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Spieletest: Spore - Will Wrights lustige Spielesammlung

Aufbau und Strategie in biologisch korrektem Computerspielegewand. Von der Amöbe bis ins All: Fünf durch das Thema "Evolution" verbundene Spielstufen dauert es, dann hat der Spieler das Weltall im Griff - jedenfalls in Spore. Das neue Werk des Sims-Erfinders Will Wright sorgt auf Windows-PC und Mac für unterhaltsame Stunden, obwohl es viele der selbstgesteckten Ziele nicht erreicht.
/ Peter Steinlechner
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Es war einmal ein junger Spieledesigner namens Will Wright. Der plante nach großen Verkaufserfolgen mit einem Computerspiel, in dem unter anderem sogenannte Sims-Menschlein vorkamen, einen weiteren großen Wurf. Er packte einen ganzen Planeten mitsamt der Entwicklung des Lebens in das Spiel - und landete einen Megaflop. Das 1990 kurz nach SimCity veröffentlichte SimEarth war zwar anspruchsvoll und simulierte auf wissenschaftlich fundierte Art den Werdegang eines Himmelsköpers. Es war aber auch viel zu komplex und abstrakt, um viele Spieler zu begeistern. Jetzt, 18 Jahre später, hat Wright erneut ein Spiel veröffentlicht, nachdem er mit der Sims-Reihe einen Bestseller nach dem anderen landen konnte. In Spore geht es vordergründig erneut um die Entstehung des Lebens - aber offensichtlich hat Will Wright sich fest vorgenommen, die Zielgruppe diesmal auf keinen Fall zu verschrecken. Jetzt soll jeder die Möglichkeit haben, die Evolution einer Spezies nachzuspielen.

In fünf Stufen mendelt sich der Spieler in Spore vom Einzeller bis zum Herrscher des Weltraums; jede Stufe entspricht einem eigenen Spielemodus. Die locker nach einer halben Stunde abgeschlossene Zellenphase dreht sich um einen Einzeller, der in der Ursuppe mit anderen Amöben ums Überleben kämpft und allmählich immer weiter wächst. In der folgenden Kreaturenphase ist Landgang angesagt: Mit festem Boden unter dem Fuß, dem Saugnapf oder was auch immer der Spieler gewählt hat, muss sich ein einzelnes Lebewesen behaupten, indem es Kontakt zu anderen Spezies aufnimmt und sich deren DNA einverleibt. Entweder durch Kampf oder durch nette Umgangsformen und mitreißende Sanges- und Tanzdarbietungen. Auch diese Phase ist rasch abgeschlossen, erfahrene Spieler benötigen dafür nicht länger als ein bis zwei Stunden.

Der dritte und schon etwas aufwendigere Modus heißt in Spore "Stammesphase". Darin geht es nicht mehr um eine einzelne Kreatur, sondern um einen Stamm ziemlich primitiver Eingeborener - die gleiche Art von Wesen, das der Spieler zuvor hochgepäppelt hat. Dieser Stamm muss sich durchsetzen, indem er andere Stämme - die hier noch aus anderen Spezies bestehen - im Kampf besiegt oder durch Geschenke auf seine Seite zieht. Praktisch sieht das so aus: Irgendwo auf der Karte brennt ein Lagerfeuer als Mittelpunkt der Siedlung des Stammes. Anfangs steht dort nur ein Hauptzelt, später kommen weitere Hütten hinzu. Beispielsweise eine, die den Stamm mit Musikinstrumenten ausstattet, damit er andere Stämme durch schöne Weisen beeindrucken kann. Oder mit Äxten, mit denen man seine Nachbarn der Einfachheit halber eliminiert - was irgendwann immer nötig ist, weil einige der anderen Anlieger von vornherein eine feindliche Einstellung haben.

Besonders schwierig ist die Stammesphase nicht. Wer halbwegs planvoll agiert, sich um ein paar Nebenaufgaben kümmert und beispielsweise stets ausreichend Futter für seine Mannen bereithält, kommt notfalls immer mit Massenangriffen zum Erfolg um die Beherrschung der Welt. Grafisch ist das alles teils schön schräg in Szene gesetzt. So bewerten fremde Stämme die musikalischen Darbietungen des Spielers in Eiskunstlaufjury-Manier mit Punktetafeln, auf Knopfdruck gibt es fröhliche Partys rund ums Lagerfeuer, und in einer ruhigen Minute kann der ganze Trupp auch mal an den Strand zum Angeln gehen.

