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Bundestag stärkt Schutz geistigen Eigentums

Bundestag beschließt Gesetz zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie. Der Bundestag hat den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie von 2004 beschlossen. Zu den wesentlichen Neuerungen zählen die Einführung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs bei Verletzungen von Urheber-, Patent-, Gebrauchsmuster- und Markenrechten. Neu ist auch eine "Regelung für Abmahnungen bei Bagatellverstößen durch Privatpersonen" im Bereich des Urheberrechts, die Abmahnkosten auf 100 Euro "für erste Urheberrechtsverletzungen" begrenzt.
/ Ingo Pakalski
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Gut vier Jahre hat sich die Bundesregierung mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (2004/48/EG) Zeit gelassen und damit die von der EU-Kommission gesetzte Frist um fast zwei Jahre überzogen. Mit der EU-Richtlinie soll den Inhabern von Urheber-, Patent-, Gebrauchsmuster- und Markenrechten die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber mutmaßlichen Rechtsverletzern EU-weit deutlich erleichtert werden.

Hier war ein Flashplayer. Dieser wird von Browsern nicht mehr unterstützt. Die Mediendatei ist aber noch vorhanden. Audio: Bundestag geht schärfer gegen Tauschbörsen vor(öffnet im neuen Fenster)

Im Anschluss an die Beratung über die Verschiebung der Stichtagsregelung im Stammzellgesetz beriet der Bundestag in zweiter und dritter Lesung über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Lediglich etwa zwei Dutzend Abgeordnete nahmen an der Beratung und der Abstimmung über das Gesetz zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie teil.

Der Rechtssausschuss des Bundestags hatte dem Gesetzentwurf mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD am 9. April 2008 zugestimmt. FDP, Linke und Grüne hatten den Gesetzentwurf abgelehnt, weil er ihnen entweder nicht weit genug oder zu weit ging. Die FDP monierte vor allen Dingen die vorgesehene Deckelung der Abmahngebühren.

Durch den Gesetzentwurf wird für Rechtsinhaber in Fällen von Rechtsverletzungen "im gewerblichen Ausmaß" ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, an einer Verletzungshandlung (mittelbar, aber nicht ursächlich) beteiligten Parteien eingeführt. Im Fall von online begangenen Urheberrechtsverletzungen sind das beispielsweise die Internetprovider.

Den Rechteinhabern wird in Deutschland mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie die Möglichkeit verschafft, ohne den Umweg über eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft an die Nutzerdaten zu IP-Adressen zu gelangen, über die beispielsweise Musik- und Filmdateien in Tauschbörsen verbreitet wurden. Die Bundesregierung verspricht sich durch den zivilrechtlichen Auskunftsanspruch unter anderem auch eine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden, die seit 2004 im Auftrag der Rechteinhaber regelmäßig mit Massenstrafanzeigen überschwemmt worden waren.

Um der notwendigen Abwägung der schutzwürdigen Interessen von Rechteinhabern und mutmaßlichen Rechtsverletzern angemessen Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung einen Richtervorbehalt im Gesetzentwurf vorgesehen. Die entsprechende Formulierung im Gesetz lautet: "Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten [...] erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist."

Justizministerin Zypries ließ sich in der Bundestagsdebatte von ihrem Staatssekretär Alfred Hartenbach vertreten. Dieser erläuterte, dass es der Bundesregierung beim Gesetzentwurf darum gehe, "Produktpiraten und Fälscher besser [zu] bekämpfen" . Hartenbach verteidigte den Richtervorbehalt beim zivilrechtlichen Auskunftsanspruch und wies zugleich auf die Grenzen des Auskunftsanspruches hin: "Bei bloßen Bagatellverstößen besteht dieser Anspruch [...] nicht!"

Dem wollte Jerzy Montag von den Grünen nicht folgen. Montag verwies auf die Begründung des Gesetzentwurfs, in der davon die Rede sei, dass ein "gewerbliches Ausmaß" der Rechtsverletzung schon dann erreicht wäre, wenn ein Verletzer einen "mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil" erzielt hätte. In Montags Auslegung lässt sich das so interpretieren, dass auch bei einem Tauschbörsennutzer, der ja Geld spart, weil er ein Musikstück nicht kauft, sondern kostenlos herunterlädt, ein Auskunftsanspruch besteht. Montag sprach deshalb von einem "Placebo" im Gesetzentwurf. Dirk Manzewski von der SPD widersprach dem nicht direkt, sondern empfahl Montag: "Vertrauen Sie unseren Gerichten!"

Für die FDP lehnte die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Gesetzentwurf wegen der darin vorgesehenen Deckelung der Abmahngebühren ab, auch wenn die FDP grundsätzlich "die Zielsetzung des Gesetzentwurfs teilt" . Die Deckelung der Abmahngebühren stellt nach Meinung von Leutheusser-Schnarrenberger einen "Systemwechsel" dar, "denn bei berechtigten Abmahnungen soll gedeckelt werden" . Die Deckelung werde dazu führen, dass "die Kosten für Abmahnung [...] nicht gedeckt [werden könnten]" .

Die Befürwortung der Deckelung durch Staatssekretär Hartenbach sei wohl auch nicht zuletzt dadurch begründet, dass er in der Vergangenheit "zwei Mal abgemahnt worden" sei, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Hartenbach hatte von "zum Teil verantwortungslose[r] Geschäftemacherei" mit Abmahnungen gesprochen und auf "eine Flut von Bürgerbriefen" an das Justizministerium verwiesen. Leutheusser-Schnarrenberger warnte ebenfalls davor, dass die unklare Begrifflichkeit der im Gesetzentwurf verwendeten Formulierung "in gewerblichem Ausmaß" in der Praxis zu Schwierigkeiten führen werde.

