Zum Hauptinhalt Zur Navigation

"Linux unterstützt mehr Geräte als andere Betriebssysteme"

Linux-Kernel-Entwickler Greg Kroah-Hartman im Interview mit Golem.de. Klagen über fehlende Linux-Treiber hört man nicht selten. Doch die Realität sieht anders aus, sagt Greg Kroah-Hartman. Tatsächlich unterstütze Linux heute mehr Geräte als jedes andere Betriebssystem. Eine Aussage, die Kroah-Hartman auch von Microsoft bestätigt wurde. Auf dem Kongress "Open Source meets Industry" im Rahmen der Hannover-Messe hatte Golem.de Gelegenheit, mit Kroah-Hartman zu sprechen.
/ Julius Stiebert
259 Kommentare News folgen (öffnet im neuen Fenster)

Der Novell-Entwickler betreut unter anderem das USB- und das Hotplug-Subsystem im Linux-Kernel und ist dafür bekannt, Closed-Source-Treiber vehement abzulehnen. Anfang 2007 gründete Kroah-Hartman das "Linux Driver Project". In dessen Rahmen bietet er Firmen an, kostenlos für sie Treiber zu schreiben, wenn diese ihm Spezifikationen zur Verfügung stellen. Rund 300 freiwillige Programmierer konnte er für dieses Vorhaben gewinnen, nur: es gibt bisher nicht so viele Firmen, die das Angebot annehmen, da ihre Hardware in der Regel schon unter Linux läuft.

Golem.de: Sie haben gesagt, dass es mehr Treiber für Linux als für jedes andere Betriebssystem gibt. Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist jedoch anders, warum meinen Sie ist das so?

Greg Kroah-Hartman: Es ist nicht so, dass es mehr Treiber gibt, aber wir unterstützen mehr Geräte als jedes andere Betriebssystem. Tatsächlich haben wir weniger Treiber, da jeder einzelne mehrere Geräte unterstützt. Treiber sind lustig, denn sie sind dafür verantwortlich, ob ein Computer funktioniert oder nicht. Jeder hat einmal ein Problem mit seiner Maschine und das führt manchmal dazu, dass sich Leute neue Hardware kaufen, die noch nicht von Linux unterstützt wird. Aber insgesamt unterstützen wir mehr Hardware.

Klar sagt jeder, wir bräuchten bessere Linux-Treiber - denn wir wollen ja auch immer bessere Treiber. Doch die Wahrheit ist - und ich habe mit den Hardware-Firmen darüber gesprochen -, dass wir die Geräte bereits unterstützen. Wir müssen diesen Mythos verschwinden lassen, er stimmt so einfach nicht mehr.

Trotzdem sind wir noch nicht fertig und können uns nicht zur Ruhe setzen. Was wir bisher getan haben, müssen wir weiterführen, damit neue Hardware läuft. Aber die Behauptung, dass nur wenige Geräte mit Linux laufen, ist einfach nicht wahr! Man muss doch einfach nur einmal auf die ganzen Hardware-Firmen schauen: HP, IBM, Lenovo, Dell, sie alle liefern schon heute Linux-Systeme aus. Und man kann sich einmal andere Betriebssysteme wie MacOS X anschauen. Das unterstützt nur sehr wenige Geräte - beschweren sich dort die Anwender über mangelnde Hardware-Unterstützung?!

Golem.de: Dennoch haben Sie gesagt, dass es zwei Problemfelder gibt: Grafikhardware und WLAN-Treiber.

Kroah-Hartman: An der Situation der Grafiktreiber kann ich nichts ändern, es gibt drei große Firmen und zwei von ihnen (AMD und Intel, Anm.d.Verf.) haben ihre Spezifikationen bereits freigegeben, eine nicht. Selbst Via hat sich nun geöffnet, bleibt also nur Nvidia. Uns geht es aber um WLAN- und Video-Hardware wie Videokameras. Dort gibt es noch Probleme. Für die Video-Hardware gibt es viele Treiber, die noch außerhalb des Kernels entwickelt werden. Dafür gibt es verschiedene Gründe, aber wir arbeiten daran, sie in den Kernel zu bekommen. Es gibt auch keinen Entwickler, der Vollzeit an diesen Treibern arbeitet. Aber die Situation verbessert sich und es gibt einen Standard für USB-Videogeräte und der passende Treiber wird bald in den Kernel gelangen. Jedes neue Gerät wird dann funktionieren, hier geht es daher primär um Treiber für ältere Hardware.

