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25 Jahre Mars Attacks!: "Aus irgendeinem merkwürdigen Grund fehl am Platz"

Viele Amerikaner fanden Tim Burtons Mars Attacks! nicht so witzig, aber der Rest der Welt lacht umso mehr - bis heute, der Film ist grandios gealtert.
/ Peter Osteried
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Pierce Brosnan in Mars Attacks! (Bild: Getty Images)
Pierce Brosnan in Mars Attacks! Bild: Getty Images

Erst ließ Roland Emmerich die Außerirdischen die Erde in Independence Day angreifen, dann inszenierte Tim Burton mit Mars Attacks! den Gegenentwurf. In Deutschland kam Burtons Film 1997 heraus - vor 25 Jahren also, und wie ein guter Wein ist Mars Attacks! hervorragend gealtert.

Damals war er jedoch vielen zu schräg. Zudem war er der erste Tim-Burton-Film, der angesichts eines Budgets von 70 Millionen US-Dollar wenn schon nicht als Flop, so doch als starker Underperformer galt. Er spielte in den USA nur knapp 38 Millionen, im Rest der Welt aber immerhin knapp 64 Millionen US-Dollar ein(öffnet im neuen Fenster) . In seiner Heimat kam der satirische Anti-Establishment-Ton des Films nicht so gut an. Die Amerikaner wollten nicht so gern über sich selbst lachen. Im Rest der Welt lachte man gerne über sie.

Der Film beginnt damit, dass hunderte Schiffe mit Marsianern zur Erde kommen. US-Präsident James Dale spricht zur Nation, aber auch zur Welt, Tage später findet der Erstkontakt statt. Die Übersetzungsmaschine macht aus dem "Ack! Ack! Ack" der Marsianer, dass sie in Frieden kämen. Jubel wird laut, ein Hippie lässt eine Friedenstaube steigen - und ein Marsianer knallt sie ab. Danach massakrieren die Außerirdischen alle.

Man glaubt, die Taube könnte bei den Marsianern ein Symbol des Kriegs sein, und sieht den außerirdischen Besuchern einiges nach. Aber sie kommen nicht in Frieden, sie morden und massakrieren und verheeren und vernichten. Der Widerstand formiert sich, doch den Angreifern kann nichts etwas anhaben - nur ein bestimmter Song lässt die Köpfe der Marsianer platzen.

Ernsthaft ist diese Invasion nicht, eher schön schräg und absurd, wobei Tim Burton in seinem Film auch einige der großen Klassiker des Invasions-Subgenres zitiert, vor allem Fliegende Untertassen greifen an aus dem Jahr 1956.

Marsianer statt Dinosaurier

Die Keimzelle von Mars Attacks! ist die gleichnamige Reihe von Sammelkarten(öffnet im neuen Fenster) , die Autor Jonathan Gems in einem Laden fand, als er ein geeignetes Geburtstagsgeschenk für Tim Burton suchte. Er kaufte zwei Sets: Dinosaurs Attack! und Mars Attacks! Auf ihnen zu sehen sind grandiose kleine Gemälde, die recht drastisch sind. Sie zeigen, was die Marsianer mit den Menschen so machen.

Mars Attacks! (1996) - Trailer
Mars Attacks! (1996) - Trailer (02:15)

Burton dachte darüber nach, daraus einen Film zu machen. Zuerst favorisierte er die Dinosaurier, doch da Steven Spielberg gerade an einem Sequel zu Jurassic Park arbeitete, erschien der Mars vielversprechender. Der Regisseur sah die Möglichkeit, daraus einen Katastrophenfilm zu machen. Aber der sollte natürlich auf die typische Burton-Art eigentümlich sein.

Dazu passte auch Gems' Drehbuch, das die Geschichte mit brennenden Kühen beginnt, die davonlaufen. Das Studio schickte Gems ein Memo: Die Kühe müssten verschwinden. Derartige Grausamkeit gegen Tiere, auch wenn sie nicht echt seien, könne man nicht zeigen. Grems entwarf fast ein Dutzend Versionen des Drehbuchs, die Kühe(öffnet im neuen Fenster) , die es so auch auf einer Karte der Sammelkartenreihe zu sehen gab, blieben drin. Das Studio drohte schließlich: Die Kühe müssen weg oder du bist gefeuert! Gems ließ sie drin - und wurde entlassen.

Das Studio heuerte dann Scott Alexander und Larry Karaszewski an, die für Burton schon die filmische Biographie Ed Wood geschrieben hatten. Das Duo übernahm einige der Ideen aus Gems' Skript, fing aber im Grunde von vorne an, da sie die Geschichte in der vorliegenden Form viel zu düster fanden und der Meinung waren, man solle als Konkurrenzprojekt zu Independence Day voll auf die humorige Schiene setzen. Das Wichtigste, das sie einbrachten, war das "Ack! Ack! Ack!" der Marsianer.

Zu dem Zeitpunkt musste Tim Burton schon um das Projekt kämpfen. Das Studio Warner Bros. wollte einen klassischen Invasionsfilm mit viel Action und einem Helden, der am Ende die Welt rettet. Es bekam stattdessen einen wilden Genremix mit einer ganzen Legion von Figuren, deren individuelle Geschichten sich nur selten überlappten. Dafür gab es eine Riege illustrer Stars, die mit Burton arbeiten wollten.

Jack Nicholson und jede Menge weitere Stars

Dass Warner dem Film schließlich grünes Licht gab, lag vor allem an Jack Nicholson, der den Präsidenten spielte und damals einer der wenigen Schauspieler war, wegen denen ein Studio einen Film produzierte.

