht funktionieren.
Natürlich wächst der Spaß noch mehr, sobald ich über ein gelbes Fragezeichen heize und ein Extra erhalte. Am liebsten ist mir der rote Schildkrötenpanzer, der einer Lenkrakete gleicht und einen der vor mir fahrenden Kontrahenten für einige Sekunden außer Gefecht setzt.
Motiviert durch meine Erfolge erhöhe ich den Schwierigkeitsgrad und wechsele von der langsamen 50-ccm- in die deutlich flottere 100-ccm-Klasse. Dort kann ich zudem den Special Cup auswählen, den ich bereits vor 30 Jahren auf meinem Originalmodul freigeschaltet habe.
Allerdings merke ich schnell, warum ich bei diesem gescheitert und somit nie in den Genuss der noch schnelleren 150-ccm-Klasse gekommen bin: Bereits die erste Strecke ist mit allerlei Gemeinheiten wie scharfen Kurven, löchrigen Holzbrücken und auffallend vielen - und nervigen - Maulwürfen bestückt.
Ich erinnere mich auch vage an die legendäre Regenbogenstrecke, die ich zu meiner Schande nie geschafft habe. Sie ist mit besonders fiesen Schikanen ausgestattet und verzichtet auf eine Streckenbegrenzung. Will heißen: Wer dort über die Bahn düst, der stürzt ins Bodenlose und muss mehrere Sekunden ausharren, bis er weiterfahren darf.
All das fällt in meinen Augen noch in die Kategorie "schwer, aber fair". Trotzdem gibt es eine Kleinigkeit, die mich damals wie heute ernsthaft stört: die Gummiband-KI. Sie sorgt dafür, dass ich keinen Vorsprung herausfahren kann, und ist besonders auffällig, wenn ich meinen ärgsten Kontrahenten mithilfe eines Schildkrötenpanzers abschieße. Der Gegner verliert zwar zunächst vier bis fünf Platzierungen, holt sie jedoch in Windeseile wieder auf.

Natürlich steckt hinter diesem Konzept die Idee, den Nervenkitzel bis zur letzten Kurve aufrechtzuerhalten. Aber die Frustgefahr ist umso höher, wenn ich ein nahezu perfektes Rennen absolviere und letztlich nur wegen eines kleinen Fahrfehlers kurz vor Erreichen der Zielflagge den Sieg verpasse.
Nebenbei erwähnt schaffe ich es spontan nicht, einen Kollegen oder Freund zu einer Multiplayer-Sitzung einzuladen. Aber ganz ehrlich? Das brauche ich nicht wirklich: Super Mario Kart macht mir auch allein viel Spaß - heute genauso wie damals.
Nur den Battle-Modus hätte ich nach all der Zeit gern noch mal ausprobiert. Dort befinden sich sämtliche Kart-Fahrer in einer Arena und müssen sich mithilfe der Extras gegenseitig abschießen.











Aus heutiger Sicht kann ich allenfalls über die Grafik mosern, weil der Streckenuntergrund stark flimmert. Dies fällt besonders in den Geisterhaus-Levels unangenehm auf, denn dort besteht der Bodenbelag aus dunklen und hellen Strichen.
Zum Glück ist das Ganze halb so wild: Ich nehme das Flimmern im Rausch der Geschwindigkeit immer weniger wahr und konzentriere mich stattdessen voll auf das Renngeschehen.
Fazit: Zeitloser Retro-Genuss
Letztlich steht und fällt der Reiz von Super Mario Kart mit der Tatsache, ob man primär allein oder mit Freunden spielen möchte. In letzterem Fall ist der Oldie nur bedingt zu empfehlen, einfach weil nicht mehr als zwei Spieler gleichzeitig möglich sind. Da sollte man doch lieber zu den aktuelleren Nachfolgern greifen, zumal Mario Kart 8 Deluxe für die Switch von einem guten Onlinemodus profitiert.
Wem es jedoch reicht, allein und für sich mit einem Kart über die Kurse zu heizen, der sollte mit Super Mario Kart auch heute noch seinen Spaß haben. Ähnlich wie F-Zero, Super Mario World oder Super Metroid ist das alte Rennspiel ein Beweis dafür, wie zeitlos die Klassiker von Nintendo sind.
Und vielleicht kann sogar der eine oder andere jüngere Zocker den Reiz mit einem Probespiel nachempfinden und verstehen, wieso das Super Nintendo so eine großartige Konsole war. Nur logisch, dass genau diese Spiele auch auf dem SNES Classic Mini vorinstalliert sind - nach wie vor die einfachste Möglichkeit, die 16-Bit-Klassiker auf modernen Fernsehern mit HDMI-Anschluss zu genießen.
Mitarbeit: Benedikt Plass-Fleßenkämper



