Netzsperren: Türkei dehnt Zensur des Internets aus

Seit Jahren sperren türkische Richter unbequeme Domains. Nun hat die Regierung im Netz 138 "schädliche" Wörter verboten. Ohne gesetzliche Grundlage, wie Provider glauben.

Artikel veröffentlicht am , Kai Biermann/Zeit Online
Türkische Journalisten bei einer Anti-Zensur-Demo im März 2011 in Istanbul
Türkische Journalisten bei einer Anti-Zensur-Demo im März 2011 in Istanbul (Bild: Mustafa Ozer/AFP/Getty Images)

In der Türkei herrscht Meinungsfreiheit, zumindest dem Gesetz nach. Beim Staatsgründer Mustafa Kemal hört diese aber genauso auf wie bei den Themen Kondome oder Kurden. Schon seit Jahren werden tausende Internetseiten, darunter Angebote wie Youtube, ganz oder zeitweise gesperrt.

Inhalt:
  1. Netzsperren: Türkei dehnt Zensur des Internets aus
  2. Regierungsbehörde sorgt für Verwirrung

Nun wird daraus offensichtlich eine eindeutige Zensur: Die Regierung hat am vergangenen Dienstag eine neue Verbraucherschutz-Verordnung in Kraft gesetzt. Sie enthält eine Liste mit Wörtern, die künftig nicht mehr in Domainnamen vorkommen dürfen. Türkische Provider müssen die entsprechenden Seiten demnach sperren.

Auf der Liste mit insgesamt 138 "schädlichen" Wörtern stehen unter anderem englische Ausdrücke wie "gay", "free" oder "adult" und türkische Übersetzungen von "nackt", "heiß" oder "Schwiegermutter". Auch die Zahl "31" ist demnach verboten, weil sie im Türkischen ein Slangausdruck für Masturbation ist. Die englische Kurzbezeichnung "pic", die für Pictures, also Bilder steht, darf nicht mehr verwendet werden, weil das Wort auf türkisch Bastard heißt. Konsequenterweise ist das türkische Wort "yasak" nun auch verboten - es heißt verboten.

Seit die Sperrliste aktiv ist, sind unter anderem Seiten von Kondomherstellern oder von Unterwäschefirmen nicht mehr erreichbar, berichtete die türkische Zeitung Haberturk.

Als Begründung heißt es, das Internet solle damit sicherer und sauberer werden. Von vielen Türken aber wird es klar als Zensur empfunden. Seit Monaten gibt es im Land Proteste unter dem Motto "Fasst unser Internet nicht an".

 
Video: Arte-Bericht vom 10. Juni 2011

Am Donnerstag hatte die türkische Telekommunikationsbehörde TIB diese Liste an die Provider des Landes mit der Aufforderung verschickt, alle Websites zu sperren, die solche Ausdrücke im Domainnamen tragen. Bei Zuwiderhandlung sind Sanktionen angedroht. Jedoch hat die TIB wohl nicht erklärt, welche Strafen denn im Zweifel verhängt werden.

Überhaupt scheint die Lage konfus zu sein. So gibt es, wie Daily News, die englische Ausgabe der türkischen Zeitung Hurriyet, schreibt, verschiedene Seiten, die eher zufällig eines der verbotenen Wörter im Namen tragen. Beispielsweise könne in der Domain "donanimalemi.com", was übersetzt hardwareworld.com heißt, das englische Wort "animal" gelesen werden. Auch das steht auf der Verbotsliste.

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Regierungsbehörde sorgt für Verwirrung 
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