Außerdem waren dabei: Glenn Close, Natalie Portman, Jack Black, Annette Bening, Pierce Brosnan, Michael J. Fox, Sarah Jessica Parker, Lukas Haas, Rod Steiger, Martin Short, Danny DeVito und Tom Jones. Sie alle mussten zustimmen, für maximal 100.000 US-Dollar Gage pro Woche zu arbeiten - nur Jack Nicholson bekam mehr. Er ließ sich seinen Part mit fünf Millionen Dollar vergüten. Und er hatte strenge Regeln: Mehr als zehn Stunden arbeitete er nicht, inklusive An- und Abfahrt und die Zeit im Make-up.

Die richtigen Effekte

Gedreht wurde von Ende Februar bis Anfang Juni in Kansas, Arizona und Nevada. Für die Umsetzung der zahlreichen Effekte wollte Burton eigentlich die zeitaufwendige Stop-Motion-Technik(öffnet im neuen Fenster) benutzen, bei der Puppen von Hand Bild für Bild bewegt werden.

Es zeigte sich aber schnell, dass das viel zu teuer werden würde. Das Studio drängte, auf Computertechnik zu setzen, aber Burton war nicht überzeugt. Zu jener Zeit waren computergenerierte Bilder im Kino noch in den Anfängen.

Industrial Light & Magic (ILM) produzierte einen kurzen Testfilm, in dem Marsianer einen Volkswagen gemeinsam hochheben. Der Clou an diesem Test: Die Animation war so gestaltet, dass sie wirkte wie Stop-Motion, mit ein bisschen Ruckeln und dem damit inhärenten Charme. Burton war begeistert. Während ILM die Marsianer umsetzte, war Warner Digital für die Ufos zuständig.

Für die Umsetzung der Effekte ging mehr als die Hälfte des Budgets drauf. Effektiv blieben von den 70 Millionen US-Dollar für Vorproduktion, Dreharbeiten und Nachproduktion 28 Millionen übrig - und einiges ging da schon für die Gagen der Stars drauf.

Ohne Hose in der Sterbeszene

Die Dreharbeiten hatten dabei ihre witzigen Momente. Surreal erschien es den Machern, als die Szene mit Pierce Brosnans Kopf auf dem Hund gedreht wurde - sowohl Brosnan als auch der Hund waren zum Teil mit grünem Material bedeckt, das in der Nachproduktion dann entfernt und durch den Effekt ersetzt werden konnte.

Danny DeVito erinnerte sich später daran, wie seine Sterbeszene nicht ganz so verlief, wie geplant. Seine Figur wurde von einem Strahl getroffen und zuckte heftig. DeVito zog dabei wohl den Bauch ein. Auf jeden Fall rutschte ihm mitten in der Todesszene die Hose runter - ein großer Lacher für die anwesende Crew.

Unangenehm waren die Dreharbeiten für Lisa Marie, die weibliche Marsianerin, die ihren riesigen Schädel unter einer Perücke versteckt. Diese wog etliche Kilo und gab der Schauspielerin das Gefühl, ihr würde jeden Augenblick das Genick brechen.

Für die musikalische Untermalung holte Burton seinen alten Freund Danny Elfman. Er ließ sich von den Science-Fiction-Filmen der 1950er Jahre inspirieren und wollte ein Theremin für Szenen mit den Raumschiffen nutzen. Aber man konnte niemanden finden, der noch ein Theremin(öffnet im neuen Fenster) spielen konnte, weswegen ein Instrument namens Ondes Martenot zum Einsatz kam - ein Keyboard, das auch einen thereminartigen Sound hatte.

Ein Humor, der nicht jeden anspricht

Erste Testvorführungen liefen gut, aber als der Film in den USA startete, zeigte sich, dass ein guter Teil des Publikums auf den Humor nicht ansprang. Dabei war dies genau der Film, der den Gemütszustand von Tim Burton perfekt zusammenfasste. Der Regisseur erzählte dem Magazin Inverse (öffnet im neuen Fenster) später: "Der Film fängt ein, wie ich mich damals fühlte. Aus irgendeinem merkwürdigen Grund fehl am Platz (...). Niemand weiß eigentlich je so richtig, was ich tue, darum können sie es auch nicht kommentieren, weil sie nicht mal wüssten, was sie sagen sollten."

Burton ist immer schon auf schmalem Pfad gewandelt. Seine exzentrische Ader lässt ihn sich für Ideen und Stoffe interessieren, die nicht zwangsläufig dem Mainstream zuzuordnen sind. Zugleich weiß er jedoch, dass er in gewisser Weise das Hollywood-Spiel mitspielen und ein Star sein muss, um das machen zu können, was er will.

Bis Mars Attacks! befand er sich auf der Überholspur, danach geriet er ins Straucheln und brauchte einige Zeit, um wieder zu sich zu finden. Die Kämpfe mit dem Studio, die sich dazu ausweiteten, dass Warner sein nächstes Projekt, einen Superman-Film mit Nicolas Cage, einsackte, führten gar dazu, dass Burton gar keine Filme mehr machen wollte. Doch seine Leidenschaft setzte sich wieder durch.

Heute ist Mars Attacks! ein immens beliebter Film, ein kleines Science-Fiction-Meisterwerk, das eine Hommage an den SF-Film der 1950er darstellt, aber auch einen satirischen Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft wirft, der heute noch so aktuell ist wie vor 25 Jahren.


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