Schaut man sich die aktuellen Kernel-Versionen an, sieht man zudem, dass wir sehr viele zusätzliche WLAN-Treiber aufgenommen haben. Auch hier verbessert sich die Situation also.

Golem.de: Und Atheros hat gerade erst einen Entwickler des freien ath5k-Treibers eingestellt.

Kroah-Hartman: Richtig, den Hauptentwickler, und das ist sehr gut. Auf diesem Gebiet bleibt also auch nur noch Broadcom, die für uns ein Problem sind.

Golem.de: Denken Sie, Sie können Broadcom überzeugen, Spezifikationen offenzulegen?

Kroah-Hartman: Ich hoffe es, ja sagen wir es so: Ich hoffe es.

Golem.de: Wie sieht Ihre Taktik aus?

Kroah-Hartman: Ich weiß es nicht. Aber ich kenne Leute, die mit Broadcom bereits seit einiger Zeit reden und das werden wir fortsetzen. Es gibt unter anderem Bedenken aufgrund von Regulierungsbestimmungen durch die US-Regierung. Meine Antwort darauf ist: Schaut euch Intel an, dort konnten diese Fragen auch beantwortet und letztlich die kompletten Treiber offengelegt werden.

Golem.de: Kommen wir noch einmal auf Grafikkarten zu sprechen. Nachdem AMD und Intel nun offen sind, bleibt nur noch Nvidia. Denken Sie, Nvidia wird nachziehen?

Kroah-Hartman: Ich weiß es nicht, ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung.

Golem.de: Aber zumindest beeinflussen können Sie diese Entscheidung. Während der Entwicklung des Kernels 2.6.25 gab es ja bereits einen Patch, der das Laden des Nvidia-Treibers verhinderte. Denken Sie, Closed-Source-Treiber haben eine Zukunft?

Kroah-Hartman: (lacht) Ja, diesen Patch gab es. Was proprietäre Treiber angeht, so können sie rein rechtlich gesehen keine Zukunft haben. Es ist illegal, einen fertig kompilierten Closed-Source-Kernel-Treiber zu verteilen. Die Firmen umgehen das etwa, indem sie die Treiber nicht selbst verteilen, sondern die Software beispielsweise von Dritten kompilieren lassen. Nvidia wird das über die Zeit hoffentlich erkennen. Vielleicht wenn Sie Marktanteile verlieren... Intel hat doch bereits heute 80 Prozent Marktanteil, und nun, wo AMD und ATI zusammengehören und sowohl Intel als auch AMD beginnen, ihre Grafik-Co-Prozessoren in den Prozessor zu integrieren, könnte das Leben für Nvidia ganz generell schwerer werden.

Golem.de: Was denken Sie über Vias Ankündigung, Hardware-Dokumentationen zu veröffentlichen, es ist ja nicht die erste dieser Art?

Kroah-Hartman: Es ist großartig! Es gab einen offenen Treiber von ihnen, der nur nicht in den Kernel gelangte. Ich weiß also nicht, was jetzt passieren wird, aber in ein paar Wochen rede ich mit Via und hoffe, dann mehr zu erfahren. Es klingt jedenfalls vielversprechend und ich hoffe, dass es sich bewahrheitet.

Golem.de: Wissen Sie, wie viele Treiber von ihrem Linux Driver Project bisher geschrieben wurden?

Kroah-Hartman: Wir haben viele Treiber von Firmen bekommen, diese bereinigt und in den Kernel gebracht. Darin besteht der Großteil unserer Arbeit, denn viele Firmen haben schon Linux-Treiber entwickelt, die jedoch überarbeitet werden müssen. Das waren bisher vielleicht 20 Stück, ich habe etwas den Überblick verloren.

