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30 Jahre Alone in the Dark: Als der Horror filmreif wurde

Alone in the Dark feiert Geburtstag. Das Horrorspiel war ein Meilenstein bei der filmreifen Inszenierung von Games . Wie spielt es sich heute?
/ Andreas Altenheimer
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Artwork von Alone in the Dark (Bild: THQ Nordic)
Artwork von Alone in the Dark Bild: THQ Nordic

Wer erinnert sich an Frédérick Raynal(öffnet im neuen Fenster) ? Der gebürtige Franzose zählt nicht zu den großen Stars der Entwicklerszene. Selbst in den 1990er Jahren war er nur versierten Gamern ein Begriff. Er erfand eine Handvoll guter Spiele, zum Beispiel das putzige Little Big Adventure (1994) sowie das Beat'em-Up Time Commando (1996) - Titel, die fast nur Spezialisten in Erinnerung geblieben sein dürften.

Allerdings war Raynal auch für das düstere Horror-Adventure Alone in the Dark (1992) verantwortlich, das eine wichtige Brücke zwischen Gaming und der Filmbranche geschlagen hat.

Dazu muss man wissen: In den 90ern war die Kluft zwischen Spiel und Film noch sehr groß. Das betraf vor allem das äußere Erscheinungsbild. Die meisten Computerspiele beschränkten sich auf eine feste Perspektive, beispielsweise von der Seite oder von oben.

Zu den wenigen Ausnahmen zählten die aufwendig gestalteten Action-Adventures von Cinemaware, allen voran Defender of the Crown (1986) und It Came from the Desert (1989). Hier variierte die Ansicht je nach Minispiel, was den starren Videospielcharakter aufweichte.

Raynal ging mit Alone in the Dark einen Schritt weiter. Er konzipierte ein gruseliges Adventure auf der Basis der Romane des US-Schriftstellers H.P. Lovecraft und entwarf mit seinem Entwicklerteam eine Villa voller Geister und entstellter Kreaturen.

Jeder Raum wurde in 3D modelliert und mit mehreren virtuellen Kameras bestückt, die das Geschehen im wahrsten Sinne des Wortes aus unterschiedlichen Blickwinkeln zeigten.

Auch damit hatte Alone in the Dark seinerzeit mein Interesse geweckt und erinnerte mich an einen Traum, der mein Kinderherz seit Ghostbusters (1984) für den C64 begleitete: Ich wünschte mir, dass Spiele wie Filme aussehen und sich auch so anfühlen sollten.

(Jack) Alone in the Dark (1992) - Golem retro
(Jack) Alone in the Dark (1992) - Golem retro (08:23)

Und tatsächlich, Alone in the Dark sah wie ein Film aus, in dem es verschiedene Kameraeinstellungen gibt! Die Wertungen meiner damaligen Lieblingsmagazine waren zwar nicht übermäßig euphorisch, aber ich konnte sowohl mit den 80 Prozent der Power Play(öffnet im neuen Fenster) als auch dem etwas strengeren 77-Punkte-Urteil der PC Player(öffnet im neuen Fenster) gut leben.

Als ich Alone in the Dark erstmals selbst spielte, stellte sich leider eine gewisse Enttäuschung ein. Die Atmosphäre war zwar gelungen, jedoch vergällten mir einige Schwächen wie die steife Steuerung oder so manches Try-and-Error-Rätsel die Stimmung. Auch wollte ich damals in meinem jugendlichen Ehrgeiz keine Lösung konsultieren und mich nicht durch das Abenteuer schummeln.

Also legte ich das Spiel rasch zu den Akten und ignorierte weitgehend die immer schlechter werdenden Nachfolger sowie Reboots. Erst Jahre später begriff ich, dass Frédérick Raynal etwas Bedeutendes erschaffen hatte: Vielleicht gäbe es ohne Alone in the Dark kein Resident Evil (1996), das die Idee mit den Perspektiven kopierte und besser umsetzte.

