China: Mit World of Warcraft gegen Zensur

Mit einem Film, der komplett im Fantasy-Spieluniversum von World of Warcraft (WoW) angesiedelt ist, protestieren chinesische Internetnutzer gegen die Regulierung des Onlinespiels im Besonderen und die Zensur in dem asiatischen Land im Allgemeinen.
Kampf gegen Harmonie
64 Minuten lang ist der Film um den Helden Kan Nimei, einen kraftstrotzenden, blauen Minotaurus, der gegen den Schurken Yang Yongxin antritt, der von einer Macht namens Harmonie gesandt wird. Inszeniert wurde "War of Internet Addiction" von einem Nutzer, der sich Corndog nennt, zusammen mit einem rund hundertköpfigen Team. Zu sehen ist er auf dem chinesischen Videoportal Youku(öffnet im neuen Fenster) . Auf Youtube gibt es eine mehrteilige Version mit englischen Untertiteln(öffnet im neuen Fenster) .
Der Film zitiert dabei fröhlich aus der Popkultur: Das Auftauchen des blauen Helden am Anfang etwa inszeniert Corndog wie den Auftritt Arnold Schwarzeneggers in den Filmen aus der Terminator-Serie. Kans Flug auf einem Motorrad wiederum erinnert stark an die Flugszene aus E.T.
Anlass für Corndog, War of Internet Addiction zu produzieren, waren der Streit um den Betrieb von WoW in China zwischen The9 und Netease sowie die Kontroverse um die Zulassung des Spiels zwischen dem Kulturministerium und der Behörde für Presse und Publikationen der Volksrepublik China im Jahr 2009.
Gegen Green Dam
Doch es geht um mehr als ein gesperrtes Onlinespiel. Der Film prangert den Umgang der Behörden mit dem Internet an: Schon im Vorspann wird das Filterprogramm Green Dam Youth Escort erwähnt, das die Regierung 2009 einführen wollte. Das Programm sollte auf neuen Computer vorinstalliert werden und unliebsame Inhalte davon fernhalten. Nach massiven Protesten wurde das Vorhaben schnell fallengelassen .
Der Name von Kans Gegenspieler, Yang Yongxin, verweist auf einen höchst umstrittenen chinesischen Psychiater, der rund 3.000 Internetsüchtige mit Elektroschocks behandelt hat. Eltern bezahlten Yang namhafte Summen dafür, ihre Kinder mit dieser Brachialmethode von exzessiver Internetnutzung abzubringen. Die Behörden stoppten diese Praxis im Sommer 2009.
Harmonie ist Zensur
Die Macht hinter Yang, Harmonie, spielt auf die Regierung und ihre Politik an. Der derzeitigen Regierung gilt die Schaffung einer harmonischen Gesellschaft als wichtiges Ziel, zu dessen Erreichung die Wahrheit oft angepasst wird. Entsprechend sei Harmonieren bei chinesischen Internetnutzern zu einer Chiffre für Zensur geworden, erklärt Kristie Lu Stout, Korrespondentin von CNN International, im Blog Boing Boing(öffnet im neuen Fenster) , zu dessen Autoren auch Cory Doctorow gehört.
Am Ende ruft Kan alle WoW-Spieler auf, ihr Schweigen zu beenden. Sie hätten geschwiegen, als Youtube und Twitter gesperrt wurden. Nun sollten sie aber ihre Hände zum Protest gegen den Versuch, WoW zu regulieren, erheben, und damit auch gegen die Harmonisierung des chinesischen Internets.
Bei den Nutzern kommt War of Internet Addiction gut an. Über 10 Millionen haben ihn bereits gesehen. In den Foren wird auch recht offen darüber diskutiert. Der Filme zeige, wie gewöhnliche Bürger in China lebten, ihre Hilflosigkeit gegenüber der Willkür, zitiert das Wall Street Journal(öffnet im neuen Fenster) einen Nutzer aus dem Forum QQ. Ein anderer schreibt bei Sina.com: "Wir sind die machtlosen Normalbürger, aber wir haben trotzdem unsere Rechte."
WoW ist wichtiger als Google
War of Internet Addiction sei für die Internetzensoren "eine größere Herausforderung, die ihre Macht stärker untergräbt, als das, was Google getan hat" , analysiert Bill Bishop in seinem Blog DigiCha(öffnet im neuen Fenster) . "Viele Chinesen interessiert eine Zensur, die WoW und andere Onlinespiele betrifft, mehr als die Frage, ob Google.cn in China online ist oder nicht ." Bishop lebt in Peking und hat dort eine Zeit lang ein chinesisches Unternehmen, das Onlinespiele entwickelt, geleitet.
Erstaunlich indes ist, dass der Film weiterhin auf Youku abrufbar ist. Möglicherweise, so wird spekuliert, befürchten die Behörden Proteste, wenn sie die Betreiber anweisen würden, den Film zu entfernen.
China hat nach Angaben des offiziellen China Network Information Center (CNNIC) derzeit rund 384 Millionen Internetnutzer.