Günter Krings von der CDU/CSU-Bundestagfraktion fand starke Worte zur Rechtfertigung des Gesetzentwurfes. Er sprach von "digitalen Piraten" , vom "klammheimlichen Sympathisieren" und redete über "romantische Vorstellungen" , die in den Medien verbreitet würden. Die Aktivitäten der "Piraten" würden regelrecht zu einem "Kampf David gegen Goliath" stilisiert.

In Anbetracht der "volkswirtschaftlichen Bedeutung" und der "kulturellen Bedeutung" , die "geistiges Eigentum" für "ein rohstoffarmes Land" wie Deutschland hätte, sei da "noch viel Überzeugungsarbeit" zu leisten. Der vorgesehene Auskunftsanspruch sei notwendig, um dem "Diebstahlsopfer" die Möglichkeit an die Hand zu geben, herauszufinden, wer ihn "im Internet bestohlen hat" . Dabei habe man "eine ausgewogene Balance" gefunden.

Die Deckelung der Abmahnungskosten fand Krings "in Ordnung" . Er begründete sie unter anderem damit, dass das "Instrument der Abmahnung [...] vor Missbrauch geschützt werden [soll]" . Wer die Deckelung wie die FDP ablehne, so Krings, der "gefährdet die gesellschaftliche Akzeptanz der Abmahnung" . Ansonsten sei der heute diskutierte Gesetzentwurf keinesfalls das Ende und die "Arbeit bei der Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums noch nicht abgeschlossen" . So sei die CDU/CSU-Fraktion offen für "neue, niederschwellige Verfahren" nach dem Vorbild Frankreichs.

Ulla Jelpke von der Fraktion der Linken musste sich von Dirk Manzewski (SPD) den Vorwurf machen lassen, die Linke würde sich bei Fragen des geistigen Eigentums grundsätzlich desinteressiert zeigen und nicht an den Berichterstatterverfahren teilnehmen. Zuvor hatte Jelpke erklärt, dass ihre Fraktion zwar das "Anliegen des Gesetzentwurfs grundlegend" teile, aber den Entwurf in seiner Ausgestaltung ablehne.

Darin würde "Verhältnismäßigkeit [...] keine Rolle" spielen und der Schutz des Eigentums über den Datenschutz gestellt. Der verwendete Begriff vom "gewerblichen Ausmaß" von Rechtsverletzungen sei ganz im Sinne von Bertelsmann und Sony, profitieren würde davon die "Musik-, Film- und Softwareindustrie" .

Eine solche Position sei populistisch, meinte dazu Dirk Manzewski. Er vertrat die Auffassung, dass die Interessenabwägung im Gesetzentwurf gelungen und es schlicht und einfach notwendig sei, die Stellung der Rechteinhaber im Kampf gegen die Produktpiraterie zu stärken. Im Übrigen habe man sich in den kritischen Punkten auf eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie beschränkt. Anderswo in Europa würde "schon viel konsequenter" vorgegangen werden.

Nach der Zustimmung des Bundestags muss nun noch der Bundesrat sein Einverständnis zum Gesetzentwurf geben. Das wird voraussichtlich Ende Mai 2008 der Fall sein, so dass das Gesetz schon im Sommer 2008 in Kraft treten könnte. Sollte der Bundesrat wider Erwarten seine Zustimmung verweigern und den Vermittlungsausschuss anrufen, kann sich der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens allerdings noch um mehrere Monate verzögern.

Der Richtervorbehalt beim Auskunftsanspruch und die Deckelung der Abmahnungsgebühren waren den Vertretern der Medienindustrien von Anfang an ein Dorn im Auge. Während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens hatten sie durch massive Lobbyarbeit versucht, die geplanten Einschränkungen zu kippen - letztlich erfolglos.

Für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, den Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) stand deshalb schon gestern fest: "Das geplante Gesetz zur 'Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums' [...] bietet für die Rechte von Autoren und Kreativen im Internet keinen ausreichenden Schutz."

Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, beklagte sich in einer Pressemitteilung stellvertretend für die anderen Verbände: "Urheber, Künstler und ihre Verwerter müssen von ihren Leistungen leben können. Wenn eine Dose Cola im Supermarkt mehr juristischen Schutz genießt als Musikalben, Spielfilme, Hörbücher oder Computerspiele im Internet, wird ihnen die Existenzgrundlage entzogen."

Ganz so schlimm kann es aber um den Schutz des "geistigen Eigentums" in Deutschland nicht bestellt sein. Laut einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums(öffnet im neuen Fenster) hat Deutschland weltweit sogar den "besten" Schutz für "geistiges Eigentum" .

Die anwesenden Abgeordneten des Bundestages haben heute auch über die Ratifizierung des Londoner Protokolls zum Europäischen Patentübereinkommen abgestimmt. Die darin enthaltenen Bestimmungen begrenzen die notwendigen Übersetzungen bei Patentanmeldungen und sollen helfen, Kosten zu sparen. Mit der Annahme durch den Bundestag kann das Londoner Protokoll zum 1. Mai 2008 in Kraft treten. [von Robert A. Gehring]


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