Heute fragt sich der Spielehistoriker in mir: Ist Alone in the Dark wirklich nur wegen der Perspektiven-Idee so berühmt? Oder steckt mehr dahinter, was ich damals aufgrund meiner leisen Enttäuschung nicht gesehen habe? Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden: Ich krame den Klassiker aus der Schublade und prüfe, wie er sich heute schlägt.

Alone in the Dark hoch drei

Wer Alone in the Dark heute spielen möchte, der sollte sich am besten die digitale Version auf GOG.com besorgen(öffnet im neuen Fenster) . Diese ist dank vorkonfiguriertem DOSBox-Emulator schnell installiert und mit 5,49 Euro sehr günstig. Zudem erhält man für den Preis auch die beiden Nachfolger. Bei Steam ist die Trilogie für knapp 15 Euro erhältlich.

Die nächste positive Nachricht: Der Sound bereitet mir - im Gegensatz zu vielen anderen alten PC-Spielen - keine Probleme, denn die Musik liegt im Red-Book-Format vor.

Sprich: Sie wurde für die ein Jahr später veröffentlichte CD-Version im Studio aufgezeichnet und klingt im Gegensatz zur damals ansonsten vorherrschenden MIDI-Technologie viel kräftiger.

Zwar stand Komponist Philippe Vachey kein Orchester zur Verfügung, jedoch reizte er die für ihn zugängliche Synthesizer-Technologie ordentlich aus. Deshalb hat der Soundtrack von Alone in the Dark viel 90er-Jahre-Charme.

Auf in die Dunkelheit!

Frohen Mutes starte ich also das Spiel. Im Vorspann sind(öffnet im neuen Fenster) einige großartig gezeichnete Hintergrundbilder zu sehen. Sie deuten bereits den ständigen Wechsel zwischen den Kameraperspektiven an und erzeugen eine grundsolide Horrorstimmung.

Laut Hintergrundgeschichte soll ich die verhexte Villa des Künstlers Jeremy Hartwood erkunden, nachdem der sich darin erhängt hatte. Dazu verkörpere ich wahlweise seine Nichte Emily oder den Privatdetektiv Edward Carnby.

Letzterer ist übrigens der Star in allen weiteren Alone-in-the-Dark-Episoden, auch wenn er in Alone in the Dark: The New Nightmare von 2001 oder dem Reboot aus dem Jahr 2008 eine radikale Verjüngungskur verpasst bekam und eher einem langweiligen Actionhelden gleicht.

Bei der Auswahl meines Charakters wird mir ein kurzer Einleitungstext vorgelesen. Der klingt leider sehr laienhaft und kratzt etwas an der guten Atmosphäre. Glücklicherweise hält sich das Spiel ansonsten mit Dialogen und Sprachausgabe zurück.

Gruselige Pixel

Sobald ich die Kontrolle über Carnby übernehmen darf, erinnere ich mich, dass man gleich im ersten Raum angegriffen wird, wenn man zu lange zögert. Und in der Tat stolpere ich über eine Falltür, aus der in Kürze eine Kreatur herauskrabbeln wird, weshalb ich sie mit der danebenstehenden Truhe blockieren muss.

Das Problem: Ich bekomme es nicht hin! Es bringt jedenfalls nichts, einfach dagegenzulaufen. Zwar kann ich per Tastendruck das Optionsmenü öffnen und dort den Befehl "Push" auswählen. Doch auch dann scheint die Truhe wie aus Blei zu sein; sie bewegt sich keinen Millimeter.

Dabei ist des Rätsels Lösung ganz einfach: Ich muss nach der Befehlsauswahl zusätzlich die Leertaste während des Schiebens gedrückt halten. Das ist zwar nicht intuitiv, funktioniert aber nach kurzer Eingewöhnungsphase tadellos.

