Meisterwerke werden manchmal missverstanden
Zwischen dem Zynismus von The Dark Knight und dem Sarkasmus von Iron Man war der Zeitgeist woanders. Nicht nur das Publikum blieb aus, auch die Kritiker waren unbeeindruckt. Bei Rotten Tomatoes kommt Speed Racer gerade mal auf 41 Prozent, certified rotten. Die naive Aufrichtigkeit und kindliche Freude von Speed Racer passte irgendwie nicht in die Zeit der Finanzkrise. Aber Meisterwerke werden zu ihrer Zeit ja gerne mal missverstanden.
Die Wachowskis waren 2008 ihrer Zeit voraus. Auch wenn die Technik inzwischen viel weiter ist (heute würde Speed Racer vermutlich vor einem riesigen Bildschirm entstehen), bleibt das einzige, was an Speed Racer schlecht gealtert ist, der Abspann. In dem nennt sich das 2008 noch nicht als trans geouteten Regisseurinnenduo nämlich noch Brothers.
Dass die größten Blockbuster von Marvel und DC größtenteils in der Pre- und Postproduktion entstehen, ist heute üblich. Der Unterschied liegt darin, wie diese Möglichkeiten genutzt werden – oder eben nicht. Im Vergleich zu Speed Racer wirken selbst die inspiriertesten MCU-Werke wie Black Panther oder Thor Ragnarok wie Schwarzweiß-Stummfilme.
Klar, man muss den Maximalismus von Speed Racer nicht mögen – über Geschmack lässt sich ziemlich ergebnislos streiten, wie jeder Kommentarverlauf unter Golem.de-Artikeln über Star Trek beweist. Aber mal ganz ehrlich – würde es nicht mehr Spaß machen, sich über einen Film zu streiten, der Grenzen überschreitet, statt über die ein bisschen schlechteren Effekte im ein bisschen schlechteren neuen Antman?
Aus der Traumfabrik gibt's nur noch Fließbandproduktion
Und überhaupt, wann hat die Traumfabrik Hollywood aufgehört, weniger als unmögliche Traumwelten zu fabrizieren? Für Avengers Endgame stand ungefähr das dreifache Budget von Speed Racer zur Verfügung. Trotzdem fand der epischste Endkampf des MCU 2019 in einer braunen Kiesgrube statt. Das hätte man dann auch gleich auf einer Mülldeponie statt vor dem Greenscreen filmen können – oder noch mal einen halben Tag mehr ins Brainstorming investieren können.
Statt die Möglichkeiten der Technologie zu nutzen, um sich Unmögliches auszudenken, befreit selbst Disney seine Zeichentrickmeisterwerke in sterilem CGI von jeglicher Ausdruckskraft. Wer es für eine gute Idee hält, den König der Löwen in eine Naturdokumentation zu verwandeln, dem scheint jegliche Fantasie abhandengekommen zu sein. Wer ultrarealistische CGI-Tiere bauen will, kann besser eine echte Doku drehen.
Dass heute alles gleich aussieht, liegt auch daran, dass CGI heute weniger als kreatives Stil-, sondern als kosteneffizientes Produktionsmittel gesehen wird. Machen wollen Studios heute mehr denn je vor allem mehr von dem, was Speed Racer damals fehlte: Geld an den Kinokassen. Dass sich komplette Hintergründe austauschen lassen, dient nicht der kreativen Freiheit der Filmemacher - sondern der totalen Kontrolle der Studios.
Statt die Möglichkeiten virtueller Sets auszunutzen, werden ihre Architekten von Konzernbossen ausgebeutet. Technisch sind Filmemachern heute keine Grenzen mehr gesetzt. Die Frage ist dann doch, warum trotzdem noch immer alles gleich aussieht – und nicht öfters mal ein wunderschön-einzigartig-kontroverser Flop wie Speed Racer erscheint.
IMHO ist der Kommentar von Golem.de. IMHO = In My Humble Opinion (Meiner bescheidenen Meinung nach).
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15 Jahre Speed Racer: Die CGI-Zukunft, die wir nie bekommen haben |
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"The Spirit" von Frank Miller. Oder natürlich "Arcane", das toppt eh alles was es bisher gab.
Innovativ und gut sind ja nicht gleichbedeutend - haben manchmal eine Schnittmenge...
Der Pate war allerdings auch keine Comicverfilmung. Außerdem sieht er finde ich deutlich...
Ja. Ganz ehrlich - Ganz ehrlich - für mich wirkte das wie eine Kopie der MegaRace...
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