Dann haben wir auch Treiber komplett neu entwickelt, aber viel weniger, vielleicht fünf. Das liegt jedoch daran, dass wenige Leute danach fragen. Wir brauchen einfach mehr Aufgaben - die Entwickler sind da. Und dann kommt noch hinzu, dass wir manchmal langsam arbeiten, wir sind sicherlich nicht das schnellste Projekt. Unseren Entwicklungszweig habe ich jetzt aber in meinen Kernel-Zweig überführt und der wiederum wird in den neuen Entwickler-Kernel Linux-next gelangen, so dass die Treiber besser getestet werden können. Wir wollen offener sein und es Programmierern erleichtern, an den Treibern mitzuarbeiten, ohne gleich selbst einen kompletten Treiber schreiben zu müssen.

Golem.de: Sie bieten Firmen an, Vertraulichkeitsvereinbarungen (Non-Disclosure Agreement, NDA) zu unterzeichnen, was ziemlich schnell die BSD-Entwickler auf den Plan rief, die sich beschwerten. Wie sehen Sie das?

Kroah-Hartman: Es ist eine Gruppe, für die Freiheit bedeutet, dass man mit der Software machen kann, was man will. Und sie versuchen, einer anderen Gruppe zu sagen, wie diese ihr Projekt führen soll. Es hat mich also überrascht, dass die BSD-Entwickler sich bei mir über etwas beschwert haben, was sie nicht betrifft.

Wir bieten den Firmen an, NDAs zu unterzeichnen, weil es hier manchmal Bedenken gibt. Aber bisher haben wir erst eine solche Vereinbarung unterzeichnet. Unsere Entscheidung, dies anzubieten, ist ein Ergebnis aus all den Hürden, die es in Firmen gibt, wenn sie ihre Spezifikationen öffnen wollen. Es hilft uns also, Manager zu überzeugen und tatsächlich kommt man mit ihnen besser ins Gespräch, wenn man bereit ist, auf ihre Befürchtungen einzugehen. Letztendlich ist die beste Dokumentation ohnehin ein funktionierender Treiber.

Ich arbeite seit Jahren mit BSD-Entwicklern zusammen und habe daran mitgewirkt, USB-Unterstützung auf Basis unserer Treiber in die BSDs zu bekommen. Sie können sich unseren Code anschauen, um zu verstehen, wie wir mit der Hardware sprechen, das ist kein Problem. Die Mehrheit unserer Treiber wurde von Firmen geschrieben, die ebenfalls diesen Regeln unterstehen, bei denen Mitarbeiter NDAs unterschreiben müssen und wir einen Open-Source-Treiber erhalten. Intel ging beispielsweise immer so vor, doch nun haben sie ihre Grafik-Spezifikationen veröffentlicht und das ist wunderbar.

Golem.de: Sie haben vorhin in Ihrem Vortrag gesagt, Sie müssten vielen Firmen erklären, wie der Linux-Kernel entwickelt wird, da diese den Prozess nicht verstehen. Was sind die Probleme?

Kroah-Hartman: Nun, sie schreiben einen Treiber und realisieren nicht, was der nächste Schritt ist. Sie schreiben einen Treiber basierend auf einer Kernel-Version und geben die Software dann ihren Kunden. Aber sie verstehen nicht, wie der Kernel entwickelt wird, dass alle Treiber direkt in den Kernel sollen und wie sie dorthin gebracht werden. Wir haben den Prozess sehr gut dokumentiert, aber es geht darum, ihnen zu erklären, dass sie überhaupt nach der Dokumentation schauen (lacht). Wir sagen ihnen, wie sie aktiv am Kernel mitentwickeln können. Das Driver Project hat außerdem den Entwicklern in Firmen erklärt, was sie tun müssen, um ihren Treiber selbst in den Kernel zu bekommen und somit neue Kernel-Entwickler auszubilden. Das hilft sehr, da sie nun alles selbst machen können.

Golem.de: Wenn Sie so viel reisen, um den Firmen den Entwicklungsprozess zu erklären: Wird das alles von ihrem Arbeitgeber Novell bezahlt?

Kroah-Hartman: Nicht alle Reisen. Novell erlaubt mir, an diesem Projekt Vollzeit zu arbeiten und ich kann ein oder zwei Tage zu einer Firma fahren und muss mir dafür keinen Urlaub nehmen. Novell hat verstanden, dass Linux, um zu überleben, so viele Geräte unterstützt wie möglich. Meine Arbeit hilft also auch Novell - das ist bei anderen Firmen wie Red Hat nicht anders.


Relevante Themen