Alone in the Dark - Test
Alone in the Dark - Test (03:59)

Ich setze meine Erkundungen fort und finde beispielsweise eine Decke in einem Schrank sowie eine Schrotflinte in der besagten Truhe. Leider springt wenige Minuten später ein beißwütiges Geschöpf durch ein Glasfenster, und ich muss zwei von vier Patronen verpulvern.

Verdammt, ich hätte auch das verhindern können, wenn ich nur rechtzeitig den Schrank vor das Fenster geschoben hätte!

Ich streune weiter durch das Haus und bemerke im nächstbesten Flur einen Riss im Holzboden: "Da darfst du nicht drüberlaufen!" , kommt mir in den Sinn. Also marschiere ich vorsichtshalber durch die miteinander verbundenen Räume und umgehe den Riss somit.

Es dauert nicht lange, und eine Art Zombie greift mich an. Das sollte doch kein Problem sein, nachdem ich just zuvor einen feschen Säbel gefunden habe. Ich packe die Waffe aus, schlage ein paarmal zu und - halte nur noch die abgebrochene Klinge in der Hand. Boah, wie unfair!

Spätestens im Treppenhaus ist endgültig Schluss: Vor mir stehen zwei violette Kreaturen, die mich nicht angreifen, aber meinen Weg ins nächste Stockwerk versperren. Wie komme ich an ihnen vorbei? Keine Ahnung!

Ich kann sie weder mit einer Schusswaffe noch mit meinem abgebrochenen Säbel ernsthaft verletzen. Also überwinde ich meinen kindlichen Starrsinn, suche mir im Netz eine Komplettlösung und kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen.

Die Monster lassen sich nur auf eine Art austricksen: In einer Kommode liegen zwei Spiegel. Die Kommode ist jedoch verschlossen, und der Schlüssel schlummert in einer Vase. Die Vase kann ich nicht öffnen, aber gegen die Wand werfen.

Daraufhin zerbricht sie und der Schlüssel kommt zum Vorschein. Danach muss ich die Spiegel neben die Kreaturen hängen und ihr Gekreische abwarten, bis die beiden Viecher im Nichts verpuffen.

Kaputter Spiegel bedeutet Spiel laden

Zugegeben, im ersten Raum liegt ein Buch, in dem die Geschichte eines Helden erzählt wird, der gegen eine Medusa gekämpft hat. Dabei trug er einen Schild, der wie ein Spiegel glänzte. Aber ganz ehrlich? Dieser Hinweis ist mir zu weit hergeholt. Mir ist nicht ersichtlich, wieso ich die Kreaturen mit der Medusa aus der Geschichte gleichsetzen sollte.

Zum einen sehen sie überhaupt nicht so aus. Zum anderen töten sie mich nicht mit ihren Blicken, sondern nur sich selbst beim Betrachten eines Spiegels. Deshalb erinnert mich die Situation an die berüchtigte "Moon Logic" der 90er Jahre, mit der man schwer bis gar nicht nachvollziehbare Adventure-Rätsel bezeichnet.

Nebenbei erfahre ich, dass die Spiegel sehr zerbrechlich sind und kaputt gehen, wenn ich (egal wie) von einem Gegner angegriffen werde. Was man dann noch machen kann? Nichts, außer den alten Spielstand laden oder neu starten!

Lahmender Edward Carnby

Abgeschreckt von diesem Beispiel, lasse ich mich weiterhin von der Lösung leiten. Sie schickt mich von Raum zu Raum und immer häufiger begegne ich mysteriösen Gestalten wie einem Geist oder tödlichen Spinnen. Viele dieser Gefahren lassen sich nicht bekämpfen, also bin ich ständig auf der Flucht. Und das führt mich zu meinem persönlich größten Problem, das ich mit Alone in the Dark habe: der Lauf- und Rennsteuerung.

Im Normalfall schreitet Edward Carnby sehr gemütlich durch die Gänge. Möchte ich hingegen, dass er rennt, dann muss ich laut Anleitung die Taste zum Gehen antippen, kurz loslassen und direkt danach fest gedrückt halten. Diese eigentlich simple Mechanik funktioniert jedoch nur alle Jubeljahre.

