20 Jahre Schutzfrist: EU-Kommission plant das maximale Leistungsschutzrecht

Die EU-Kommission plant ein Leistungsschutzrecht "hoch drei". Verlage erhalten demnach 20 Jahre lang das exklusive Nutzungsrecht an Online-Nachrichten ohne Ausnahmen für Snippets. Selbst die Überschrift könnte betroffen sein.

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EU-Kommissar Günther Oettinger will ein maximales Leistungsschutzrecht für Presseverleger in der EU.
EU-Kommissar Günther Oettinger will ein maximales Leistungsschutzrecht für Presseverleger in der EU. (Bild: Adam Berry/Getty Images)

Die EU-Kommission will den Verlagen sehr weitreichende Nutzungsrechte für Nachrichten im Internet einräumen. Das geht aus dem Entwurf zur geplanten EU-Richtlinie zum Urheberrecht hervor, den unter anderem die Initiative gegen Leistungsschutzrecht (Igel) veröffentlichte (PDF). Demnach sollen die Mitgliedstaaten den Verlagen für die Online-Nutzung ihrer Nachrichten dieselben Rechte einräumen, wie sie Urheber, Filmstudios oder Musiklabels bereits heute für ihre Inhalte haben.

Dabei geht der Entwurf der EU-Kommission in Artikel 11 noch weit über das deutsche Leistungsschutzrecht hinaus. So sollen die Verlage 20 Jahre lang die Rechte zur Vervielfältigung sowie zur öffentlichen Wiedergabe und Zugänglichmachung der Nachrichten erhalten. Der Zeitraum wird dabei erst von Beginn des Folgejahres an berechnet, in dem der Artikel erschien. In Deutschland endet dieser Zeitraum schon ein Jahr nach der Veröffentlichung. Nach Ansicht des Urheberrechtsexperten Till Kreutzer von Igel liest sich der Entwurf "wie eine Antwort auf die Wunschliste der Verlagsindustrie".

Keine Einschränkung für Snippets

Zudem sieht der Entwurf auch keine Einschränkung vor, was das Anzeigen von Snippets bei Suchergebnissen betrifft. Das deutsche Leistungsschutzrecht erlaubt hingegen die Darstellung einzelner Wörter und kleinster Textausschnitte, ohne die Zustimmung der Verlage einholen zu müssen.

Selbst die Überschriften könnten demnach davon betroffen sein. Während die reine Verlinkung ohne Zustimmung der Verlage wohl nicht verboten wäre, könnte die Wiedergabe der Überschrift schon zustimmungspflichtig sein. Davon betroffen wären vor allem Suchmaschinen und Newsaggregatoren, die nicht aus einem bestimmten Kontext heraus auf Nachrichten verlinken. An dem Entwurf fällt zudem auf, dass er keine Ausnahme für nicht-kommerzielle Angebote vorsieht. Das deutsche Gesetz betrifft hingegen nur "gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen" oder "gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten".

Content-ID für Plattformen gefordert

Anders als bei einem entsprechenden Gesetz in Spanien gibt es dem Entwurf zufolge für die Verlage keine Pflicht, für die Nutzung von Inhalten durch Suchmaschinen und Newsaggregatoren Geld verlangen zu müssen. In Spanien hatte Google News aufgrund dieses Gesetzes seinen Dienst komplett geschlossen.

In Artikel 13 verpflichtet die Richtlinie die Informationsdienste, die Rechte von Urhebern zu gewährleisten. Dies könne beispielsweise über Content-ID-Systeme realisiert werden. Dabei werden Werke identifiziert, über die es keine Vereinbarung zwischen Plattformen wie Youtube und den Rechteinhabern gibt.

Panoramafreiheit und Geoblocking nicht erwähnt

Nicht erwähnt wird in dem Gesetz die sogenannte Panoramafreiheit. Demnach will die EU-Kommission keine europaweit einheitliche Regelung, was die bildliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke betrifft, die im öffentlichen Raum stehen. So ist es in Belgien beispielsweise nicht erlaubt, ohne Zustimmung ein Foto des Brüsseler Atomiums zu veröffentlichen. Angesichts einer eigens zu diesem Thema gestarteten Konsultation verwundert der komplette Verzicht auf eine Regelung.

Die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts war bereits abzusehen. In einer Folgenabschätzung, die in der vergangenen Woche bekanntgeworden war, hatte sich die EU-Kommission eindeutig für ein solches Recht ausgesprochen. Nicht davon betroffen soll demnach die reine Verlinkung von Inhalten sein. Das neue Recht wirke sich nicht auf die Rechte auf öffentliche Wiedergabe und Zugänglichmachung aus, die bereits jetzt EU-weit geregelt seien. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach Hyperlinks ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber auf geschützte Werke verweisen dürfen, solle nicht in Frage gestellt werden, hieß es in der Studie.

Hoffen auf das EU-Parlament

Dem Vorschlag der Kommission müssten noch das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten zustimmen. Möglicherweise hat die EU-Kommission daher Maximalforderungen formuliert, die in den Verhandlungen mit den Parlament reduziert werden können. So könnte die EU-Kommission neben der Panoramafreiheit noch eine Abschaffung des Geoblockings als Verhandlungsmasse einbringen. Denn zu diesem Thema findet sich ebenfalls nichts in dem Entwurf. Der Urheberrechtsexperte Leonhard Dobusch kommt daher in einer ersten Analyse zu dem Schluss, die Verleger- und Verwerterlobbys habe "fast alles bekommen, was sie wollten, der Rest geht mehr oder weniger leer aus".

Sollte die Richtlinie tatsächlich in dieser Form umgesetzt werden, müssten die Staaten sie in nationale Regelungen umsetzen. Dies würde bedeuten, dass das deutsche Leistungsschutzrecht noch einmal verschärft werden müsste. Der vor Gericht ausgefochtene Streit über die zulässige Länge "kleinster Textausschnitte" hätte sich damit erledigt. Die Verlage wären jedoch weiterhin frei darin, Suchmaschinen wie Google die kostenlose Nutzung ihrer Inhalte zu erlauben. Die EU-Kommission glaubt jedoch, mit einem europaweiten Leistungsschutz die Verhandlungsposition der Verlage zu stärken.

Hinweis: Golem.de hat sich gemeinsam mit anderen europäischen Verlagen an die EU-Kommission gewandt und in einem offenen Brief vor der Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechts gewarnt.

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lear 01. Sep 2016

Informationen ausdrücklich öffentlich zugänglich zu machen impliziert den Willen...

AllDayPiano 01. Sep 2016

Mit Sicherheit ist diese Aussage nicht prinzipiell von der Hand zu weisen. Dennoch...

Muhaha 01. Sep 2016

Nun, bislang HAT auch jedes Gericht die Forderungen der Verlage abgewiesen. Es wurde...

divStar 01. Sep 2016

Das ist doch schon der Fall. Aber Verlage sind halt chronisch dämlich.



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