Der vierte Modus heißt "Zivilisationsphase" - und er ist noch mehr ein Echtzeit-Strategiespiel als die Stammeskämpfe davor. Diesmal steuert der Spieler nicht mehr seine Kreatur aus der Anfangszeit, sondern selbstgebastelte Landfahrzeuge mit Waffen, Kampfschiffe sowie Kampfflugzeuge. Wieder geht es darum, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen - deren Vehikel oder Boot übrigens anders aussieht, aber im Grunde die gleichen Fähigkeiten hat. In diesem Modus gibt es mehrere Möglichkeiten, eine feindliche Stadt auf seine Seite zu ziehen. Während im "Militär"-Modus Raketen auf die feindliche Fabrik fliegen, zeigt bei religiösen Attacken ein riesiges Hologramm eine Art Konvertierungsstrahl direkt ins Unterhaltungsgebäude. Einmal feuern Selbstschussanlagen zurück, einmal wirft der empörte Mob Steine - inhaltlich macht das so gut wie keinen Unterschied. Diese vierte Phase ist die bis dahin längste und dauert je nach Spielweise zwei bis vier Stunden. Auch angesichts der wenigen Einheiten siegt letztlich immer die Masse - die Feinde wehren sich zwar aggressiv und vehement, aber sobald man ausreichend Geld, Gebäude und Truppen hat, kann man fast nichts mehr falsch machen.

Sobald die Erde unterworfen ist, geht es ins All: die "Weltraumphase" beginnt. Vorbei sind die Zeiten der Echtzeitstrategie - jetzt werden bei Spieleveteranen Erinnerungen an Star Control 2 und Alien Legacy wach. Mit dem Raumschiff saust der Spieler auf einer Sonnensystemübersichtskarte von 3D-Planetenkugel zu 3D-Planetenkugel. Schick, aber auf Dauer ermüdend: Von der Übersichtskarte zoomt ein Dreher am Mausrad fast stufenlos bis hinunter über die Planetenoberfläche; nur im Hintergrund werden ein paar Dateien in den Speicher geladen, und es ruckelt kaum spürbar.

Anfangs stehen einfache Missionen im Vordergrund und man schwebt etwa über grünen Wäldern, sucht nach einem bestimmten, per Pfeil markierten Alien und saugt ihn zur weiteren Erforschung in sein Ufo. Später ist der Spieler auf eigene Faust unterwegs, um sein Einflussgebiet zu vergrößern. Indem er Allianzen schmiedet und Handel treibt, feindliche imperiale Schiffe mit Raumbomben oder Laserattacken beharkt oder seine eigenen Welten erschafft und tote Gesteinsklumpen in halbwegs idyllische Kolonien verwandelt. Insbesondere das Terraforming bringt viel Geld und damit Macht, ist aber recht zeit- und klickaufwendig. Erst muss die Temperatur der fremden Welt eingepegelt werden, etwa durch den raumschiffeigenen Meteoritenhagel. Ein Atmosphärengenerator sorgt dann für frische Luft, und mit einer Art Koloniebombe zündet der Spieler schließlich die eigentliche Besiedlung - bis irgendwann auch im All die Macht gesichert ist.

Die Steuerung muss der Spieler in jeder Phase neu lernen. Als Einzeller ist man nur in der Fläche unterwegs, dann setzt das Spiel auf klassische World-of-Warcraft-Mechanismen per WASD-Tastatur und Maus, später auf Echtzeitstrategiesysteme. Die sind einerseits dank der geringen Anzahl an Einheiten schnell gelernt, sorgen aber auch für Probleme. So fehlt in der Stammes- und Zivilisationsphase die Möglichkeit, feste Gruppen der gleichen Einheit zusammenzufassen und schnell aufrufen zu können. Außerdem kommt es immer wieder mal zu Problemen mit der Kamera - etwa, wenn sich einzelne Gegner mitten in der eigenen Truppe tummeln, oder wenn sich Vehikel unter Bäumen befinden und sie zwar anhand des (langen) Mündungsfeuers längst nicht mehr versteckt sind, aber trotzdem nur umständlich anzuvisieren sind. Und in der Weltraumphase nervt das lange Rein- und Rausskrollen in und aus Sonnensystemen ebenfalls recht schnell - hier wäre es schön, wenn man zumindest alternativ einfach umschalten könnte.

Eine Handlung gibt es nicht in Spore. Abgesehen von einer Zeittafel, die alle evolutionären und technischen Schritte des Spielers dokumentiert, sorgt vor allem der Kreatureneditor zumindest im Ansatz für so etwas wie einen roten Faden. Erst, um Amöben zu bauen, dann um den Stamm mit neuen Körperteilen oder Ausrüstung auszustatten. Später baut der Spieler mit dem Editor auch unbelebte Dinge: Von Vehikeln über Häuser und Fabriken bis hin zum Raumschiff, das je nach Wunsch an ein Retro-Ufo, an die Enterprise, einen Sternenzerstörer oder an sonstwas erinnert - sich aber immer gleich fliegt.