Ich kann mich dunkel daran erinnern, schon anno 1992 mit diesem Problem gekämpft zu haben. Eine kurze Recherche in Retrogames-Foren bestätigt, dass ich beileibe nicht der Einzige bin, der mit der Laufsteuerung zu kämpfen hat. Deshalb muss eine lästige Notlösung her: Ich speichere fortan vor jedem neuen Raum ab und probiere es so lange, bis es klappt.

Alone in the Dark Illumination - Teaser Trailer
Alone in the Dark Illumination - Teaser Trailer (00:44)

Was hingegen hervorragend funktioniert: die Perspektivenwechsel. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kann ich alles klar erkennen und habe einen stets plastischen Eindruck von meiner Umgebung. Somit dient die Grafik sowohl der Übersicht als auch der Atmosphäre und gleicht sogar die sehr grobe Auflösung oder die arg eckigen Polygoncharaktere aus.

Nicht vergessen: Alone in the Dark ist ein 30 Jahre altes Spiel und für kleine Röhrenmonitore konzipiert. Auf meinem großen Flachbildschirm sieht hingegen jeder Pixel wie ein dicker Klotz aus, weshalb ich das Spiel auch im Fenstermodus laufen lasse.

Die Rätsel sind zwar im späteren Spielverlauf immer mal wieder problematisch, jedoch bieten sie auch einige Highlights. Konkretes Beispiel: An einer Stelle durchquere ich einen Gang mit mehreren Bildern, die an der Wand aufgereiht sind.

Eines davon zeigt das Porträt eines Trappers, der mir bereits nach ein paar Metern ein Beil in den Rücken wirft. Allerdings kann ich dies ganz einfach verhindern, indem ich das Bild mit der Decke aus dem ersten Raum verhülle.

Mein Ausflug in die Vergangenheit endet schließlich, als ich auf einen Piraten treffe. Ich darf ihn nicht erschießen, sondern muss ihn in einem Fechtduell bezwingen. Es gelingt mir allerdings auch nach mehreren Versuchen nicht. Ich breche genervt ab. Für heute reicht es mir mit Alone in the Dark!

Fazit: Kultspiel trotz Schwächen

Alone in the Dark steckt voller Widersprüche: Die Rätsel sind zu seicht oder zu abgehoben, die Kämpfe zu simpel oder zu frustrierend. Die Grafik sieht stilvoll oder pixelig aus. In der Tat ist das Horror-Adventure einerseits schlecht gealtert und gleichzeitig seiner Zeit voraus gewesen.

Die simplen Rätsel wurden damals von der Fachpresse kritisiert. Heutzutage entsprechen sie allerdings der Norm, schließlich sind Adventures mit anspruchsvollen Puzzles längst aus der Mode geraten. Dank Internet ist es auch kein großer Beinbruch, wenn man bei den kaum nachvollziehbaren Ausnahmen einfach zu einer Komplettlösung greift.

In dem Zusammenhang möchte ich mich am liebsten in eine Zeitmaschine setzen und meinem damaligen Ich sagen: "Warum beharrst du immer darauf, alles allein zu lösen, und lässt dich deshalb von ein, zwei Passagen frustrieren, wenn du dir damit ein charmantes Grusel-Abenteuer kaputtmachst?"

Somit muss ich nach meiner Wiederspielrunde nur vor der Steuerung von Alone in the Dark warnen: Es erfordert eine gute Portion Geduld, bis die Heldin oder der Held wie gewünscht durch die Gänge rennt oder man diesen verfluchten Piraten geknackt hat.

Der Lohn der Mühe ist ein historisch wertvolles Action-Adventure mit immer noch sehenswerter Pixelgrafik und einer dichten Atmosphäre. Seinen Kultstatus hat Alone in the Dark meiner Meinung nach verdient.

Mitarbeit: Benedikt Plass-Fleßenkämper


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