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Schlappe für US-Musikindustrie vor Gericht

Reines Angebot in Tauschbörsen ist keine Urheberrechtsverletzung. Ein New Yorker Bundesrichter hat im Fall einer Klage verschiedener Plattenfirmen gegen eine Tauschbörsennutzerin entschieden, dass das bloße Anbieten eines Musikstücks zum Tausch nicht als Beleg für eine Urheberrechtsverletzung ausreichend ist.
/ Ingo Pakalski
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Das am 31. März 2008 von US-Bundesrichter Kenneth M. Karas unterzeichnete Urteil hat es in sich. In vielen Tauschbörsenfällen waren US-Tonträgerhersteller erfolgreich mit dem Argument vor Gericht gezogen, dass Nutzer schon dadurch gegen das US-Urheberrecht verstoßen würden, dass sie ohne Erlaubnis der Rechteinhaber Dateien zum Tausch anbieten würden (making available). Gerichte im ganzen Land waren dieser Argumentation wiederholt gefolgt, beispielsweise im Fall von Jammie Thomas .

Der Verweis auf die "making available"-Theorie erleichterte den klagenden Tonträgerherstellern die Beweisführung ungemein. Statt nachweisen zu müssen, dass tatsächlich Dateien getauscht wurden, mussten sie nur noch zeigen, dass Dateien zum Tausch angeboten wurden. In vielen Fällen konnten die Tonträgerhersteller mit dem Argument der unerlaubten Zugänglichmachung auch außergerichtliche Einigungen und Schadenersatzzahlungen durchsetzen.

Richter Karas stellt sich in seinem Urteil im Fall Elektra und andere gegen Denise Barker(öffnet im neuen Fenster) diesem Trend entgegen: "Das Gericht stellt fest, dass Abschnitt 106 [des Copyright-Gesetzes] kein verletzbares Recht zur Autorisierung [...] schafft und daher keine Basis für ein 'Recht auf Zugänglichmachung' bietet." Stattdessen müssten die Kläger nachweisen, dass das Angebot tatsächlich wahrgenommen und Musikdateien illegal kopiert worden sind.

Allerdings stellt das Urteil keinen Sieg für die beklagte Denise Barker dar. Sie hatte die vollständige Abweisung der Klage beantragt. Diesen Antrag wies der Richter zurück und gab den Klägern 30 Tage Zeit, um ihre Vorwürfe zu präzisieren und an die geltende Gesetzeslage anzupassen. In ihrer Klage hatten die Tonträgerhersteller auch eine ganze Reihe von Musikdateien angeführt, die tatsächlich von der Beklagten verbreitet worden sein sollen. Diese Vorwürfe bleiben von der aktuellen Entscheidung unberührt.

Nach deutschem Recht hätte ein Gericht bei vergleichbaren Vorwürfen wohl anders entschieden als Richter Karas. Mit dem ersten Korb der Urheberrechtsnovelle war ausdrücklich ein "Recht der öffentlichen Zugänglichmachung" ins Urheberrecht eingeführt worden. Laut Paragraf 19a des Gesetzes(öffnet im neuen Fenster) ist das "Recht der öffentlichen Zugänglichmachung [...] das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist."

Diese Bestimmung war im Zuge der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 ( RL 2001/29/EG(öffnet im neuen Fenster) ) ins deutsche Recht eingeführt worden. In der Richtlinie führte die EU-Kommission seinerzeit dazu aus: "Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von Schutzgegenständen nach Artikel 3 Absatz 2 sollte dahin gehend verstanden werden, dass es alle Handlungen der Zugänglichmachung derartiger Schutzgegenstände für Mitglieder der Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Zugänglichmachung ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend sind; dieses Recht gilt für keine weiteren Handlungen."

Die Richtlinie ihrerseits diente der europaweit einheitlichen Umsetzung zweier WIPO-Verträge von 1996, des WIPO-Urheberrechtsvertrages (WCT) und des WIPO-Vertrages über Darbietungen und Tonträger (WPPT). Im WCT(öffnet im neuen Fenster) findet sich in Artikel 8 ein "Recht der Kommunikation an die Öffentlichkeit" , demzufolge "die Urheber literarischer und künstlerischer Werke das ausschließliche Recht erhalten sollen, jede Kommunikation ihrer Werke, drahtgebunden oder drahtlos, zu autorisieren, einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Werke [...]" .

Die USA hat die WIPO-Verträge ebenfalls ratifiziert und mit dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) von 1998 in US-Recht umgesetzt. Sollte die Entscheidung von Richter Karas Bestand haben, würde das bedeuten, dass die USA ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der WIPO-Verträge nicht vollständig nachgekommen sind. In Verfahren von Elektra und anderen gegen Barker hatte sich die US-Regierung verständlicherweise auf die Seite der Tonträgerhersteller gestellt(öffnet im neuen Fenster) und ausdrücklich deren "making available"-Argumentation unterstützt. Die Entscheidung von Richter Karas birgt insofern explosives Potenzial. [von Robert A. Gehring]


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