Die Bedienung des Editors ist extrem einfach. Erst zieht der Spieler per Maus etwa einen von vielen Rümpfen in die Mitte des Bildschirms, hängt dann ein, zwei oder drei Paar Beine dran - aber selbst ohne Beine kann die Kreatur noch über den Boden robben. Hörner oder sonstiger Kopfschmuck verbessern die Verteidigung, Füße beschleunigen den Gang - jedenfalls anfangs. Später hat das Aussehen keine echten Auswirkungen mehr auf die Fähigkeiten. Bei Fahr- und Flugzeugen kann der Spieler nur in engen Grenzen wählen, ob etwa der Tempo- oder Angriffswert höher ist.

Wer keine Lust zu basteln hat, bedient sich aus vorgefertigten Modellen der Entwickler oder lädt weitere aus dem Internet. Umgekehrt kann auch der Spieler seine Kreationen online stellen und dann verfolgen, wie oft sie andere Spore-isten in ihren Welten verwendet haben. Das ist übrigens die einzige Onlinefunktion - über einen Multiplayermodus verfügt das Spiel nicht.

Grafisch lebt Spore vor allem von den abwechslungsreichen Welten - es gibt sowohl idyllische grüne Umgebungen als auch düstere Höllenplaneten. Vor allem aber lebt Spore von den vielen Animationen und optischen Gimmicks: Da tanzen ganze Stämme durch Siedlungen, gibt es zahlreiche Anspielungen auf Filme wie 2001 von Stanley Kubrick oder zeigen Sprechblasen makabere Atombombenwitze. Eine echte Sprachausgabe gibt es dabei nicht, sondern nur Sims-ähnlichen Kauderwelsch.

Spore ist für Windows- und MacOS X erhältlich. Beide Versionen befinden sich auf der gleichen DVD und unterscheiden sich so gut wie gar nicht voneinander. Unter Windows XP braucht der PC mindestens 512, unter Vista 768 MByte RAM sowie in beiden Fällen eine CPU mit 2,0 GHz. Auf der Festplatte benötigt das Programm 6 GByte Platz. Die Grafikkarte muss über 128 MByte Speicher verfügen und Pixel Shader 2.0 unterstützen. Mac-Spieler benötigen mindestens MacOS X 10.5.3 Leopard, einen Intel-Core-Duo-Prozessor und 1.024 MByte RAM an Hauptspeicher. Auf der Festplatte müssen rund 4,7 GByte für das Spiel und 1 GByte für zusätzliche Kreaturen frei sein. Außerdem muss mindestens eine Grafikkarte vom Typ ATI X1600, Nvidia 7300 mit 128 MByte Speicher oder Intel Integrated GMY X3100 im Rechner stecken. Weil vor dem ersten Spielen per SecuRom-System online abgefragt wird, ob die Spore-Version rechtmäßig erworben wurde, muss zwingend eine Internetverbindung vorhanden sein. Die USK hat das Spiel ab zwölf Jahren freigegeben.

Fazit:
Tschüss, Vision vom "das Universum in deinen Händen" , wie noch die Packungsrückseite von Spore wirbt. Und hallo, ihr fünf überwiegend ganz netten Mini- bis Etwas-größer-Spiele. Denn sehr viel mehr ist Spore tatsächlich nicht: Eine Handvoll inhaltlich ziemlich unterschiedlicher Spiele, die nur durch das Szenario, die Grafik und den Kreatureneditor zusammengehalten werden. Und die von unterschiedlicher Qualität sind, ohne dass eines besonders hervorsticht - durchschnittliche Computerspieler können aus dem Stegreif für jedes der Spore-Spielchen eine Vielzahl von Alternativen nennen. Mit besserer Steuerung, interessanteren Einheiten, spannenderen Missionen und haufenweise anderen Vorteilen.

Das heißt aber nicht, dass Spore keine Daseinsberechtigung hat. Das Spiel macht durchaus Spaß und sorgt für ein paar Stunden richtig gute Unterhaltung. Nicht so sehr wegen spielerischer Stärken, sondern wegen der hübschen Optik und der vielen lustigen Ideen - humorvolle Zwischensequenzen, schräge Animationen und viel Abwechslung gibt es haufenweise. Plus den Kreatureneditor, der erstaunlich perfekt funktioniert und die einzige echte - aber dafür wohl nachhaltige - Innovation des Titels sein dürfte.

Spore will zwar alle ansprechen, kann aber nicht jeden zufrieden stellen: Abgesehen von der Einzeller-Phase, die am Casual-Spiel fl0w angelehnt ist, schrammt Spore an der Casual-Zielgruppe vorbei und unterfordert in den späteren Phasen erfahrene Spieler. Die kleine Schwester, die durch die Nähe zu Die Sims vielleicht noch angelockt wurde, wird in den späteren Spielphasen durch die Steuerung eher verschreckt. Schade übrigens, dass man trotz viel DNA- und Evolutionsgeschwurbel nur Ansätze über die Entstehung des Lebens erfährt.


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