Knapp 1.000 Überwachungsanträge pro Tag
Großbritanniens Behörden haben im Jahr 2006 jeden Tag knapp 1.000 Anträge zum Abhören von Telefonaten, elektronischen und analogen Briefen gestellt. Das geht aus dem Bericht(öffnet im neuen Fenster) von Sir Paul Kennedy, dem Beauftragten für die Überwachung der Kommunikation, hervor. Danach wurden in der Zeit zwischen Kennedys Amtsantritt am 11. April und Ende des Jahres 253.557 Anträge zur Kommunikationsüberwachung gestellt, von denen wahrscheinlich der Großteil auch genehmigt wurde.
Nach einem Bericht der englischen Tageszeitung The Daily Telegraph(öffnet im neuen Fenster) gehörten zu den Überwachten nicht nur mutmaßliche Schwerverbrecher oder Terroristen. Einige lokale Behörden versuchten auch, Sozialbetrügern und illegalen Müllabladern per Überwachung auf die Spur zu kommen.
Politiker zeigen sich besorgt über die Zahl der Überwachungsaktionen. "Die meisten dieser Operationen werden gebraucht und aus guten Gründen durchgeführt, aber die Zahl erregt Besorgnis über die Schutzmechanismen, die wir eingerichtet haben, um die Menschen vor dauernden Eingriffen zu schützen" , sagte der Labour-Abgeordnete David Winnick dem Daily Telegraph.
Kennedy hingegen verteidigt die Maßnahmen der britischen Behörden. "Ich war in den ersten neun Monaten im Amt beeindruckt, wie das Abhören zu einer Reihe von beachtlichen Erfolgen beigetragen hat." So konnten etwa Morde und die Einfuhr großer Mengen von Drogen verhindert werden. Außerdem erlangten die Behörden Erkenntnisse "über terroristische und diverse extremistische Organisationen im Vereinigten Königreich und im Ausland" , so Kennedy.
Knapp 1.100 Überwachungsaktionen erwiesen sich als Fehler. So wurden beispielsweise Unschuldige überwacht, weil die Behörden Fehler gemacht hatten. Kennedy indes hält die Zahl für gering im Vergleich zu der großen Anzahl von Überwachungen. Sie machten nur 0,4 Prozent aus, heißt es in dem Bericht.
In Großbritannien dürfen 653 öffentliche Stellen die Kommunikation der Bürger überwachen. Darunter sind Strafverfolger und Geheimdienste. Aber auch 474 Gemeinderäte dürfen lauschen. Nicht berücksichtigt in dem Bericht sind persönliche Anordnungen des Außenministers und des Staatssekretärs für Nordirland, die geheim gehalten werden. Laut Daily Telegraph sind das vermutlich mehrere tausend. Ausgeführt werden die Abhöraktionen meist vom Government Communications Headquarters (GCHQ), dem Inlandsgeheimdienst MI5 und dem Auslandsgeheimdienst MI6.
Im kürzlich veröffentlichten Datenschutzbericht " International Privacy Ranking " von Privacy International aus Großbritannien und Electronic Privacy Information Center aus den USA hat Großbritannien sehr schlecht abgeschnitten. Die Bürgerrechtler stuften das Land als "endemische Überwachungsgesellschaft" ein - zusammen mit Russland, Malaysia, China, Singapur, Taiwan, Thailand und den USA.



