EuGH-Generalanwalt
Internetsperren schränken Grundrechte ein
Internetsperren sind ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte. Das hat der zuständige EuGH-Generalanwalt Pedro Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen im Fall C-70/10 Scarlet Extended deutlich gemacht. In dem Verfahren geht es um einen Rechtsstreit zwischen der belgischen Verwertungsgesellschaft Sabam und dem Internetprovider Scarlet.
Seit Jahren fordern Contentanbieter die Einführung von Internetsperren und Filtersystemen bei Internetprovidern, um Urheberrechtsverletzungen zu bekämpfen. Die Provider wehren sich gegen dieses Ansinnen, nicht zuletzt aus Kostengründen. Bürgerrechtler hingegen bemängeln die mit Filter- und Sperrsystemen verbundenen Einschränkungen der Grundrechte und sehen die Bürger unter Generalverdacht gestellt. Nun muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) über diese Problematik entscheiden.
Es geht um einen Fall in Belgien, in dem das belgische Gegenstück zur deutschen Gema, die Verwertungsgesellschaft Sabam, vor Gericht eine Anordnung gegen den Internetprovider Scarlet erwirkte (Rechtssache C-70/10). Der Provider wurde wegen Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden unter Androhung eines Zwangsgeldes verpflichtet zu verhindern, dass die Nutzer in Zukunft geschützte Musikwerke aus Peer-to-Peer-Netzwerken herunter- oder in solche hochladen.
Scarlet ging vor dem Berufungsgericht Cour d'appel in Brüssel in Berufung. Das Gericht wandte sich an den Europäischen Gerichtshof und bat diesen um eine Einschätzung, ob derartige Anordnungen gegen Provider mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar sind.
Heute nun hat der für den Fall zuständige EuGH-Generalanwalt Pedro Cruz Villalón seine Schlussanträge in der Sache vorgelegt. Demnach verstößt die gegen Scarlet in Belgien verhängte Anordnung auf der Grundlage des belgischen Rechts gegen das Unionsrecht. Eine Auflage zur Einrichtung und zum Betrieb eines Sperr- und Filtersystems, wie sie gegenüber Scarlet angeordnet wurde, ist in dem in Belgien angewandten Gesetz "nicht ausdrücklich im Vorhinein klar und deutlich vorgesehen worden". Nur unter solchen Bedingungen ist aber laut Cruz Villalón eine Einschränkung der Rechte und Freiheiten gemäß der Grundrechtecharta überhaupt zulässig.
Daran, dass Sperr- und Filtersysteme "eine Einschränkung des Rechts auf Beachtung des Kommunikationsgeheimnisses und des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten" sowie der Informationsfreiheit darstellt, lässt Cruz Villalón keinen Zweifel. Die Durchführung solcher Maßnahmen würde "dauerhaft eine unbestimmte Zahl von juristischen und natürlichen Personen [betreffen], ohne ihr vertragliches Verhältnis zu Scarlet oder ihren Wohnsitzstaat zu berücksichtigen", denn der Provider müsste im Grunde den gesamten Kommunikationsverkehr untersuchen, um die illegalen Datenpakete zu identifizieren.
Eine derartige Einschränkung der Grundrechte ist gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur dann zulässig,"wenn sie auf einer nationalen gesetzlichen Grundlage beruht, die zugänglich, klar und vorhersehbar ist."
Der EuGH ist nicht an das Votum seiner Generalanwälte gebunden, folgt ihm jedoch in der Mehrzahl der Fälle. Im Scarlet-Fall steht die Entscheidung der Richter noch aus. [von Robert A. Gehring]
Oder nutzen Sie das Golem-pur-Angebot
und lesen Golem.de
- ohne Werbung
- mit ausgeschaltetem Javascript
- mit RSS-Volltext-Feed
Wenn man es in Deutschland vor den Bundesverfassungsgericht beklagt und verliehrt, kann...
Hat irgendeiner, der hier schon seinen Senf dazugegeben hat, mal genauer gelesen? Wenn...
Sperren ist nicht Speichern. Um zu Sperren mußt du den Datenstrom analysieren, um ihn gg...
Gesunder Menschenverstand und Jurastudium in einem Satz. Dein Wort in Gottes Ohr... ;)