Wikileaks-Opfer

Spanisches Filesharing-Gesetz fällt im Kongress durch

Gestern hat der zuständige Wirtschaftsausschuss des spanischen Kongresses das "Ley Sinde" genannte neue Antipirateriegesetz mit 20:18 Stimmen durchfallen lassen. Das Abstimmungsergebnis ist vermutlich eine Folge der Veröffentlichung von Depeschen von US-Diplomaten durch Wikileaks.

Artikel veröffentlicht am ,

In den USA gilt Spanien als Schutzhafen für Onlinepiraten. Spanische Gerichte haben in der Vergangenheit mehrfach nicht kommerzielles Filesharing als urheberrechtskonform eingestuft. US-Diplomaten haben deshalb jahrelang massiven Druck auf die spanische sozialistische Regierung ausgeübt, das Urheberrechtsgesetz im Lande zu verschärfen. Die spanische Tageszeitung El País hat anhand von ausgewählten Depeschen, die von Wikileaks publiziert wurden, das Vorgehen der US-Regierung und ihrer Diplomaten dokumentiert.

Wörtlich heißt es beispielsweise in einer Depesche der US-Botschaft in Spanien von Februar 2008: "Wir schlagen vor, der neuen Regierung zu sagen, dass Spanien auf die Beobachtungsliste kommt, wenn sie nicht bis Oktober 2008 drei Dinge erledigt. Erstens soll die Regierung eine offizielle Erklärung abgeben, dass Piraterie illegal ist und dass das System der Geräteabgaben die Urheber nicht für per Filesharing erworbene, urheberrechtlich geschützte Materialien kompensiert. Zweitens soll sie das 'Circular' von 2006 verbessern, das in Spanien überwiegend so interpretiert wird, dass Filesharing legal ist. Und drittens soll die Regierung offiziell verkünden, dass sie vergleichbare Maßnahmen wie Frankreich und/oder Großbritannien ergreifen wird, um die Internetpiraterie bis zum Sommer 2009 einzudämmen. [...] Wir machen diesen Vorschlag [...], weil wir davon ausgehen, dass ein solches Verfahren wahrscheinlicher zu konstruktivem Handeln der neuen Regierung führen würde."

Die US-Regierung machte ihre Drohung, Spanien auf die "schwarze Liste" des Special-301-Reports zu setzen, schließlich 2008 und 2009 wahr. Das machte die spanische Regierung am Ende gefügig. Die spanische Kulturministerin Ángeles González-Sinde legte Ende 2009 einen nach ihr benannten Gesetzentwurf für ein "Ley Sinde" vor, mit dem die Forderungen aus den USA befriedigt werden sollen.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Provider auf behördliche Anweisung den Zugang zu bestimmten Inhalten blockieren oder die Inhalte löschen müssen. Auf Anfrage müssten die Internetprovider Urheberrechtsverletzer gegenüber den zuständigen Behörden identifizieren.

Geplant war, den Gesetzentwurf als Anhang zu einem Gesetzentwurf über die Wirtschaftsentwicklung durch die beiden Kammern des Parlaments verabschieden zu lassen. Doch dann kamen die Wikileaks-Veröffentlichungen und die spanischen Parlamentarier konnten im Internet nachlesen, wie das Gesetz zustande gekommen war. Das veranlasste sämtliche Oppositionspolitiker im Wirtschaftsausschuss des Kongresses (der Abgeordneten), gegen das Gesetz zu stimmen. Das Ergebnis: Der Entwurf fiel mit 20:18 Stimmen durch.

Die Abstimmung im Senat steht Anfang des kommenden Jahres an. Sollte der Entwurf den Senat passieren, muss die Regierung im Anschluss dem Kongress ein kompromissfähiges Angebot unterbreiten, will sie an dem Gesetz festhalten. Wie das aussehen könnte, steht in den Wintersternen.

Und dann ist da ja auch noch Wikileaks. Julian Assange und seine Mitstreiter werden in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin Diplomatenpost veröffentlichen. Wer weiß, was darin noch alles über die spanische Regierungspolitik stehen wird. [von Robert A. Gehring]

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ind 23. Dez 2010

Ein schönes Beispiel dafür wie die Europäer und andere Vasallen sich von den Amis alles...

mc007 23. Dez 2010

ob Wikileaks etwas verändert hat, vermag ich kaum zu sagen; jedoch überprüfbar mal Deine...

mohikaner 23. Dez 2010

@ gisu "Ich wills nicht erleben wenn die USA irgendwann anfangen richtig zu beisen." Und...

gisu 23. Dez 2010

Raus aus der EU wäre mir auch lieber (ich wollte ja nicht mal rein), aber da werden wir...



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